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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Was die oldenburger Schönen in Stadt und Land nicht wenig auszeichnet,
ist die blühende Gesichtsfarbe und die außerordentliche Weiße ihrer Haut, die ich
oft genug selbst bei Frauenzimmern beobachtet habe, die sich nicht im mindesten
der Souue entzogen. Es ist' das jene nordische, etwas kalte Weiße, die ins
Blaue spielt, während die südliche Hautfarbe einen warmen bräunlichen Ton hat.

Ueberhaupt wird der Fremde, der die Bälle der Residenz besucht, eiuen
recht hübschen Frühlingsgarten von Mädchen finden, die einfach, aber nicht ohne
Geschmack gekleidet sind> Zugleich wird es ihm jedoch auffallen, daß diese Mäd¬
chen in ihrem Grüßen und Neigen, überhaupt in ihrer Haltung, ihrem Gespräche
(i'öspeLtivs Schweigen) und ganzen Wesen eine gewisse stereotype Gleichförmigkeit
und Befangenheit an sich tragen, die ihnen Eintrag thut. Neben den Stadt¬
mädchen sind auch die Landmädchen, wie neben den Gartenblumen die Feldblu¬
men, keine verächtliche Erscheinung. Das' niedliche handgroße Häubchen, von
dem oft breite Bänder in lebhaften Farben flattern, stehen den frischen Dirnen
gar hübsch. Erscheinen sie mit ihren blank gescheuerten Eimern, welche zierlich
an einem Tragholze, wie die Schalen einer Wage, von der Schulter niederschwe¬
ben; ist auch die Sonne so guter Laune, auf deu blank gescheuerten Messing¬
nägeln des Tragholzes und den Messingbändern des Eimers zu blitzen, so nimmt
sich das recht artig aus. Außer dem erwähnten Häubchen steht man in den alten
'Theilen des Herzogthums Nichts, was an ein Costum erinnerte, und auch im
Münsterlande verschwinden die Trachten immer mehr; nur die schwarzen Sammet¬
hüte, die schrecklichen Caricatnren von Damenhüten, scheinen sich dort bei den
Weibern vom Lande behaupten zu wollen.

Eine besondere Sucht, sich zu putzen, hat der Oldenburger im Allgemeinen
nicht, wie er überhaupt nach Dingen, die dem bloßen Scheine dienen, wenig
fragt. Vorn fix, achter (hinten) nix lautet sein Sprichwort. Auch unterschei¬
det sich der Bauer Werktags von seinen Knechten nicht im mindesten, und es
bedarf bei seiner schlichten, schwerfälligen Erscheinung wirklich einiger Anstrengung,
um das Schöne, was er hat, z. B. die schmale gerade Nase, die fast alle aus¬
zeichnet, anzuerkennen. Bei den Soldaten, welche gute Haltung und reine Klei¬
dung vor dem Bauer voraus haben, treten die körperlichen Vorzüge mehr ins
Licht, und in der That nehmen sich die oldenburger Truppen recht stattlich aus.

Der Oldenburger sieht behaglich und satt aus, während so viele andere
Deutsche -- bei angestrengter Arbeit And schmaler Kost -- Plage, Hunger und
Kummer auf dem Antlitz tragen. Dat leewe Ader -- denn so drückt sich der
Dldenbnrger aus, wenn er von seines Leibes Nahrung spricht, "das liebe Essen"
ist ihm aber auch eine Herzenssache, neben der das Trinken mir eine geringe
Rolle spielt, und das Wort "Trinkgeld" stammt sicher nicht aus diesem Winkel
Deutschlands. Goldschmidt stellt in seiner wiederholt von uns benutzten Sprich¬
wörtersammlung, die seinen Skizzen einverleibt ist, das hochdeutsche Sprichwort:


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Was die oldenburger Schönen in Stadt und Land nicht wenig auszeichnet,
ist die blühende Gesichtsfarbe und die außerordentliche Weiße ihrer Haut, die ich
oft genug selbst bei Frauenzimmern beobachtet habe, die sich nicht im mindesten
der Souue entzogen. Es ist' das jene nordische, etwas kalte Weiße, die ins
Blaue spielt, während die südliche Hautfarbe einen warmen bräunlichen Ton hat.

Ueberhaupt wird der Fremde, der die Bälle der Residenz besucht, eiuen
recht hübschen Frühlingsgarten von Mädchen finden, die einfach, aber nicht ohne
Geschmack gekleidet sind> Zugleich wird es ihm jedoch auffallen, daß diese Mäd¬
chen in ihrem Grüßen und Neigen, überhaupt in ihrer Haltung, ihrem Gespräche
(i'öspeLtivs Schweigen) und ganzen Wesen eine gewisse stereotype Gleichförmigkeit
und Befangenheit an sich tragen, die ihnen Eintrag thut. Neben den Stadt¬
mädchen sind auch die Landmädchen, wie neben den Gartenblumen die Feldblu¬
men, keine verächtliche Erscheinung. Das' niedliche handgroße Häubchen, von
dem oft breite Bänder in lebhaften Farben flattern, stehen den frischen Dirnen
gar hübsch. Erscheinen sie mit ihren blank gescheuerten Eimern, welche zierlich
an einem Tragholze, wie die Schalen einer Wage, von der Schulter niederschwe¬
ben; ist auch die Sonne so guter Laune, auf deu blank gescheuerten Messing¬
nägeln des Tragholzes und den Messingbändern des Eimers zu blitzen, so nimmt
sich das recht artig aus. Außer dem erwähnten Häubchen steht man in den alten
'Theilen des Herzogthums Nichts, was an ein Costum erinnerte, und auch im
Münsterlande verschwinden die Trachten immer mehr; nur die schwarzen Sammet¬
hüte, die schrecklichen Caricatnren von Damenhüten, scheinen sich dort bei den
Weibern vom Lande behaupten zu wollen.

