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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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"Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen" neben das oldeuburgische:
Ader un Drinken holt Liw un Seele tosamen, bäter as 'n iseru
Band. Die Worte: un Drinken sind blos, dem Hochdeutschen zu Gefallen,
stehen geblieben; der Zusatz: bäter as 'n isern Band (besser als ein eisernes
Band) ist aber ganz im Geschmacke dieser Niederdeutschen, die, wenn sie hungrig
sind, schlotterig werden, wie ein Faß, von dem die Reifen gesprungen sind,
während ein spanischer Soldat mit einem Stückchen Brod und eiuer Zwiebel einen
Tag lang marschirt. So as em geiht de Backen, so gabt em ook de
Hacken (wie Jemandem der Backen geht, so geht ihm auch die Hacke); nur wer
tüchtig ißt, kann auch tüchtig arbeiten -- heißt ferner ein oldcnbnrger Sprich¬
wort, womit ein Grundsatz ausgesprochen wird, dem bekanntlich auch die Eng¬
länder, und mit weit mehr Erfolg in Bezug auf die Leistungen ihrer Arbeiter,
huldigen. Auf das Wie kommt es bei dem "leewe Ader" nicht so sehr an, als
auf das Wieviel; denn, sagt der derbe Landmann in Bezug aus sich selber:
'N good soin frett Alls (Ein gutes Schwein frißt Alles). Von dem Fein¬
schmecker fürchtet er, daß er zu viel ausgebe: Wollsmack kummt an 'n Bädel¬
sa et (Wohlgeschmack kommt an den Bcttelsack), und weist hartnäckig jede Neuerung
in der Küche ab: Wat de Buur nich kennt, dat srett he nich. Er ver¬
langt von seiner Kost, daß sie vor allen Dingen stäwig, d. h. derb und nach¬
haltig sei; und wirklich gehört ein eiserner Baueruiuagen dazu, Stoss und Masse
zu bewältigen. '

In den südlichen Theilen des Herzogthums besteht das Immer (Frühstück),
welches die Landleute nehmen, nachdem sie schon einige Stunden in der Frühe
gearbeitet habe", aus warmer Milchsuppe mit Mehl und Schwarzbrod, welches
letztere nach Art des westfälischen Pumpernickels vierzig Pfund schwer gebacken
wird. Gemüse und mehrmals in der Woche, wenn nicht täglich, Speck oder auch
Rauchfleisch, dazu Milch mit Schwarzbrod, bilden das Mittagsmahl. Das Vesper¬
brod besteht im Sommer ebenfalls ans Milch und Brod, und ähnlicher Art ist
auch die Kost, wenn sich Abends, nach vollbrachter Arbeit, des Wehrfesters Fa¬
milie und "das Volk" seitwärts vom Herde um den Mannsiedel sammeln, nach¬
dem der Großknecht mit dem Rücken des gewaltigen Brodmessers ans den Eichen¬
tisch geschlagen hat, um Alle zusammenzurufen. ' Auf des Hausvaters Wind
spricht dann der Kühjunge das Gebet, worauf ein nicht lebhafter, aber erfolg¬
reicher Angriff auf "dat leewe Ader" unternommen wird. Sicher essen alle Land¬
leute langsam; aber der Oldenburger ist der Langsamste unter den Langsamer;
daher auch das Scherzwort: Ete langsam, leewe Jan;- Du weest nich,
wat Du taten kannst (Iß langsam, lieber Johann; Du weißt nicht, was Du
lassen kannst).

Von ähnlicher Beschaffenheit, wie die oben erwähnte, ist des Landmanns
Kost in anderen Theilen des Herzogthums; immer find Milch, Schwarzbrod, But-


„Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen" neben das oldeuburgische:
Ader un Drinken holt Liw un Seele tosamen, bäter as 'n iseru
Band. Die Worte: un Drinken sind blos, dem Hochdeutschen zu Gefallen,
stehen geblieben; der Zusatz: bäter as 'n isern Band (besser als ein eisernes
Band) ist aber ganz im Geschmacke dieser Niederdeutschen, die, wenn sie hungrig
sind, schlotterig werden, wie ein Faß, von dem die Reifen gesprungen sind,
während ein spanischer Soldat mit einem Stückchen Brod und eiuer Zwiebel einen
Tag lang marschirt. So as em geiht de Backen, so gabt em ook de
Hacken (wie Jemandem der Backen geht, so geht ihm auch die Hacke); nur wer
tüchtig ißt, kann auch tüchtig arbeiten — heißt ferner ein oldcnbnrger Sprich¬
wort, womit ein Grundsatz ausgesprochen wird, dem bekanntlich auch die Eng¬
länder, und mit weit mehr Erfolg in Bezug auf die Leistungen ihrer Arbeiter,
huldigen. Auf das Wie kommt es bei dem „leewe Ader" nicht so sehr an, als
auf das Wieviel; denn, sagt der derbe Landmann in Bezug aus sich selber:
'N good soin frett Alls (Ein gutes Schwein frißt Alles). Von dem Fein¬
schmecker fürchtet er, daß er zu viel ausgebe: Wollsmack kummt an 'n Bädel¬
sa et (Wohlgeschmack kommt an den Bcttelsack), und weist hartnäckig jede Neuerung
in der Küche ab: Wat de Buur nich kennt, dat srett he nich. Er ver¬
langt von seiner Kost, daß sie vor allen Dingen stäwig, d. h. derb und nach¬
haltig sei; und wirklich gehört ein eiserner Baueruiuagen dazu, Stoss und Masse
zu bewältigen. '

