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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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kann von der Schönheit nicht satt werden)., Lobt er die Schönheit, so geschieht
es in ironischer Weise:


Moi Wis, moi Füür, moi Puus
Is 'n Sierrath for 't Huus.

(Schönes Weib, schönes Feuer, schöne Katze seigentlich alles Pelzartigej ist ein
Zierrath für's Hans.) Noch einmal, der Oldenburger ist ein guter Ehemann, und
der Spruch: Erst dar Nötigste, sa de Keerl: da prügelt he sin Wis
(Erst das Nöthigste, sagte der Maun: da prügelte er sein Weib) ist Nichts als
ein bloßes Scherzwort.

Wir haben oben gesehen, daß die Landleute sich unter einander mit dem blo¬
ßen Vornamen anreden. Da es nun aber leicht mehrere vom gleichen Vornamen
ans demselben Hofe, in der Bauerschaft oder im Dorfe giebt: so entsteht das Be¬
dürfniß, diese Vornamen näher zu bestimmen. Das geschieht min entweder dnrch
ein Eigenschaftswort: de lange Harms, de scheefe Jan, oder durch Beifügung
des väterlichen oder, was häufiger geschieht, des mütterlichen Vornamens:
Gerd's Diert, Engel är (ihr) Gehabe (Engel und Gehabe sind dialektische
Formen für Angelika und Gesina). Mitunter geschieht es auch, daß einem Hofe
seit undenklichen Zeiten ein Name anklebt, der auf den jedesmaligen Besitzer
übergeht, indem derselbe seinem Vornamen den Namen des Hofes als eine Art
von Zunamen beifügt. Tritt z. B. ein Hinrich Jansen auf dem Hofe Ho-
tes ein, so heißt er von Stund' an: Hinrich Hotes. Vollständig schreibt
er sich (z. B. in Urkunden): "Zeller oder Hausmann Hinrich Hotes, 'geboren
Jansen." Dies ist besonders auf Stellen des Münsterlandes Brauch. Die
vielen Familiennamen ans s (Genitiv) und sen (Sohn) sind friesischen und über¬
haupt nordischen, nicht sächsischen Ursprungs. Sie erklären sich aus dem uralten,
bekanntlich auch bei anderen Völkern verschiedener Zeiten herrschenden Gebrauche,
Vor- und Zunamen überhaupt nicht zu unterscheiden, sondern dem Namen des
Sohns deu des Vaters als nähere Bezeichnung mit angehängtem s (sen) beizu¬
fügen, so daß also Eiter Lüders der Sohn von Luder Elters ist, und der
Enkel den Namen des Großvaters erhält. Die vielen Willers, Claussen,
Elters und Hinrichs im oldenburger Lande haben demnach die Wahrscheinlich¬
keit der friesischen Abstammung für sich. Gegenwärtig duldet die Behörde nicht
mehr die friesische Weise der Benennung, und es find jetzt überall feste Familien¬
namen eingeführt, wodurch ^unzähligen Verwirrungen vorgebeugt ist.

Ich habe oben von der selbstverschuldeten Armuth vieler Familien der dienen¬
den Klasse in der Marsch gesprochen; dennoch kann man im Allgemeinen nicht
sagen, daß im oldenburger'Lande drückende Noth vorhanden sei. Jene schroffen
Gegensätze von Reichthum und Armuth, welche sich in übervölkerten Ländern,
wo der Grundbesitz in beliebig kleine Theile sich spaltet, und in Fabrikgegenden
so häufig finden, kennt Oldenburg nicht. Wie groß auch die Zahl, der Ver-


kann von der Schönheit nicht satt werden)., Lobt er die Schönheit, so geschieht
es in ironischer Weise:


Moi Wis, moi Füür, moi Puus
Is 'n Sierrath for 't Huus.

(Schönes Weib, schönes Feuer, schöne Katze seigentlich alles Pelzartigej ist ein
Zierrath für's Hans.) Noch einmal, der Oldenburger ist ein guter Ehemann, und
der Spruch: Erst dar Nötigste, sa de Keerl: da prügelt he sin Wis
(Erst das Nöthigste, sagte der Maun: da prügelte er sein Weib) ist Nichts als
ein bloßes Scherzwort.

