Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ter, Speck, Schinken und Rauchfleisch die Hauptnahrungsmittel, mit dem Unter¬
schiede jedoch, daß Kaffee und Thee mehr in Anwendung kommen. In vielen
Theilen der Marschgegenden, besonders in Jeverlcmd, ist Thee ohne Zucker täg¬
liche Kost der Landleute. Solcher Thee mit Butterbrod ist auch die Abendkvst
der Dienstmädchen in der Stadt. Die genannten Fleischgerichte, die sich freilich
durch Güte auszeichnen, sind die einzigen, die Monate lang auf des Landmanns
Tisch kommen. Seine Kälber und Ochsen wandern nach der Stadt und oft noch
viel weiter.

Die Schwarzbrvde sind übrigens in den älteren Theilen des Herzogthums
weit kleiner als im Münsterlande, das in allen Dingen schon den Uebergang zu
Westphalen bildet; sie werden aber ebenfalls aus nicht gesichtetem, also von der
Kleie nicht befreiten Roggenmehl bereitet. Diese Art Brod, welche überhaupt
den plattredcnden Gegenden Deutschlands eigen ist, so daß Brod- und Sprach¬
grenze zusammenfallen (im Rheinthal z. B. zu Andernach), ist ungemein kräftig
und nahrhaft. Selbst Diejenigen, welche es nicht von Hanse her gewöhnt sind,
genießen es gern mit Butter; die Eingeborenen vermissen es aber schmerzlich in
der Fremde. Ein vldenbnrger Kindermädchen, das meine Familie auf einer
Reise nach Süddentschland begleitet hatte, aß ans dem Rückwege vor dem ersten
Gasthofe, der wieder die langersehnte Kost brachte, den Pferden das grobe
Schwarzbod aus dem Furtergestell weg. Mau hat eigene dünne, breite und scharfe
Messer, um dieses Brod zu schneiden. Die Art und Weise, wie dieses Messer an-
gehabt und geführt wird, ist eigenthümlich, und es bedarf wirklich der Uebung,
um seine, gleichmäßig dicke Schnitte, wie sie beliebt sind, zu Stande zu bringen.

Dieses Brod wird gewöhnlich mir zu Butter genossen, und dient also nicht
als Nebenkost zu anderen Speisen beim Mittagsmahl, wozu es sich auch weit we¬
niger eignet, als unser der Semmel viel naher stehendes leichtes Brod. Der
Fremde ist also in Oldenburg in der unbehaglichen Lage jener Fürsten, die Fried¬
rich von der Pfalz auf dem Schlosse zu Heidelberg tractirte, denen er aber das
Brod verweigerte, um sie für ihre Verwüstungen der Fluren des Landmanns zu
strafen. Als Surrogat reicht man abgekochte Kartoffeln zu jedem Gerichte, so
daß also bei vier Gängen viermal dieselben ungeschmclzteu Kartoffeln als Ad¬
jutanten erscheinen. -- Der feuchtere und süßere Pumpernickel des Westphalen
ist dem Brode, das im Oldenburgischen gebacken wird, gleichwol nahe verwandt.

In diesem Lande, das sowol Butter als Fett in großer Menge liefert, ist
der Verbrauch beider weit größer als anderswo; das feuchte Klima scheint dies
zum Bedürfnisse zu machen. Dieser Ueberzeugung lebte ohne Zweifel auch jener
Bauer, dem wiederholt Speck gestohlen wurde, ohne daß er den Dieb hätte
ermitteln können. Endlich ertappte er einen armen Menschen aus der Nachbar¬
schaft auf der That. Als er demselben Vorwürfe machre und ihm vorhielt, daß
er doch Kartoffeln und Brod, so viel er brauche, von der Armenbehörde erhalte,


ter, Speck, Schinken und Rauchfleisch die Hauptnahrungsmittel, mit dem Unter¬
schiede jedoch, daß Kaffee und Thee mehr in Anwendung kommen. In vielen
Theilen der Marschgegenden, besonders in Jeverlcmd, ist Thee ohne Zucker täg¬
liche Kost der Landleute. Solcher Thee mit Butterbrod ist auch die Abendkvst
der Dienstmädchen in der Stadt. Die genannten Fleischgerichte, die sich freilich
durch Güte auszeichnen, sind die einzigen, die Monate lang auf des Landmanns
Tisch kommen. Seine Kälber und Ochsen wandern nach der Stadt und oft noch
viel weiter.

