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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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zum Motto. Wir sehen aber eben nur die Freuden, deren Vergänglich-
keit dargestellt werden soll, und wenn nur nicht die Parze an die Intention
des Malers erinnerte, wir glaubten, es handle sich um eine Zusammenstellung
menschlicher Genüsse. Dabei sind die Farben so schreiend und so unpoetisch
gewählt, daß selbst die wenige Poesie, die in Anordnung einzelner Gruppen
ausgesprochen ist, darüber zu Grunde geht. Das, was der Künstler eigentlich
ausdrücken wollte, ist nirgend ausgedrückt, und wir haben blos die eine Ueber¬
zeugung davon getragen, Herr Omer-Charlet wollte ein Seitenstück zu Pa-
pely's "Glückestraum", der seiner Zeit so viel Aussehen machte, malen. Die
anderen Allegorien sind noch unbedeutender, um nicht zu sagen abgeschmackter.
So hat ein Herr Debeu die freiwillige Unterwerfung der Philosophie und Wissen¬
schaft unter die Religion zum Vorwurfe genommen, und man muß eben vom
Kataloge erfahren, was der Maler gewollt, denn das Bild zeigt uns blos zwei
häßliche Greise, über denen ein himmelblau gekleidetes Weib sitzt. Die Wolken, die
mit großer Freigebigkeit um die drei Hauptfiguren herum angebracht sind, dienen
nur wenig zur Aufklärung. Eine gewisse Sensation erregte eine andere Alle¬
gorie von Hamon. Diese soll die menschliche Komödie vorstellen. Es ist ein
langes, schmales Gemälde, das der Form wie der Ausführung nach wie die Copie
eines Basreliefs aussteht. Die Farben siud bunt, aber in einer gewissen Mattig¬
keit gehalten; es sieht wie abgeschabt aus. Die Komposition ist geistreich und
die Anordnung der einzelnen Gruppen gefällig. In der Mitte des Bildes steht
ein kleines Marionetten-Theater. Amor ist auf dem Galgen, und Minerva steht
auf der andern Seite, die Lanze in der Hand. Der Marionettenspieler, dessen
Kopf etwas hervorguckt, hat keine Hand mehr für eine dritte Figur, und diese,
ein Bachus, liegt aus dem Bauche, deu Oberleib über das kleine Theater hin¬
aus. Aus einem Bänkchen vor dem Theater sitzen lachende und weinende Kinder,
die sich das Schauspiel ansehen. Ein sentimentaler Junge, der sich Amor's Schicksal
besonders zu Herzen genommen zu haben scheint, ist von allerliebster Wirkung.
Zur Rechten des Beschauers stehen Homer, Virgil, Moliöre u. s. w., eine
kleine Blumenhändlerin, welche einem Mädchen so eben einen Rosenkranz verkauft.
Zur Linken sehen wir anrücken eine Colonne bewaffneter Lanzenmänner, und hart
an der Bude steht ein altes Weib mit einem Schüsselchen in der Hand, in das
ein Held, vielleicht Julius Cäsar, ein Goldstück wirft. Das Ganze ist harmo¬
nisch und von eigenthümlichem Eindrucke. Die matten, obgleich bunten Farben
geben diesem Bilde etwas Traumhaftes, das sich ganz gut mit dem Gegenstande
verträgt.

Die eigentlichen Glanzseiten des Salons bilden die Genrebilder, die Portraits
und die Landschaften. Im Genrebild steht Meissonier auch dieses Jahr oben an.


Grenzboten. II. 18S2. ' , 32 >
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zum Motto. Wir sehen aber eben nur die Freuden, deren Vergänglich-
keit dargestellt werden soll, und wenn nur nicht die Parze an die Intention
des Malers erinnerte, wir glaubten, es handle sich um eine Zusammenstellung
menschlicher Genüsse. Dabei sind die Farben so schreiend und so unpoetisch
gewählt, daß selbst die wenige Poesie, die in Anordnung einzelner Gruppen
ausgesprochen ist, darüber zu Grunde geht. Das, was der Künstler eigentlich
ausdrücken wollte, ist nirgend ausgedrückt, und wir haben blos die eine Ueber¬
zeugung davon getragen, Herr Omer-Charlet wollte ein Seitenstück zu Pa-
pely's „Glückestraum", der seiner Zeit so viel Aussehen machte, malen. Die
anderen Allegorien sind noch unbedeutender, um nicht zu sagen abgeschmackter.
So hat ein Herr Debeu die freiwillige Unterwerfung der Philosophie und Wissen¬
schaft unter die Religion zum Vorwurfe genommen, und man muß eben vom
Kataloge erfahren, was der Maler gewollt, denn das Bild zeigt uns blos zwei
häßliche Greise, über denen ein himmelblau gekleidetes Weib sitzt. Die Wolken, die
mit großer Freigebigkeit um die drei Hauptfiguren herum angebracht sind, dienen
nur wenig zur Aufklärung. Eine gewisse Sensation erregte eine andere Alle¬
gorie von Hamon. Diese soll die menschliche Komödie vorstellen. Es ist ein
langes, schmales Gemälde, das der Form wie der Ausführung nach wie die Copie
eines Basreliefs aussteht. Die Farben siud bunt, aber in einer gewissen Mattig¬
keit gehalten; es sieht wie abgeschabt aus. Die Komposition ist geistreich und
die Anordnung der einzelnen Gruppen gefällig. In der Mitte des Bildes steht
ein kleines Marionetten-Theater. Amor ist auf dem Galgen, und Minerva steht
auf der andern Seite, die Lanze in der Hand. Der Marionettenspieler, dessen
Kopf etwas hervorguckt, hat keine Hand mehr für eine dritte Figur, und diese,
ein Bachus, liegt aus dem Bauche, deu Oberleib über das kleine Theater hin¬
aus. Aus einem Bänkchen vor dem Theater sitzen lachende und weinende Kinder,
die sich das Schauspiel ansehen. Ein sentimentaler Junge, der sich Amor's Schicksal
besonders zu Herzen genommen zu haben scheint, ist von allerliebster Wirkung.
Zur Rechten des Beschauers stehen Homer, Virgil, Moliöre u. s. w., eine
kleine Blumenhändlerin, welche einem Mädchen so eben einen Rosenkranz verkauft.
Zur Linken sehen wir anrücken eine Colonne bewaffneter Lanzenmänner, und hart
an der Bude steht ein altes Weib mit einem Schüsselchen in der Hand, in das
ein Held, vielleicht Julius Cäsar, ein Goldstück wirft. Das Ganze ist harmo¬
nisch und von eigenthümlichem Eindrucke. Die matten, obgleich bunten Farben
geben diesem Bilde etwas Traumhaftes, das sich ganz gut mit dem Gegenstande
verträgt.