In den südlichen Theilen des Herzogthums besteht das Immer (Frühstück),
welches die Landleute nehmen, nachdem sie schon einige Stunden in der Frühe
gearbeitet habe», aus warmer Milchsuppe mit Mehl und Schwarzbrod, welches
letztere nach Art des westfälischen Pumpernickels vierzig Pfund schwer gebacken
wird. Gemüse und mehrmals in der Woche, wenn nicht täglich, Speck oder auch
Rauchfleisch, dazu Milch mit Schwarzbrod, bilden das Mittagsmahl. Das Vesper¬
brod besteht im Sommer ebenfalls ans Milch und Brod, und ähnlicher Art ist
auch die Kost, wenn sich Abends, nach vollbrachter Arbeit, des Wehrfesters Fa¬
milie und „das Volk" seitwärts vom Herde um den Mannsiedel sammeln, nach¬
dem der Großknecht mit dem Rücken des gewaltigen Brodmessers ans den Eichen¬
tisch geschlagen hat, um Alle zusammenzurufen. ' Auf des Hausvaters Wind
spricht dann der Kühjunge das Gebet, worauf ein nicht lebhafter, aber erfolg¬
reicher Angriff auf „dat leewe Ader" unternommen wird. Sicher essen alle Land¬
leute langsam; aber der Oldenburger ist der Langsamste unter den Langsamer;
daher auch das Scherzwort: Ete langsam, leewe Jan;- Du weest nich,
wat Du taten kannst (Iß langsam, lieber Johann; Du weißt nicht, was Du
lassen kannst).

Von ähnlicher Beschaffenheit, wie die oben erwähnte, ist des Landmanns
Kost in anderen Theilen des Herzogthums; immer find Milch, Schwarzbrod, But-


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[0432] „Essen und Trinken hält Leib und Seele zusammen" neben das oldeuburgische: Ader un Drinken holt Liw un Seele tosamen, bäter as 'n iseru Band. Die Worte: un Drinken sind blos, dem Hochdeutschen zu Gefallen, stehen geblieben; der Zusatz: bäter as 'n isern Band (besser als ein eisernes Band) ist aber ganz im Geschmacke dieser Niederdeutschen, die, wenn sie hungrig sind, schlotterig werden, wie ein Faß, von dem die Reifen gesprungen sind, während ein spanischer Soldat mit einem Stückchen Brod und eiuer Zwiebel einen Tag lang marschirt. So as em geiht de Backen, so gabt em ook de Hacken (wie Jemandem der Backen geht, so geht ihm auch die Hacke); nur wer tüchtig ißt, kann auch tüchtig arbeiten — heißt ferner ein oldcnbnrger Sprich¬ wort, womit ein Grundsatz ausgesprochen wird, dem bekanntlich auch die Eng¬ länder, und mit weit mehr Erfolg in Bezug auf die Leistungen ihrer Arbeiter, huldigen. Auf das Wie kommt es bei dem „leewe Ader" nicht so sehr an, als auf das Wieviel; denn, sagt der derbe Landmann in Bezug aus sich selber: 'N good soin frett Alls (Ein gutes Schwein frißt Alles). Von dem Fein¬ schmecker fürchtet er, daß er zu viel ausgebe: Wollsmack kummt an 'n Bädel¬ sa et (Wohlgeschmack kommt an den Bcttelsack), und weist hartnäckig jede Neuerung in der Küche ab: Wat de Buur nich kennt, dat srett he nich. Er ver¬ langt von seiner Kost, daß sie vor allen Dingen stäwig, d. h. derb und nach¬ haltig sei; und wirklich gehört ein eiserner Baueruiuagen dazu, Stoss und Masse zu bewältigen. ' In den südlichen Theilen des Herzogthums besteht das Immer (Frühstück), welches die Landleute nehmen, nachdem sie schon einige Stunden in der Frühe gearbeitet habe», aus warmer Milchsuppe mit Mehl und Schwarzbrod, welches letztere nach Art des westfälischen Pumpernickels vierzig Pfund schwer gebacken wird. Gemüse und mehrmals in der Woche, wenn nicht täglich, Speck oder auch Rauchfleisch, dazu Milch mit Schwarzbrod, bilden das Mittagsmahl. Das Vesper¬ brod besteht im Sommer ebenfalls ans Milch und Brod, und ähnlicher Art ist auch die Kost, wenn sich Abends, nach vollbrachter Arbeit, des Wehrfesters Fa¬ milie und „das Volk" seitwärts vom Herde um den Mannsiedel sammeln, nach¬ dem der Großknecht mit dem Rücken des gewaltigen Brodmessers ans den Eichen¬ tisch geschlagen hat, um Alle zusammenzurufen. ' Auf des Hausvaters Wind spricht dann der Kühjunge das Gebet, worauf ein nicht lebhafter, aber erfolg¬ reicher Angriff auf „dat leewe Ader" unternommen wird. Sicher essen alle Land¬ leute langsam; aber der Oldenburger ist der Langsamste unter den Langsamer; daher auch das Scherzwort: Ete langsam, leewe Jan;- Du weest nich, wat Du taten kannst (Iß langsam, lieber Johann; Du weißt nicht, was Du lassen kannst). Von ähnlicher Beschaffenheit, wie die oben erwähnte, ist des Landmanns Kost in anderen Theilen des Herzogthums; immer find Milch, Schwarzbrod, But-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/432>, abgerufen am 24.07.2024.