Die Schwarzbrvde sind übrigens in den älteren Theilen des Herzogthums
weit kleiner als im Münsterlande, das in allen Dingen schon den Uebergang zu
Westphalen bildet; sie werden aber ebenfalls aus nicht gesichtetem, also von der
Kleie nicht befreiten Roggenmehl bereitet. Diese Art Brod, welche überhaupt
den plattredcnden Gegenden Deutschlands eigen ist, so daß Brod- und Sprach¬
grenze zusammenfallen (im Rheinthal z. B. zu Andernach), ist ungemein kräftig
und nahrhaft. Selbst Diejenigen, welche es nicht von Hanse her gewöhnt sind,
genießen es gern mit Butter; die Eingeborenen vermissen es aber schmerzlich in
der Fremde. Ein vldenbnrger Kindermädchen, das meine Familie auf einer
Reise nach Süddentschland begleitet hatte, aß ans dem Rückwege vor dem ersten
Gasthofe, der wieder die langersehnte Kost brachte, den Pferden das grobe
Schwarzbod aus dem Furtergestell weg. Mau hat eigene dünne, breite und scharfe
Messer, um dieses Brod zu schneiden. Die Art und Weise, wie dieses Messer an-
gehabt und geführt wird, ist eigenthümlich, und es bedarf wirklich der Uebung,
um seine, gleichmäßig dicke Schnitte, wie sie beliebt sind, zu Stande zu bringen.

Dieses Brod wird gewöhnlich mir zu Butter genossen, und dient also nicht
als Nebenkost zu anderen Speisen beim Mittagsmahl, wozu es sich auch weit we¬
niger eignet, als unser der Semmel viel naher stehendes leichtes Brod. Der
Fremde ist also in Oldenburg in der unbehaglichen Lage jener Fürsten, die Fried¬
rich von der Pfalz auf dem Schlosse zu Heidelberg tractirte, denen er aber das
Brod verweigerte, um sie für ihre Verwüstungen der Fluren des Landmanns zu
strafen. Als Surrogat reicht man abgekochte Kartoffeln zu jedem Gerichte, so
daß also bei vier Gängen viermal dieselben ungeschmclzteu Kartoffeln als Ad¬
jutanten erscheinen. — Der feuchtere und süßere Pumpernickel des Westphalen
ist dem Brode, das im Oldenburgischen gebacken wird, gleichwol nahe verwandt.

