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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Zwischendeck, inclusive des Steercige, bewohnten. Die Räumlichkeiten, auf welche
jeder einzelne Passagier für sich Anspruch machen konnte, waren also nicht beson¬
ders groß, zumal der Hintere Raum des Schiffs vom Mizzenmast (Besanmust)
bis zum Stern von Vorräthen und Kisten eingenommen war. Dessen ungeachtet
hatte Jeder seine Lagerstätte, eine Stelle für einen Koffer und außerdem auch
uoch so viel freien Raum, daß er auf demselben stehen und sich drehen konnte;
ein Gehen war aber nur dann möglich, wenn ein Theil der Passagiere sich in
die Kojen zurückgezogen hatte, oder ans dem Verdecke freie Lust genoß, oder wenn
einer oder der andere sich bequemte, auf die Kisten und Koffer zu klettern, um
den Vorübergehenden Platz zu machen. Die Kojen, d. h. die Lagerstätten, waren
längs des Schiffes auf beiden Seiten in der Weise angebracht, daß sie zwei
übereinanderliegende Stockwerke bildeten; jedes von diesen Stockwerken bestand
aus einem Rahmen von ungefähr 100 F. Länge und öVs F. Breite; der untere
war V2 F- über dem Fußboden des Zwischendecks erhaben, der obere 3 F.
über dem untern; dnrch dazwischen geschobene, weguehmbare Breter warm diese
langen Rahmen in Bettstellen getheilt in der Weise, daß die Längenrichtung der
Bettstellen mit der Längenrichtung des Schiffs einen rechten Winkel bildete. Da
den Passagieren gestattet war, je zwei Scheidewände wegzunehmen (die dritte war
unbeweglich), so konnten je 3 Personen sich vereinigen, ihre Matratzen gleichlaufend
mit der Längerichtung des Schiffes zu legen. Diese letztere Einrichtung, welche
auf vielen Auswandernngsschiffen eingeführt ist, fand bei der Bevölkerung unsres
Schiffes wenig Anklang, indem mit ihr keinerlei Vorzüge, aber desto mehr Uebel¬
stände verbunden waren. Da jedes Stockwerk nur eine Höhe von 3 Fuß hatte,
so war es bei jeder Lagerungsweise schon ziemlich beschwerlich, zu den Lagerplätzen
zu gelangen, um so mehr aber, wenn die Vorderen sich schon niedergelegt hatten,
und Diejenigen, denen die Hinteren Kojen gehörten, gezwungen waren, sich ihren
Weg über die Leiber der beiden Anderen zu bahnen; solche Fälle traten namentlich
während der mannichfachen Zufälle der Seekrankheit häufig ein, und wurden daher
die Veranlassung, daß diese Lagerung von Denen, welche im Anfange sehr dafür
eingenommen waren, aufgegeben wurde; serner war die Lust, welche überhaupt
nicht auf einen hohen Grad von Reinheit Anspruch machen konnte, für die In¬
haber der Hinteren Kojen im .höchsten Grade drückend, und endlich kamen die
drei hinter einander liegenden Gefährten durch das Schaukeln des Schiffes in so
enge Berührung, daß sie sich bisweilen bei einem heftigen Stoße eher über als
neben einander liegend fanden, oder daß der eine sich fest an seinen Nachbar an¬
klammerte, um nicht nach Art einer Walze aus dem Lager heransznrollen. --
Alle diese Uebelstände konnten nicht eintreten, sobald man die Zwischenbreter in
ihrer ursprünglichen Lage ruhen ließ, so daß die einzelnen Bettstellen, dnrch feste
Scheidewände von einander geschieden, eine Länge von SV2 8- und eine Breite
von 2 F. hatten, und daß ihre Längenrichtung mit der Breite des Schiffes


