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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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er um von vorn herein in der Art und Weise, wie er unternommen war, zu
billigen sein oder nicht, seine Ehre verpfändet ist, oder sollte es sich diesen Ge¬
danken aus Rücksichten höherer Staatsraison ans dem Sinne schlagen: Eins kann
es nicht vergessen, daß die Freiheit der Herzogthümer von der dänischen Herrschaft
für seine eigene Macht, ja für seine Existenz als unabhängiger Staat entscheidend
ist, daß jeder Schritt, durch welchen es in dieser Hinsicht seinen Gegnern die
Hand beut, ein selbstmörderisches Attentat ist.

Wir sind in unsren Erwartungen sehr herabgestimmt. Wir mögen in früherer
Zeit Preußens Macht überschätzt haben. Wir wollen von Preußen nicht verlangen,
daß es einer europäischen Koalition die Spitze bietet; wir sind so eingebürgert
durch die Errungenschaften der letzten Jahre, daß wir vor jedem Unternehmen, zu
dessen Ausführung Entschlossenheit und fester Wille gehört, eine geheime Scheu haben.

Aber das können wir von Preußen verlangen, daß es sich nicht selbst die
Hände binde. Wenn es nicht hindern kann, daß Dänemark im Einverständnis;
mit den Großmächten seine Erbfolgeordnnng ändert und diese Ordnung auch
auf eine Provinz überträgt, über die es kein Recht hat, so kaun doch keine Ge¬
walt ans Erden Preußen dazu zwingen, zu einem solchen Schlage seine Hand zu
bieten. Am wenigsten die Rücksicht auf seine Würde als Großmacht; eine Rück¬
sicht, die freilich schon in der Kasselschen Angelegenheit auf eine traurige Weise
mitgewirkt hat. Man hört noch nicht auf, eine Großmacht zu sein, wenn man
seinen Willen gegen andere mächtigere Staaten nicht durchzusetzen vermag, noch
viel weniger aber erringt man diese Würde oder auch nur den Schein derselben,
wenn man aus Nachgiebigkeit das Gegentheil seines eigenen Willens befördern will;
am allerwenigsten gewinnt man diesen Schein in den Augen der Großmächte selbst,
denen man sich ans diese Weise an die Seite stellen möchte. ' >

Wenn auch ein Protest Preußens für den Augenblick Nichts fruchten sollte,
so hält er doch wenigstens die Zukunft offen und giebt Preußen in den Augen
der Nation und der Fürsten einen Theil der guten Meinung wieder, die es
sich in der letzten Zeit nur zu sehr "erscherzt hat. Die jetzige Däuenfreundliche
Koalition der Großmächte ist ein unnatürliches Band, es muß sich in kurzer Zeit
lösen, und dann wird Preußen im Staude sein, zu handeln. Freilich wird auch
darauf unsren Politikern nicht die Autwort fehlen. Sie werden sagen, daß
Preußen ja unter solchen Umständen dann noch immer handeln kann, ob es sich vor¬
her gebunden hat oder nicht. Das ist aber jene Politik, die das sogenannte Völkerrecht
des vorigen Jahrhunderts und mit ihm die Revolutionen hervorgebracht hat.

Und selbst, wenn jener Protest in alle Ewigkeit hin ohne Wirkung bleiben
sollte, so hat sich Preußen damit doch der schlimmsten Lage entzogen, in die ein
Mann, in die ein Staat durch eigene Schuld versetzt werden kann: der Verpflich¬
5 1- tung, die Strafe an sich selber auszuüben.




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er um von vorn herein in der Art und Weise, wie er unternommen war, zu
billigen sein oder nicht, seine Ehre verpfändet ist, oder sollte es sich diesen Ge¬
danken aus Rücksichten höherer Staatsraison ans dem Sinne schlagen: Eins kann
es nicht vergessen, daß die Freiheit der Herzogthümer von der dänischen Herrschaft
für seine eigene Macht, ja für seine Existenz als unabhängiger Staat entscheidend
ist, daß jeder Schritt, durch welchen es in dieser Hinsicht seinen Gegnern die
Hand beut, ein selbstmörderisches Attentat ist.

Wir sind in unsren Erwartungen sehr herabgestimmt. Wir mögen in früherer
Zeit Preußens Macht überschätzt haben. Wir wollen von Preußen nicht verlangen,
daß es einer europäischen Koalition die Spitze bietet; wir sind so eingebürgert
durch die Errungenschaften der letzten Jahre, daß wir vor jedem Unternehmen, zu
dessen Ausführung Entschlossenheit und fester Wille gehört, eine geheime Scheu haben.