In diesem Lande, das sowol Butter als Fett in großer Menge liefert, ist
der Verbrauch beider weit größer als anderswo; das feuchte Klima scheint dies
zum Bedürfnisse zu machen. Dieser Ueberzeugung lebte ohne Zweifel auch jener
Bauer, dem wiederholt Speck gestohlen wurde, ohne daß er den Dieb hätte
ermitteln können. Endlich ertappte er einen armen Menschen aus der Nachbar¬
schaft auf der That. Als er demselben Vorwürfe machre und ihm vorhielt, daß
er doch Kartoffeln und Brod, so viel er brauche, von der Armenbehörde erhalte,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0433" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94334"/>
            <p xml:id="ID_1241" prev="#ID_1240"> ter, Speck, Schinken und Rauchfleisch die Hauptnahrungsmittel, mit dem Unter¬<lb/>
schiede jedoch, daß Kaffee und Thee mehr in Anwendung kommen. In vielen<lb/>
Theilen der Marschgegenden, besonders in Jeverlcmd, ist Thee ohne Zucker täg¬<lb/>
liche Kost der Landleute. Solcher Thee mit Butterbrod ist auch die Abendkvst<lb/>
der Dienstmädchen in der Stadt. Die genannten Fleischgerichte, die sich freilich<lb/>
durch Güte auszeichnen, sind die einzigen, die Monate lang auf des Landmanns<lb/>
Tisch kommen. Seine Kälber und Ochsen wandern nach der Stadt und oft noch<lb/>
viel weiter.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1242"> Die Schwarzbrvde sind übrigens in den älteren Theilen des Herzogthums<lb/>
weit kleiner als im Münsterlande, das in allen Dingen schon den Uebergang zu<lb/>
Westphalen bildet; sie werden aber ebenfalls aus nicht gesichtetem, also von der<lb/>
Kleie nicht befreiten Roggenmehl bereitet. Diese Art Brod, welche überhaupt<lb/>
den plattredcnden Gegenden Deutschlands eigen ist, so daß Brod- und Sprach¬<lb/>
grenze zusammenfallen (im Rheinthal z. B. zu Andernach), ist ungemein kräftig<lb/>
und nahrhaft. Selbst Diejenigen, welche es nicht von Hanse her gewöhnt sind,<lb/>
genießen es gern mit Butter; die Eingeborenen vermissen es aber schmerzlich in<lb/>
der Fremde. Ein vldenbnrger Kindermädchen, das meine Familie auf einer<lb/>
Reise nach Süddentschland begleitet hatte, aß ans dem Rückwege vor dem ersten<lb/>
Gasthofe, der wieder die langersehnte Kost brachte, den Pferden das grobe<lb/>
Schwarzbod aus dem Furtergestell weg. Mau hat eigene dünne, breite und scharfe<lb/>
Messer, um dieses Brod zu schneiden. Die Art und Weise, wie dieses Messer an-<lb/>
gehabt und geführt wird, ist eigenthümlich, und es bedarf wirklich der Uebung,<lb/>
um seine, gleichmäßig dicke Schnitte, wie sie beliebt sind, zu Stande zu bringen.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1243"> Dieses Brod wird gewöhnlich mir zu Butter genossen, und dient also nicht<lb/>
als Nebenkost zu anderen Speisen beim Mittagsmahl, wozu es sich auch weit we¬<lb/>
niger eignet, als unser der Semmel viel naher stehendes leichtes Brod. Der<lb/>
Fremde ist also in Oldenburg in der unbehaglichen Lage jener Fürsten, die Fried¬<lb/>
rich von der Pfalz auf dem Schlosse zu Heidelberg tractirte, denen er aber das<lb/>
Brod verweigerte, um sie für ihre Verwüstungen der Fluren des Landmanns zu<lb/>
strafen. Als Surrogat reicht man abgekochte Kartoffeln zu jedem Gerichte, so<lb/>
daß also bei vier Gängen viermal dieselben ungeschmclzteu Kartoffeln als Ad¬<lb/>
jutanten erscheinen. &#x2014; Der feuchtere und süßere Pumpernickel des Westphalen<lb/>
ist dem Brode, das im Oldenburgischen gebacken wird, gleichwol nahe verwandt.</p><lb/>
            <p xml:id="ID_1244" next="#ID_1245"> In diesem Lande, das sowol Butter als Fett in großer Menge liefert, ist<lb/>
der Verbrauch beider weit größer als anderswo; das feuchte Klima scheint dies<lb/>
