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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Mischung von grünen mit schwarzen Blättern immer weitere Verbreitung fand.
Nur schade> daß wir so selten den natürlich grünen Thee erhalten, daß fast
immer unser grüner Thee schlechteren Standorten entstammt oder von täuschender
Kunst seine Farbe empfing. Auch beziehen sich die ihm beigelegten Namen
Twankay, Hyson, Hysonskin, Uouug Hyson, Gumpowder nur auf
die Firmen der damit handelnden Hänser in den vom europäischen Fuß ent¬
weihten Provinzen des Reiches der Mitte. Ganz anders verhält es sich dagegen
mit dem grünen Thee, welcher über Kiächta uach Nußland geht. Seine Gestimmt-
masse ist gering, selten mehr als 16 -- 20,000 Pfund im Jahr, und es theilen
sich in seine Erzeugung nur die zwei Familien Schür-tun-tü und Schatt-
e'o-tai. Beide Gattungen werden jedoch durch keine bestimmten Eigenschaften
geschieden; die> tiefsinnige Vermuthung erhält also große Wahrscheinlichkeit, daß
jene Familien nnr die jüngsten Blätter der beiden ersten Jahrcsernten, vielleicht
auch nur bestimmter Lagen unter eigenem Namen auf den Markt bringen, da¬
gegen den gesammten übrigen Erntebctrag als Baichow verführen. -- Wer nie
den echten grünen Thee gesehen, dem kann man seine Farbe kaum'beschreiben,
während der echte Theekenner selbst mit geschlossenem Auge die sorgfältig, fest,
körnerähnlich zusammengerollten Blätter auch von den feinsten schwarzen Sorten
am Gefühl, an der Schwere, wie am Geruch unterscheidet. Letzterem fehlt
jeder weiche Beigeschmack, welcher dem schwarzen Thee in allen Nuancen bleibt,
während das eigenthümliche Theearom nicht einschmeichelnd, aber mit Entschie¬
denheit vordrängt. Ganz in derselben Weise verhält es sich mit dem Geschmack,
uoch mehr mit den Nachwirkungen. Wir erinnern uns aus eigener Erfahrung,
mit vollkommen theegewohnteu Genossen einst in Rußland einen kleinen Nest von
Kaiserverlenthce lM"asKi tsodm) ohne Beimischung von schwarzem Thee aufge¬
gossen und getrunken zu haben -- und keiner von uns, obgleich wir sogar we¬
niger Stakans als ollabendlich getrunken hatten, konnte in der folgenden Nacht
eine Secunde schlafen. Leicht und heiter war indessen die Aufregung, ähnlich
dem leichten Opiumräusche, doch ohne dessen Hallucinationen. > Auch rollte das
Blut nicht rascher oder fühlbarer durch die Adern, und erst am folgenden Nach¬
mittag versank die angenehm erhöhte Geistesthätigkeit allmählich in ein sanftes
Gefühl körperlicher Ermüdung, welches erst am spätern Abende als Uebermüdung
durch stärkeres Klopfen der Pulse sich kundgab. -- Vou diesem Chanski-tschai
erhält man jedoch selbst in Rußland nur selten eine echte Probe, auf soviel Thee¬
kisten auch sein Name vermerkt, und obgleich in den Verzeichnissen der Theehändler
sogar mitunter mehrere Sorten aufgeführt sind. Ueberhaupt hat die Einführung
des grünen Thee's auf dem Landwege sich in den letzten Jahrzehenden außer¬
ordentlich vermindert, so daß wir anstatt der 26,000 Pfund. des Jahres -1810
im Jahre 1849 mir uoch 942 Pfund in den Einfuhrlistcn vermerkt finden.

Wurde uun oben schon der gelbe Thee, der Sau-pedem und Sir-tu-a-


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Mischung von grünen mit schwarzen Blättern immer weitere Verbreitung fand.
Nur schade> daß wir so selten den natürlich grünen Thee erhalten, daß fast
immer unser grüner Thee schlechteren Standorten entstammt oder von täuschender
Kunst seine Farbe empfing. Auch beziehen sich die ihm beigelegten Namen
Twankay, Hyson, Hysonskin, Uouug Hyson, Gumpowder nur auf
die Firmen der damit handelnden Hänser in den vom europäischen Fuß ent¬
weihten Provinzen des Reiches der Mitte. Ganz anders verhält es sich dagegen
mit dem grünen Thee, welcher über Kiächta uach Nußland geht. Seine Gestimmt-
masse ist gering, selten mehr als 16 — 20,000 Pfund im Jahr, und es theilen
sich in seine Erzeugung nur die zwei Familien Schür-tun-tü und Schatt-
e'o-tai. Beide Gattungen werden jedoch durch keine bestimmten Eigenschaften
geschieden; die> tiefsinnige Vermuthung erhält also große Wahrscheinlichkeit, daß
jene Familien nnr die jüngsten Blätter der beiden ersten Jahrcsernten, vielleicht
auch nur bestimmter Lagen unter eigenem Namen auf den Markt bringen, da¬
gegen den gesammten übrigen Erntebctrag als Baichow verführen. — Wer nie
den echten grünen Thee gesehen, dem kann man seine Farbe kaum'beschreiben,
während der echte Theekenner selbst mit geschlossenem Auge die sorgfältig, fest,
körnerähnlich zusammengerollten Blätter auch von den feinsten schwarzen Sorten
am Gefühl, an der Schwere, wie am Geruch unterscheidet. Letzterem fehlt
jeder weiche Beigeschmack, welcher dem schwarzen Thee in allen Nuancen bleibt,
während das eigenthümliche Theearom nicht einschmeichelnd, aber mit Entschie¬
denheit vordrängt. Ganz in derselben Weise verhält es sich mit dem Geschmack,
uoch mehr mit den Nachwirkungen. Wir erinnern uns aus eigener Erfahrung,
mit vollkommen theegewohnteu Genossen einst in Rußland einen kleinen Nest von
Kaiserverlenthce lM»asKi tsodm) ohne Beimischung von schwarzem Thee aufge¬
gossen und getrunken zu haben — und keiner von uns, obgleich wir sogar we¬
niger Stakans als ollabendlich getrunken hatten, konnte in der folgenden Nacht
eine Secunde schlafen. Leicht und heiter war indessen die Aufregung, ähnlich
dem leichten Opiumräusche, doch ohne dessen Hallucinationen. > Auch rollte das
Blut nicht rascher oder fühlbarer durch die Adern, und erst am folgenden Nach¬
mittag versank die angenehm erhöhte Geistesthätigkeit allmählich in ein sanftes
Gefühl körperlicher Ermüdung, welches erst am spätern Abende als Uebermüdung
durch stärkeres Klopfen der Pulse sich kundgab. — Vou diesem Chanski-tschai
erhält man jedoch selbst in Rußland nur selten eine echte Probe, auf soviel Thee¬
kisten auch sein Name vermerkt, und obgleich in den Verzeichnissen der Theehändler
sogar mitunter mehrere Sorten aufgeführt sind. Ueberhaupt hat die Einführung
des grünen Thee's auf dem Landwege sich in den letzten Jahrzehenden außer¬
ordentlich vermindert, so daß wir anstatt der 26,000 Pfund. des Jahres -1810
im Jahre 1849 mir uoch 942 Pfund in den Einfuhrlistcn vermerkt finden.