Die eigentlichen Glanzseiten des Salons bilden die Genrebilder, die Portraits
und die Landschaften. Im Genrebild steht Meissonier auch dieses Jahr oben an.


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[0259] Meu luFsess I^aduntur «uni zum Motto. Wir sehen aber eben nur die Freuden, deren Vergänglich- keit dargestellt werden soll, und wenn nur nicht die Parze an die Intention des Malers erinnerte, wir glaubten, es handle sich um eine Zusammenstellung menschlicher Genüsse. Dabei sind die Farben so schreiend und so unpoetisch gewählt, daß selbst die wenige Poesie, die in Anordnung einzelner Gruppen ausgesprochen ist, darüber zu Grunde geht. Das, was der Künstler eigentlich ausdrücken wollte, ist nirgend ausgedrückt, und wir haben blos die eine Ueber¬ zeugung davon getragen, Herr Omer-Charlet wollte ein Seitenstück zu Pa- pely's „Glückestraum", der seiner Zeit so viel Aussehen machte, malen. Die anderen Allegorien sind noch unbedeutender, um nicht zu sagen abgeschmackter. So hat ein Herr Debeu die freiwillige Unterwerfung der Philosophie und Wissen¬ schaft unter die Religion zum Vorwurfe genommen, und man muß eben vom Kataloge erfahren, was der Maler gewollt, denn das Bild zeigt uns blos zwei häßliche Greise, über denen ein himmelblau gekleidetes Weib sitzt. Die Wolken, die mit großer Freigebigkeit um die drei Hauptfiguren herum angebracht sind, dienen nur wenig zur Aufklärung. Eine gewisse Sensation erregte eine andere Alle¬ gorie von Hamon. Diese soll die menschliche Komödie vorstellen. Es ist ein langes, schmales Gemälde, das der Form wie der Ausführung nach wie die Copie eines Basreliefs aussteht. Die Farben siud bunt, aber in einer gewissen Mattig¬ keit gehalten; es sieht wie abgeschabt aus. Die Komposition ist geistreich und die Anordnung der einzelnen Gruppen gefällig. In der Mitte des Bildes steht ein kleines Marionetten-Theater. Amor ist auf dem Galgen, und Minerva steht auf der andern Seite, die Lanze in der Hand. Der Marionettenspieler, dessen Kopf etwas hervorguckt, hat keine Hand mehr für eine dritte Figur, und diese, ein Bachus, liegt aus dem Bauche, deu Oberleib über das kleine Theater hin¬ aus. Aus einem Bänkchen vor dem Theater sitzen lachende und weinende Kinder, die sich das Schauspiel ansehen. Ein sentimentaler Junge, der sich Amor's Schicksal besonders zu Herzen genommen zu haben scheint, ist von allerliebster Wirkung. Zur Rechten des Beschauers stehen Homer, Virgil, Moliöre u. s. w., eine kleine Blumenhändlerin, welche einem Mädchen so eben einen Rosenkranz verkauft. Zur Linken sehen wir anrücken eine Colonne bewaffneter Lanzenmänner, und hart an der Bude steht ein altes Weib mit einem Schüsselchen in der Hand, in das ein Held, vielleicht Julius Cäsar, ein Goldstück wirft. Das Ganze ist harmo¬ nisch und von eigenthümlichem Eindrucke. Die matten, obgleich bunten Farben geben diesem Bilde etwas Traumhaftes, das sich ganz gut mit dem Gegenstande verträgt. Die eigentlichen Glanzseiten des Salons bilden die Genrebilder, die Portraits und die Landschaften. Im Genrebild steht Meissonier auch dieses Jahr oben an. Grenzboten. II. 18S2. ' , 32 >

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/259>, abgerufen am 24.07.2024.