zum Bedürfnisse zu machen. Dieser Ueberzeugung lebte ohne Zweifel auch jener<lb/>
Bauer, dem wiederholt Speck gestohlen wurde, ohne daß er den Dieb hätte<lb/>
ermitteln können. Endlich ertappte er einen armen Menschen aus der Nachbar¬<lb/>
schaft auf der That. Als er demselben Vorwürfe machre und ihm vorhielt, daß<lb/>
er doch Kartoffeln und Brod, so viel er brauche, von der Armenbehörde erhalte,</p><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0433] ter, Speck, Schinken und Rauchfleisch die Hauptnahrungsmittel, mit dem Unter¬ schiede jedoch, daß Kaffee und Thee mehr in Anwendung kommen. In vielen Theilen der Marschgegenden, besonders in Jeverlcmd, ist Thee ohne Zucker täg¬ liche Kost der Landleute. Solcher Thee mit Butterbrod ist auch die Abendkvst der Dienstmädchen in der Stadt. Die genannten Fleischgerichte, die sich freilich durch Güte auszeichnen, sind die einzigen, die Monate lang auf des Landmanns Tisch kommen. Seine Kälber und Ochsen wandern nach der Stadt und oft noch viel weiter. Die Schwarzbrvde sind übrigens in den älteren Theilen des Herzogthums weit kleiner als im Münsterlande, das in allen Dingen schon den Uebergang zu Westphalen bildet; sie werden aber ebenfalls aus nicht gesichtetem, also von der Kleie nicht befreiten Roggenmehl bereitet. Diese Art Brod, welche überhaupt den plattredcnden Gegenden Deutschlands eigen ist, so daß Brod- und Sprach¬ grenze zusammenfallen (im Rheinthal z. B. zu Andernach), ist ungemein kräftig und nahrhaft. Selbst Diejenigen, welche es nicht von Hanse her gewöhnt sind, genießen es gern mit Butter; die Eingeborenen vermissen es aber schmerzlich in der Fremde. Ein vldenbnrger Kindermädchen, das meine Familie auf einer Reise nach Süddentschland begleitet hatte, aß ans dem Rückwege vor dem ersten Gasthofe, der wieder die langersehnte Kost brachte, den Pferden das grobe Schwarzbod aus dem Furtergestell weg. Mau hat eigene dünne, breite und scharfe Messer, um dieses Brod zu schneiden. Die Art und Weise, wie dieses Messer an- gehabt und geführt wird, ist eigenthümlich, und es bedarf wirklich der Uebung, um seine, gleichmäßig dicke Schnitte, wie sie beliebt sind, zu Stande zu bringen. Dieses Brod wird gewöhnlich mir zu Butter genossen, und dient also nicht als Nebenkost zu anderen Speisen beim Mittagsmahl, wozu es sich auch weit we¬ niger eignet, als unser der Semmel viel naher stehendes leichtes Brod. Der Fremde ist also in Oldenburg in der unbehaglichen Lage jener Fürsten, die Fried¬ rich von der Pfalz auf dem Schlosse zu Heidelberg tractirte, denen er aber das Brod verweigerte, um sie für ihre Verwüstungen der Fluren des Landmanns zu strafen. Als Surrogat reicht man abgekochte Kartoffeln zu jedem Gerichte, so daß also bei vier Gängen viermal dieselben ungeschmclzteu Kartoffeln als Ad¬ jutanten erscheinen. — Der feuchtere und süßere Pumpernickel des Westphalen ist dem Brode, das im Oldenburgischen gebacken wird, gleichwol nahe verwandt. In diesem Lande, das sowol Butter als Fett in großer Menge liefert, ist der Verbrauch beider weit größer als anderswo; das feuchte Klima scheint dies zum Bedürfnisse zu machen. Dieser Ueberzeugung lebte ohne Zweifel auch jener Bauer, dem wiederholt Speck gestohlen wurde, ohne daß er den Dieb hätte ermitteln können. Endlich ertappte er einen armen Menschen aus der Nachbar¬ schaft auf der That. Als er demselben Vorwürfe machre und ihm vorhielt, daß er doch Kartoffeln und Brod, so viel er brauche, von der Armenbehörde erhalte,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/433
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/433>, abgerufen am 24.07.2024.