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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Schwachheiten beilegten, vor dem Vorwmf der Gottlosigkeit durch allegorische Er¬
klärung retten zu müssen. Es ward nachgewiesen, daß der auf historisch-kritische
Forschung vornehm herabsehende Symboliker sinnlos und gewissenlos Zufälliges und
Allgemeines, Neues und Altes, Griechisches und Nichtgriechisches durch einander
mengte, um dieses trübe Gemisch für den Urquell der griechischen Religion aus¬
geben zu können; daß sein System ein Gewebe von Trugschlüssen, seine Gelehr¬
samkeit erborgt, seine Kenntniß des Griechischen schülerhaft sei. Für den Ver¬
fasser dieser Recensionen ward I. H. Voß gehalten, der schon 179t mit einem
Meisterwerk (den mythologischen Briefen) gegen die ans Heyne's Schule
hervorgegangene Mytheuerklärung als siegreicher Gegner aufgetreten war, und
den Abend seines rastlos arbeitvollen Lebens in ehrenvoller, nicht unthätiger Muße
in Heidelberg selbst verlebte. Die Verbreitung des Gerüchts veranlaßte endlich
1818 seinen Sohn Heinrich, der als Professor in Heidelberg Kreuzers College
war, den Recensenten öffentlich zur Nennung seines Namens aufzufordern, und --
Lobeck nannte sich. Wie Voß sich dann später selbst zur Beurtheilung der Sym¬
bolik entschloß (in der Jen. Allg. Literaturzeitung 1821), wie seine Kritiken all¬
mählich zu den zwei Bänden der Antisymbolik heranwuchsen, eines Werkes, das
ihn eben so sehr als Mann wie als Gelehrten hochstellt; wie der Streit per¬
sönlich wurde, wie man hin und wieder mit Leidenschaft Partei nahm: das gehört nicht
Hieher, vielmehr wende ich mich jetzt zu dem Mann, der zuerst den bekehrungs-
eisrigen Herolden der Symbolik Einhalt zugerufen hatte.

Christian August Lobeck, geb. 1781 zu Naumburg, hatte auf den Universi¬
täten zu Wittenberg und Leipzig seine Bildung empfangen; an der letztern war
er Zuhörer Gottfried Hermanns (des um neun Jahre ältern) und eines der ersten
Mitglieder von dessen berühmter griechischer (vor 1805 philologischer) Gesellschaft;
zwischen beiden bildete sich ein auf gegenseitige Hochachtung und Liebe gegrün¬
detes Verhältniß, das in'gleichinniger Herzlichkeit bis zu Hermann's Tode (18i8)
währte. Nach Vollendung seiner Studien fand Lobeck zuerst eine Anstellung am
Gymnasium zu Wittenberg, 1811 wurde er Professor der alten Literatur an der
Universität daselbst. Erst 1809 hatte er sein erstes großes Werk veröffentlicht,
die berühmte Ausgabe des Sophokleischen Ajax, in einem Alter also, wo man¬
cher philologische Schriftsteller bereits selbstzufrieden auf eine bändereiche Ver¬
gangenheit zurücksieht. Im nächsten Jahre veranlaßte ihn die systematische Pro¬
paganda eines schädlichen Irrglaubens zu jenem namenlosen Warnungsrufe. Die
Recensionen gegen Crenzer zeigen ihn anch auf diesem, von seinen bisher bekannt
gemachten Studien weitabliegenden Gebiete als- einen Meister, der von den
Wenigsten Belehrung empfangen konnte; doch vergingen beinahe noch zwanzig
Jahre bis zum Erscheinen des Werkes, in dem die hier berührten Fragen
erschöpfende Beantwortung fanden. Denn er bildete Jahre lang an seinen
Schöpfungen, und konnte sich nimmer genug thu", und nicht Ruhmsucht, nicht


Schwachheiten beilegten, vor dem Vorwmf der Gottlosigkeit durch allegorische Er¬
klärung retten zu müssen. Es ward nachgewiesen, daß der auf historisch-kritische
Forschung vornehm herabsehende Symboliker sinnlos und gewissenlos Zufälliges und
Allgemeines, Neues und Altes, Griechisches und Nichtgriechisches durch einander
mengte, um dieses trübe Gemisch für den Urquell der griechischen Religion aus¬
geben zu können; daß sein System ein Gewebe von Trugschlüssen, seine Gelehr¬
samkeit erborgt, seine Kenntniß des Griechischen schülerhaft sei. Für den Ver¬
fasser dieser Recensionen ward I. H. Voß gehalten, der schon 179t mit einem
Meisterwerk (den mythologischen Briefen) gegen die ans Heyne's Schule
hervorgegangene Mytheuerklärung als siegreicher Gegner aufgetreten war, und
den Abend seines rastlos arbeitvollen Lebens in ehrenvoller, nicht unthätiger Muße
in Heidelberg selbst verlebte. Die Verbreitung des Gerüchts veranlaßte endlich
1818 seinen Sohn Heinrich, der als Professor in Heidelberg Kreuzers College
war, den Recensenten öffentlich zur Nennung seines Namens aufzufordern, und —
Lobeck nannte sich. Wie Voß sich dann später selbst zur Beurtheilung der Sym¬
bolik entschloß (in der Jen. Allg. Literaturzeitung 1821), wie seine Kritiken all¬
mählich zu den zwei Bänden der Antisymbolik heranwuchsen, eines Werkes, das
ihn eben so sehr als Mann wie als Gelehrten hochstellt; wie der Streit per¬
sönlich wurde, wie man hin und wieder mit Leidenschaft Partei nahm: das gehört nicht
Hieher, vielmehr wende ich mich jetzt zu dem Mann, der zuerst den bekehrungs-
eisrigen Herolden der Symbolik Einhalt zugerufen hatte.