Wir haben oben gesehen, daß die Landleute sich unter einander mit dem blo¬
ßen Vornamen anreden. Da es nun aber leicht mehrere vom gleichen Vornamen
ans demselben Hofe, in der Bauerschaft oder im Dorfe giebt: so entsteht das Be¬
dürfniß, diese Vornamen näher zu bestimmen. Das geschieht min entweder dnrch
ein Eigenschaftswort: de lange Harms, de scheefe Jan, oder durch Beifügung
des väterlichen oder, was häufiger geschieht, des mütterlichen Vornamens:
Gerd's Diert, Engel är (ihr) Gehabe (Engel und Gehabe sind dialektische
Formen für Angelika und Gesina). Mitunter geschieht es auch, daß einem Hofe
seit undenklichen Zeiten ein Name anklebt, der auf den jedesmaligen Besitzer
übergeht, indem derselbe seinem Vornamen den Namen des Hofes als eine Art
von Zunamen beifügt. Tritt z. B. ein Hinrich Jansen auf dem Hofe Ho-
tes ein, so heißt er von Stund' an: Hinrich Hotes. Vollständig schreibt
er sich (z. B. in Urkunden): „Zeller oder Hausmann Hinrich Hotes, 'geboren
Jansen." Dies ist besonders auf Stellen des Münsterlandes Brauch. Die
vielen Familiennamen ans s (Genitiv) und sen (Sohn) sind friesischen und über¬
haupt nordischen, nicht sächsischen Ursprungs. Sie erklären sich aus dem uralten,
bekanntlich auch bei anderen Völkern verschiedener Zeiten herrschenden Gebrauche,
Vor- und Zunamen überhaupt nicht zu unterscheiden, sondern dem Namen des
Sohns deu des Vaters als nähere Bezeichnung mit angehängtem s (sen) beizu¬
fügen, so daß also Eiter Lüders der Sohn von Luder Elters ist, und der
Enkel den Namen des Großvaters erhält. Die vielen Willers, Claussen,
Elters und Hinrichs im oldenburger Lande haben demnach die Wahrscheinlich¬
keit der friesischen Abstammung für sich. Gegenwärtig duldet die Behörde nicht
mehr die friesische Weise der Benennung, und es find jetzt überall feste Familien¬
namen eingeführt, wodurch ^unzähligen Verwirrungen vorgebeugt ist.

Ich habe oben von der selbstverschuldeten Armuth vieler Familien der dienen¬
den Klasse in der Marsch gesprochen; dennoch kann man im Allgemeinen nicht
sagen, daß im oldenburger'Lande drückende Noth vorhanden sei. Jene schroffen
Gegensätze von Reichthum und Armuth, welche sich in übervölkerten Ländern,
wo der Grundbesitz in beliebig kleine Theile sich spaltet, und in Fabrikgegenden
so häufig finden, kennt Oldenburg nicht. Wie groß auch die Zahl, der Ver-


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[0424] kann von der Schönheit nicht satt werden)., Lobt er die Schönheit, so geschieht es in ironischer Weise: Moi Wis, moi Füür, moi Puus Is 'n Sierrath for 't Huus. (Schönes Weib, schönes Feuer, schöne Katze seigentlich alles Pelzartigej ist ein Zierrath für's Hans.) Noch einmal, der Oldenburger ist ein guter Ehemann, und der Spruch: Erst dar Nötigste, sa de Keerl: da prügelt he sin Wis (Erst das Nöthigste, sagte der Maun: da prügelte er sein Weib) ist Nichts als ein bloßes Scherzwort. Wir haben oben gesehen, daß die Landleute sich unter einander mit dem blo¬ ßen Vornamen anreden. Da es nun aber leicht mehrere vom gleichen Vornamen ans demselben Hofe, in der Bauerschaft oder im Dorfe giebt: so entsteht das Be¬ dürfniß, diese Vornamen näher zu bestimmen. Das geschieht min entweder dnrch ein Eigenschaftswort: de lange Harms, de scheefe Jan, oder durch Beifügung des väterlichen oder, was häufiger geschieht, des mütterlichen Vornamens: Gerd's Diert, Engel är (ihr) Gehabe (Engel und Gehabe sind dialektische Formen für Angelika und Gesina). Mitunter geschieht es auch, daß einem Hofe seit undenklichen Zeiten ein Name anklebt, der auf den jedesmaligen Besitzer übergeht, indem derselbe seinem Vornamen den Namen des Hofes als eine Art von Zunamen beifügt. Tritt z. B. ein Hinrich Jansen auf dem Hofe Ho- tes ein, so heißt er von Stund' an: Hinrich Hotes. Vollständig schreibt er sich (z. B. in Urkunden): „Zeller oder Hausmann Hinrich Hotes, 'geboren Jansen." Dies ist besonders auf Stellen des Münsterlandes Brauch. Die vielen Familiennamen ans s (Genitiv) und sen (Sohn) sind friesischen und über¬ haupt nordischen, nicht sächsischen Ursprungs. Sie erklären sich aus dem uralten, bekanntlich auch bei anderen Völkern verschiedener Zeiten herrschenden Gebrauche, Vor- und Zunamen überhaupt nicht zu unterscheiden, sondern dem Namen des Sohns deu des Vaters als nähere Bezeichnung mit angehängtem s (sen) beizu¬ fügen, so daß also Eiter Lüders der Sohn von Luder Elters ist, und der Enkel den Namen des Großvaters erhält. Die vielen Willers, Claussen, Elters und Hinrichs im oldenburger Lande haben demnach die Wahrscheinlich¬ keit der friesischen Abstammung für sich. Gegenwärtig duldet die Behörde nicht mehr die friesische Weise der Benennung, und es find jetzt überall feste Familien¬ namen eingeführt, wodurch ^unzähligen Verwirrungen vorgebeugt ist. Ich habe oben von der selbstverschuldeten Armuth vieler Familien der dienen¬ den Klasse in der Marsch gesprochen; dennoch kann man im Allgemeinen nicht sagen, daß im oldenburger'Lande drückende Noth vorhanden sei. Jene schroffen Gegensätze von Reichthum und Armuth, welche sich in übervölkerten Ländern, wo der Grundbesitz in beliebig kleine Theile sich spaltet, und in Fabrikgegenden so häufig finden, kennt Oldenburg nicht. Wie groß auch die Zahl, der Ver-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/424>, abgerufen am 24.07.2024.