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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Spannung gefolgt. Statt dessen schleichen jetzt dunkle Gerüchte über die geheimen
Verhandlungen, welche das endliche Schicksal dieser Länder entscheiden sollen,
unbestimmt, widersprechend und versteckt, wie es in solchen Fällen gewöhnlich zu
geschehen pflegt, in den Zeitungen herum. Wir können uns nicht mehr an aus¬
gemachte Thatsachen halten, wir haben es mit unsichtbaren Gegnern zu thun; aber
wir dürfen doch unsre Aufmerksamkeit nicht schlaff werden lassen in einer Zeit, wo es
sich um viel ernsthaftere Dinge handelt, als selbst in dem blutigen Kampf von 1848.

Damals galt es zunächst die Abwehr unmittelbarer Uebel. Die Herzogthümer
führten Krieg gegen ihren Herzog, theils weil sie ihre Rechte gekränkt glaubten,
theils weil sie ihre Zukunft sicher stellen wollten. Die Entscheidung des Krieges
konnte, wenigstens wenn man die rechtlichen Anforderungen der Parteien in Be¬
tracht zog, zu keinem unmittelbaren Endresultate führen. Die damals herrschende
cidcrdänische Partei war mit der Schleswig-hvlsteinschen wenigstens in einem Punkte
einig, über den Unterschied der Erbfolge im Königreich Dänemark und im
Herzogthum Holstein; es fragte sich nur, welchem von beiden Theilen Schleswig
zufallen sollte. Jetzt handelt es sich einfach darum, durch die überlegene Gewalt
der deutschen Großmächte nicht blos Schleswig, sondern auch Holstein auf immer
seinem Mutterlande zu entreißen und es der dänischen Krone einzuverleiben. Auf
diese Weise vertritt Oestreich die Rechte der Nation, als deren Schirmherr es
seit einem Jahre aufgetreten ist. Aber was noch viel schlimmer ist: Preußen,
welches bisher dem Londoner Protokoll seine Zustimmung stets versagt hat, giebt
' sich zum Vermittler her und glaubt seine gefährdete Rolle einer europäischen Gro߬
macht dadurch herzustellen, daß es gegen seine eigenen Interessen und gegen seine
eigenen Gefühle in den Kampf tritt.

Die einzige Hoffnung der Herzogthümer beruht gegenwärtig ans dem Her¬
zog von Augustenburg, dem Rechte nach ihrem künftigen Souverain. Es wird
jetzt in sämmtlichen Blättern behauptet, daß die Krone Dänemark unter Vermitte¬
lung Preußens mit ihm in Unterhandlung getreten sei, und ihm sowol seine Erb¬
ansprüche als seine Familiengüter für eine Abfindungssumme abkaufen wolle. Es ist
über allen Zweifel erhaben, daß dieser wahrhaft fürstlich gesinnte Mann mit Stolz
und Energie jedes derartige Ansinnen von sich weisen wird. Er darf sich sein Recht
nicht abkaufen lassen, denn dieses Recht enthält zugleich eine Pflicht. So wie
die Herzogthümer nach dem Aussterben des jetzt regierenden Hauses ihm als ih¬
rem Landesherrn verpflichtet sind, so ist er ihnen als Schützer und Hort ihrer
Nationalität verpflichtet. Solcher Verpflichtung entäußert sich kein wahrhaft
großgesinnter Manu um schnödes Gold.

Wenn er aber nicht aus die Unterhandlungen eingeht, wird Preußen ihn
vollständig aufgeben. Das wagen selbst solche Blätter zu behaupten, die in enger
Verbindung mit der jetzt in Preußen herrschenden Partei stehen.

Sollte es Preußen wirklich vergessen, daß durch seinen frühern Kampf, mochte


Spannung gefolgt. Statt dessen schleichen jetzt dunkle Gerüchte über die geheimen
Verhandlungen, welche das endliche Schicksal dieser Länder entscheiden sollen,
unbestimmt, widersprechend und versteckt, wie es in solchen Fällen gewöhnlich zu
geschehen pflegt, in den Zeitungen herum. Wir können uns nicht mehr an aus¬
gemachte Thatsachen halten, wir haben es mit unsichtbaren Gegnern zu thun; aber
wir dürfen doch unsre Aufmerksamkeit nicht schlaff werden lassen in einer Zeit, wo es
sich um viel ernsthaftere Dinge handelt, als selbst in dem blutigen Kampf von 1848.

Damals galt es zunächst die Abwehr unmittelbarer Uebel. Die Herzogthümer
führten Krieg gegen ihren Herzog, theils weil sie ihre Rechte gekränkt glaubten,
theils weil sie ihre Zukunft sicher stellen wollten. Die Entscheidung des Krieges
konnte, wenigstens wenn man die rechtlichen Anforderungen der Parteien in Be¬
tracht zog, zu keinem unmittelbaren Endresultate führen. Die damals herrschende
cidcrdänische Partei war mit der Schleswig-hvlsteinschen wenigstens in einem Punkte
einig, über den Unterschied der Erbfolge im Königreich Dänemark und im
Herzogthum Holstein; es fragte sich nur, welchem von beiden Theilen Schleswig
zufallen sollte. Jetzt handelt es sich einfach darum, durch die überlegene Gewalt
der deutschen Großmächte nicht blos Schleswig, sondern auch Holstein auf immer
seinem Mutterlande zu entreißen und es der dänischen Krone einzuverleiben. Auf
diese Weise vertritt Oestreich die Rechte der Nation, als deren Schirmherr es
seit einem Jahre aufgetreten ist. Aber was noch viel schlimmer ist: Preußen,
welches bisher dem Londoner Protokoll seine Zustimmung stets versagt hat, giebt
' sich zum Vermittler her und glaubt seine gefährdete Rolle einer europäischen Gro߬
macht dadurch herzustellen, daß es gegen seine eigenen Interessen und gegen seine
eigenen Gefühle in den Kampf tritt.

Die einzige Hoffnung der Herzogthümer beruht gegenwärtig ans dem Her¬
zog von Augustenburg, dem Rechte nach ihrem künftigen Souverain. Es wird
jetzt in sämmtlichen Blättern behauptet, daß die Krone Dänemark unter Vermitte¬
lung Preußens mit ihm in Unterhandlung getreten sei, und ihm sowol seine Erb¬
ansprüche als seine Familiengüter für eine Abfindungssumme abkaufen wolle. Es ist
über allen Zweifel erhaben, daß dieser wahrhaft fürstlich gesinnte Mann mit Stolz
und Energie jedes derartige Ansinnen von sich weisen wird. Er darf sich sein Recht
nicht abkaufen lassen, denn dieses Recht enthält zugleich eine Pflicht. So wie
die Herzogthümer nach dem Aussterben des jetzt regierenden Hauses ihm als ih¬
rem Landesherrn verpflichtet sind, so ist er ihnen als Schützer und Hort ihrer
Nationalität verpflichtet. Solcher Verpflichtung entäußert sich kein wahrhaft
großgesinnter Manu um schnödes Gold.

Wenn er aber nicht aus die Unterhandlungen eingeht, wird Preußen ihn
vollständig aufgeben. Das wagen selbst solche Blätter zu behaupten, die in enger
Verbindung mit der jetzt in Preußen herrschenden Partei stehen.

Sollte es Preußen wirklich vergessen, daß durch seinen frühern Kampf, mochte


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/236>, abgerufen am 04.07.2024.