Wurde uun oben schon der gelbe Thee, der Sau-pedem und Sir-tu-a-


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[0341] Mischung von grünen mit schwarzen Blättern immer weitere Verbreitung fand. Nur schade> daß wir so selten den natürlich grünen Thee erhalten, daß fast immer unser grüner Thee schlechteren Standorten entstammt oder von täuschender Kunst seine Farbe empfing. Auch beziehen sich die ihm beigelegten Namen Twankay, Hyson, Hysonskin, Uouug Hyson, Gumpowder nur auf die Firmen der damit handelnden Hänser in den vom europäischen Fuß ent¬ weihten Provinzen des Reiches der Mitte. Ganz anders verhält es sich dagegen mit dem grünen Thee, welcher über Kiächta uach Nußland geht. Seine Gestimmt- masse ist gering, selten mehr als 16 — 20,000 Pfund im Jahr, und es theilen sich in seine Erzeugung nur die zwei Familien Schür-tun-tü und Schatt- e'o-tai. Beide Gattungen werden jedoch durch keine bestimmten Eigenschaften geschieden; die> tiefsinnige Vermuthung erhält also große Wahrscheinlichkeit, daß jene Familien nnr die jüngsten Blätter der beiden ersten Jahrcsernten, vielleicht auch nur bestimmter Lagen unter eigenem Namen auf den Markt bringen, da¬ gegen den gesammten übrigen Erntebctrag als Baichow verführen. — Wer nie den echten grünen Thee gesehen, dem kann man seine Farbe kaum'beschreiben, während der echte Theekenner selbst mit geschlossenem Auge die sorgfältig, fest, körnerähnlich zusammengerollten Blätter auch von den feinsten schwarzen Sorten am Gefühl, an der Schwere, wie am Geruch unterscheidet. Letzterem fehlt jeder weiche Beigeschmack, welcher dem schwarzen Thee in allen Nuancen bleibt, während das eigenthümliche Theearom nicht einschmeichelnd, aber mit Entschie¬ denheit vordrängt. Ganz in derselben Weise verhält es sich mit dem Geschmack, uoch mehr mit den Nachwirkungen. Wir erinnern uns aus eigener Erfahrung, mit vollkommen theegewohnteu Genossen einst in Rußland einen kleinen Nest von Kaiserverlenthce lM»asKi tsodm) ohne Beimischung von schwarzem Thee aufge¬ gossen und getrunken zu haben — und keiner von uns, obgleich wir sogar we¬ niger Stakans als ollabendlich getrunken hatten, konnte in der folgenden Nacht eine Secunde schlafen. Leicht und heiter war indessen die Aufregung, ähnlich dem leichten Opiumräusche, doch ohne dessen Hallucinationen. > Auch rollte das Blut nicht rascher oder fühlbarer durch die Adern, und erst am folgenden Nach¬ mittag versank die angenehm erhöhte Geistesthätigkeit allmählich in ein sanftes Gefühl körperlicher Ermüdung, welches erst am spätern Abende als Uebermüdung durch stärkeres Klopfen der Pulse sich kundgab. — Vou diesem Chanski-tschai erhält man jedoch selbst in Rußland nur selten eine echte Probe, auf soviel Thee¬ kisten auch sein Name vermerkt, und obgleich in den Verzeichnissen der Theehändler sogar mitunter mehrere Sorten aufgeführt sind. Ueberhaupt hat die Einführung des grünen Thee's auf dem Landwege sich in den letzten Jahrzehenden außer¬ ordentlich vermindert, so daß wir anstatt der 26,000 Pfund. des Jahres -1810 im Jahre 1849 mir uoch 942 Pfund in den Einfuhrlistcn vermerkt finden. Wurde uun oben schon der gelbe Thee, der Sau-pedem und Sir-tu-a- Grcuzboten. II. >!8!i2,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/341>, abgerufen am 24.07.2024.