Christian August Lobeck, geb. 1781 zu Naumburg, hatte auf den Universi¬
täten zu Wittenberg und Leipzig seine Bildung empfangen; an der letztern war
er Zuhörer Gottfried Hermanns (des um neun Jahre ältern) und eines der ersten
Mitglieder von dessen berühmter griechischer (vor 1805 philologischer) Gesellschaft;
zwischen beiden bildete sich ein auf gegenseitige Hochachtung und Liebe gegrün¬
detes Verhältniß, das in'gleichinniger Herzlichkeit bis zu Hermann's Tode (18i8)
währte. Nach Vollendung seiner Studien fand Lobeck zuerst eine Anstellung am
Gymnasium zu Wittenberg, 1811 wurde er Professor der alten Literatur an der
Universität daselbst. Erst 1809 hatte er sein erstes großes Werk veröffentlicht,
die berühmte Ausgabe des Sophokleischen Ajax, in einem Alter also, wo man¬
cher philologische Schriftsteller bereits selbstzufrieden auf eine bändereiche Ver¬
gangenheit zurücksieht. Im nächsten Jahre veranlaßte ihn die systematische Pro¬
paganda eines schädlichen Irrglaubens zu jenem namenlosen Warnungsrufe. Die
Recensionen gegen Crenzer zeigen ihn anch auf diesem, von seinen bisher bekannt
gemachten Studien weitabliegenden Gebiete als- einen Meister, der von den
Wenigsten Belehrung empfangen konnte; doch vergingen beinahe noch zwanzig
Jahre bis zum Erscheinen des Werkes, in dem die hier berührten Fragen
erschöpfende Beantwortung fanden. Denn er bildete Jahre lang an seinen
Schöpfungen, und konnte sich nimmer genug thu», und nicht Ruhmsucht, nicht


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[0296] Schwachheiten beilegten, vor dem Vorwmf der Gottlosigkeit durch allegorische Er¬ klärung retten zu müssen. Es ward nachgewiesen, daß der auf historisch-kritische Forschung vornehm herabsehende Symboliker sinnlos und gewissenlos Zufälliges und Allgemeines, Neues und Altes, Griechisches und Nichtgriechisches durch einander mengte, um dieses trübe Gemisch für den Urquell der griechischen Religion aus¬ geben zu können; daß sein System ein Gewebe von Trugschlüssen, seine Gelehr¬ samkeit erborgt, seine Kenntniß des Griechischen schülerhaft sei. Für den Ver¬ fasser dieser Recensionen ward I. H. Voß gehalten, der schon 179t mit einem Meisterwerk (den mythologischen Briefen) gegen die ans Heyne's Schule hervorgegangene Mytheuerklärung als siegreicher Gegner aufgetreten war, und den Abend seines rastlos arbeitvollen Lebens in ehrenvoller, nicht unthätiger Muße in Heidelberg selbst verlebte. Die Verbreitung des Gerüchts veranlaßte endlich 1818 seinen Sohn Heinrich, der als Professor in Heidelberg Kreuzers College war, den Recensenten öffentlich zur Nennung seines Namens aufzufordern, und — Lobeck nannte sich. Wie Voß sich dann später selbst zur Beurtheilung der Sym¬ bolik entschloß (in der Jen. Allg. Literaturzeitung 1821), wie seine Kritiken all¬ mählich zu den zwei Bänden der Antisymbolik heranwuchsen, eines Werkes, das ihn eben so sehr als Mann wie als Gelehrten hochstellt; wie der Streit per¬ sönlich wurde, wie man hin und wieder mit Leidenschaft Partei nahm: das gehört nicht Hieher, vielmehr wende ich mich jetzt zu dem Mann, der zuerst den bekehrungs- eisrigen Herolden der Symbolik Einhalt zugerufen hatte. Christian August Lobeck, geb. 1781 zu Naumburg, hatte auf den Universi¬ täten zu Wittenberg und Leipzig seine Bildung empfangen; an der letztern war er Zuhörer Gottfried Hermanns (des um neun Jahre ältern) und eines der ersten Mitglieder von dessen berühmter griechischer (vor 1805 philologischer) Gesellschaft; zwischen beiden bildete sich ein auf gegenseitige Hochachtung und Liebe gegrün¬ detes Verhältniß, das in'gleichinniger Herzlichkeit bis zu Hermann's Tode (18i8) währte. Nach Vollendung seiner Studien fand Lobeck zuerst eine Anstellung am Gymnasium zu Wittenberg, 1811 wurde er Professor der alten Literatur an der Universität daselbst. Erst 1809 hatte er sein erstes großes Werk veröffentlicht, die berühmte Ausgabe des Sophokleischen Ajax, in einem Alter also, wo man¬ cher philologische Schriftsteller bereits selbstzufrieden auf eine bändereiche Ver¬ gangenheit zurücksieht. Im nächsten Jahre veranlaßte ihn die systematische Pro¬ paganda eines schädlichen Irrglaubens zu jenem namenlosen Warnungsrufe. Die Recensionen gegen Crenzer zeigen ihn anch auf diesem, von seinen bisher bekannt gemachten Studien weitabliegenden Gebiete als- einen Meister, der von den Wenigsten Belehrung empfangen konnte; doch vergingen beinahe noch zwanzig Jahre bis zum Erscheinen des Werkes, in dem die hier berührten Fragen erschöpfende Beantwortung fanden. Denn er bildete Jahre lang an seinen Schöpfungen, und konnte sich nimmer genug thu», und nicht Ruhmsucht, nicht

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/296>, abgerufen am 24.07.2024.