Eine besondere Sucht, sich zu putzen, hat der Oldenburger im Allgemeinen
nicht, wie er überhaupt nach Dingen, die dem bloßen Scheine dienen, wenig
fragt. Vorn fix, achter (hinten) nix lautet sein Sprichwort. Auch unterschei¬
det sich der Bauer Werktags von seinen Knechten nicht im mindesten, und es
bedarf bei seiner schlichten, schwerfälligen Erscheinung wirklich einiger Anstrengung,
um das Schöne, was er hat, z. B. die schmale gerade Nase, die fast alle aus¬
zeichnet, anzuerkennen. Bei den Soldaten, welche gute Haltung und reine Klei¬
dung vor dem Bauer voraus haben, treten die körperlichen Vorzüge mehr ins
Licht, und in der That nehmen sich die oldenburger Truppen recht stattlich aus.

Der Oldenburger sieht behaglich und satt aus, während so viele andere
Deutsche — bei angestrengter Arbeit And schmaler Kost — Plage, Hunger und
Kummer auf dem Antlitz tragen. Dat leewe Ader — denn so drückt sich der
Dldenbnrger aus, wenn er von seines Leibes Nahrung spricht, „das liebe Essen"
ist ihm aber auch eine Herzenssache, neben der das Trinken mir eine geringe
Rolle spielt, und das Wort „Trinkgeld" stammt sicher nicht aus diesem Winkel
Deutschlands. Goldschmidt stellt in seiner wiederholt von uns benutzten Sprich¬
wörtersammlung, die seinen Skizzen einverleibt ist, das hochdeutsche Sprichwort:


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[0431] Was die oldenburger Schönen in Stadt und Land nicht wenig auszeichnet, ist die blühende Gesichtsfarbe und die außerordentliche Weiße ihrer Haut, die ich oft genug selbst bei Frauenzimmern beobachtet habe, die sich nicht im mindesten der Souue entzogen. Es ist' das jene nordische, etwas kalte Weiße, die ins Blaue spielt, während die südliche Hautfarbe einen warmen bräunlichen Ton hat. Ueberhaupt wird der Fremde, der die Bälle der Residenz besucht, eiuen recht hübschen Frühlingsgarten von Mädchen finden, die einfach, aber nicht ohne Geschmack gekleidet sind> Zugleich wird es ihm jedoch auffallen, daß diese Mäd¬ chen in ihrem Grüßen und Neigen, überhaupt in ihrer Haltung, ihrem Gespräche (i'öspeLtivs Schweigen) und ganzen Wesen eine gewisse stereotype Gleichförmigkeit und Befangenheit an sich tragen, die ihnen Eintrag thut. Neben den Stadt¬ mädchen sind auch die Landmädchen, wie neben den Gartenblumen die Feldblu¬ men, keine verächtliche Erscheinung. Das' niedliche handgroße Häubchen, von dem oft breite Bänder in lebhaften Farben flattern, stehen den frischen Dirnen gar hübsch. Erscheinen sie mit ihren blank gescheuerten Eimern, welche zierlich an einem Tragholze, wie die Schalen einer Wage, von der Schulter niederschwe¬ ben; ist auch die Sonne so guter Laune, auf deu blank gescheuerten Messing¬ nägeln des Tragholzes und den Messingbändern des Eimers zu blitzen, so nimmt sich das recht artig aus. Außer dem erwähnten Häubchen steht man in den alten 'Theilen des Herzogthums Nichts, was an ein Costum erinnerte, und auch im Münsterlande verschwinden die Trachten immer mehr; nur die schwarzen Sammet¬ hüte, die schrecklichen Caricatnren von Damenhüten, scheinen sich dort bei den Weibern vom Lande behaupten zu wollen. Eine besondere Sucht, sich zu putzen, hat der Oldenburger im Allgemeinen nicht, wie er überhaupt nach Dingen, die dem bloßen Scheine dienen, wenig fragt. Vorn fix, achter (hinten) nix lautet sein Sprichwort. Auch unterschei¬ det sich der Bauer Werktags von seinen Knechten nicht im mindesten, und es bedarf bei seiner schlichten, schwerfälligen Erscheinung wirklich einiger Anstrengung, um das Schöne, was er hat, z. B. die schmale gerade Nase, die fast alle aus¬ zeichnet, anzuerkennen. Bei den Soldaten, welche gute Haltung und reine Klei¬ dung vor dem Bauer voraus haben, treten die körperlichen Vorzüge mehr ins Licht, und in der That nehmen sich die oldenburger Truppen recht stattlich aus. Der Oldenburger sieht behaglich und satt aus, während so viele andere Deutsche — bei angestrengter Arbeit And schmaler Kost — Plage, Hunger und Kummer auf dem Antlitz tragen. Dat leewe Ader — denn so drückt sich der Dldenbnrger aus, wenn er von seines Leibes Nahrung spricht, „das liebe Essen" ist ihm aber auch eine Herzenssache, neben der das Trinken mir eine geringe Rolle spielt, und das Wort „Trinkgeld" stammt sicher nicht aus diesem Winkel Deutschlands. Goldschmidt stellt in seiner wiederholt von uns benutzten Sprich¬ wörtersammlung, die seinen Skizzen einverleibt ist, das hochdeutsche Sprichwort: 33*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/431>, abgerufen am 24.07.2024.