Zwischendeck, inclusive des Steercige, bewohnten. Die Räumlichkeiten, auf welche
jeder einzelne Passagier für sich Anspruch machen konnte, waren also nicht beson¬
ders groß, zumal der Hintere Raum des Schiffs vom Mizzenmast (Besanmust)
bis zum Stern von Vorräthen und Kisten eingenommen war. Dessen ungeachtet
hatte Jeder seine Lagerstätte, eine Stelle für einen Koffer und außerdem auch
uoch so viel freien Raum, daß er auf demselben stehen und sich drehen konnte;
ein Gehen war aber nur dann möglich, wenn ein Theil der Passagiere sich in
die Kojen zurückgezogen hatte, oder ans dem Verdecke freie Lust genoß, oder wenn
einer oder der andere sich bequemte, auf die Kisten und Koffer zu klettern, um
den Vorübergehenden Platz zu machen. Die Kojen, d. h. die Lagerstätten, waren
längs des Schiffes auf beiden Seiten in der Weise angebracht, daß sie zwei
übereinanderliegende Stockwerke bildeten; jedes von diesen Stockwerken bestand
aus einem Rahmen von ungefähr 100 F. Länge und öVs F. Breite; der untere
war V2 F- über dem Fußboden des Zwischendecks erhaben, der obere 3 F.
über dem untern; dnrch dazwischen geschobene, weguehmbare Breter warm diese
langen Rahmen in Bettstellen getheilt in der Weise, daß die Längenrichtung der
Bettstellen mit der Längenrichtung des Schiffs einen rechten Winkel bildete. Da
den Passagieren gestattet war, je zwei Scheidewände wegzunehmen (die dritte war
unbeweglich), so konnten je 3 Personen sich vereinigen, ihre Matratzen gleichlaufend
mit der Längerichtung des Schiffes zu legen. Diese letztere Einrichtung, welche
auf vielen Auswandernngsschiffen eingeführt ist, fand bei der Bevölkerung unsres
Schiffes wenig Anklang, indem mit ihr keinerlei Vorzüge, aber desto mehr Uebel¬
stände verbunden waren. Da jedes Stockwerk nur eine Höhe von 3 Fuß hatte,
so war es bei jeder Lagerungsweise schon ziemlich beschwerlich, zu den Lagerplätzen
zu gelangen, um so mehr aber, wenn die Vorderen sich schon niedergelegt hatten,
und Diejenigen, denen die Hinteren Kojen gehörten, gezwungen waren, sich ihren
Weg über die Leiber der beiden Anderen zu bahnen; solche Fälle traten namentlich
während der mannichfachen Zufälle der Seekrankheit häufig ein, und wurden daher
die Veranlassung, daß diese Lagerung von Denen, welche im Anfange sehr dafür
eingenommen waren, aufgegeben wurde; serner war die Lust, welche überhaupt
nicht auf einen hohen Grad von Reinheit Anspruch machen konnte, für die In¬
haber der Hinteren Kojen im .höchsten Grade drückend, und endlich kamen die
drei hinter einander liegenden Gefährten durch das Schaukeln des Schiffes in so
enge Berührung, daß sie sich bisweilen bei einem heftigen Stoße eher über als
neben einander liegend fanden, oder daß der eine sich fest an seinen Nachbar an¬
klammerte, um nicht nach Art einer Walze aus dem Lager heransznrollen. —
Alle diese Uebelstände konnten nicht eintreten, sobald man die Zwischenbreter in
ihrer ursprünglichen Lage ruhen ließ, so daß die einzelnen Bettstellen, dnrch feste
Scheidewände von einander geschieden, eine Länge von SV2 8- und eine Breite
von 2 F. hatten, und daß ihre Längenrichtung mit der Breite des Schiffes


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[0378] Zwischendeck, inclusive des Steercige, bewohnten. Die Räumlichkeiten, auf welche jeder einzelne Passagier für sich Anspruch machen konnte, waren also nicht beson¬ ders groß, zumal der Hintere Raum des Schiffs vom Mizzenmast (Besanmust) bis zum Stern von Vorräthen und Kisten eingenommen war. Dessen ungeachtet hatte Jeder seine Lagerstätte, eine Stelle für einen Koffer und außerdem auch uoch so viel freien Raum, daß er auf demselben stehen und sich drehen konnte; ein Gehen war aber nur dann möglich, wenn ein Theil der Passagiere sich in die Kojen zurückgezogen hatte, oder ans dem Verdecke freie Lust genoß, oder wenn einer oder der andere sich bequemte, auf die Kisten und Koffer zu klettern, um den Vorübergehenden Platz zu machen. Die Kojen, d. h. die Lagerstätten, waren längs des Schiffes auf beiden Seiten in der Weise angebracht, daß sie zwei übereinanderliegende Stockwerke bildeten; jedes von diesen Stockwerken bestand aus einem Rahmen von ungefähr 100 F. Länge und öVs F. Breite; der untere war V2 F- über dem Fußboden des Zwischendecks erhaben, der obere 3 F. über dem untern; dnrch dazwischen geschobene, weguehmbare Breter warm diese langen Rahmen in Bettstellen getheilt in der Weise, daß die Längenrichtung der Bettstellen mit der Längenrichtung des Schiffs einen rechten Winkel bildete. Da den Passagieren gestattet war, je zwei Scheidewände wegzunehmen (die dritte war unbeweglich), so konnten je 3 Personen sich vereinigen, ihre Matratzen gleichlaufend mit der Längerichtung des Schiffes zu legen. Diese letztere Einrichtung, welche auf vielen Auswandernngsschiffen eingeführt ist, fand bei der Bevölkerung unsres Schiffes wenig Anklang, indem mit ihr keinerlei Vorzüge, aber desto mehr Uebel¬ stände verbunden waren. Da jedes Stockwerk nur eine Höhe von 3 Fuß hatte, so war es bei jeder Lagerungsweise schon ziemlich beschwerlich, zu den Lagerplätzen zu gelangen, um so mehr aber, wenn die Vorderen sich schon niedergelegt hatten, und Diejenigen, denen die Hinteren Kojen gehörten, gezwungen waren, sich ihren Weg über die Leiber der beiden Anderen zu bahnen; solche Fälle traten namentlich während der mannichfachen Zufälle der Seekrankheit häufig ein, und wurden daher die Veranlassung, daß diese Lagerung von Denen, welche im Anfange sehr dafür eingenommen waren, aufgegeben wurde; serner war die Lust, welche überhaupt nicht auf einen hohen Grad von Reinheit Anspruch machen konnte, für die In¬ haber der Hinteren Kojen im .höchsten Grade drückend, und endlich kamen die drei hinter einander liegenden Gefährten durch das Schaukeln des Schiffes in so enge Berührung, daß sie sich bisweilen bei einem heftigen Stoße eher über als neben einander liegend fanden, oder daß der eine sich fest an seinen Nachbar an¬ klammerte, um nicht nach Art einer Walze aus dem Lager heransznrollen. — Alle diese Uebelstände konnten nicht eintreten, sobald man die Zwischenbreter in ihrer ursprünglichen Lage ruhen ließ, so daß die einzelnen Bettstellen, dnrch feste Scheidewände von einander geschieden, eine Länge von SV2 8- und eine Breite von 2 F. hatten, und daß ihre Längenrichtung mit der Breite des Schiffes

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/378>, abgerufen am 24.07.2024.