Aber das können wir von Preußen verlangen, daß es sich nicht selbst die
Hände binde. Wenn es nicht hindern kann, daß Dänemark im Einverständnis;
mit den Großmächten seine Erbfolgeordnnng ändert und diese Ordnung auch
auf eine Provinz überträgt, über die es kein Recht hat, so kaun doch keine Ge¬
walt ans Erden Preußen dazu zwingen, zu einem solchen Schlage seine Hand zu
bieten. Am wenigsten die Rücksicht auf seine Würde als Großmacht; eine Rück¬
sicht, die freilich schon in der Kasselschen Angelegenheit auf eine traurige Weise
mitgewirkt hat. Man hört noch nicht auf, eine Großmacht zu sein, wenn man
seinen Willen gegen andere mächtigere Staaten nicht durchzusetzen vermag, noch
viel weniger aber erringt man diese Würde oder auch nur den Schein derselben,
wenn man aus Nachgiebigkeit das Gegentheil seines eigenen Willens befördern will;
am allerwenigsten gewinnt man diesen Schein in den Augen der Großmächte selbst,
denen man sich ans diese Weise an die Seite stellen möchte. ' >

Wenn auch ein Protest Preußens für den Augenblick Nichts fruchten sollte,
so hält er doch wenigstens die Zukunft offen und giebt Preußen in den Augen
der Nation und der Fürsten einen Theil der guten Meinung wieder, die es
sich in der letzten Zeit nur zu sehr »erscherzt hat. Die jetzige Däuenfreundliche
Koalition der Großmächte ist ein unnatürliches Band, es muß sich in kurzer Zeit
lösen, und dann wird Preußen im Staude sein, zu handeln. Freilich wird auch
darauf unsren Politikern nicht die Autwort fehlen. Sie werden sagen, daß
Preußen ja unter solchen Umständen dann noch immer handeln kann, ob es sich vor¬
her gebunden hat oder nicht. Das ist aber jene Politik, die das sogenannte Völkerrecht
des vorigen Jahrhunderts und mit ihm die Revolutionen hervorgebracht hat.

Und selbst, wenn jener Protest in alle Ewigkeit hin ohne Wirkung bleiben
sollte, so hat sich Preußen damit doch der schlimmsten Lage entzogen, in die ein
Mann, in die ein Staat durch eigene Schuld versetzt werden kann: der Verpflich¬
5 1- tung, die Strafe an sich selber auszuüben.




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[0237] er um von vorn herein in der Art und Weise, wie er unternommen war, zu billigen sein oder nicht, seine Ehre verpfändet ist, oder sollte es sich diesen Ge¬ danken aus Rücksichten höherer Staatsraison ans dem Sinne schlagen: Eins kann es nicht vergessen, daß die Freiheit der Herzogthümer von der dänischen Herrschaft für seine eigene Macht, ja für seine Existenz als unabhängiger Staat entscheidend ist, daß jeder Schritt, durch welchen es in dieser Hinsicht seinen Gegnern die Hand beut, ein selbstmörderisches Attentat ist. Wir sind in unsren Erwartungen sehr herabgestimmt. Wir mögen in früherer Zeit Preußens Macht überschätzt haben. Wir wollen von Preußen nicht verlangen, daß es einer europäischen Koalition die Spitze bietet; wir sind so eingebürgert durch die Errungenschaften der letzten Jahre, daß wir vor jedem Unternehmen, zu dessen Ausführung Entschlossenheit und fester Wille gehört, eine geheime Scheu haben. Aber das können wir von Preußen verlangen, daß es sich nicht selbst die Hände binde. Wenn es nicht hindern kann, daß Dänemark im Einverständnis; mit den Großmächten seine Erbfolgeordnnng ändert und diese Ordnung auch auf eine Provinz überträgt, über die es kein Recht hat, so kaun doch keine Ge¬ walt ans Erden Preußen dazu zwingen, zu einem solchen Schlage seine Hand zu bieten. Am wenigsten die Rücksicht auf seine Würde als Großmacht; eine Rück¬ sicht, die freilich schon in der Kasselschen Angelegenheit auf eine traurige Weise mitgewirkt hat. Man hört noch nicht auf, eine Großmacht zu sein, wenn man seinen Willen gegen andere mächtigere Staaten nicht durchzusetzen vermag, noch viel weniger aber erringt man diese Würde oder auch nur den Schein derselben, wenn man aus Nachgiebigkeit das Gegentheil seines eigenen Willens befördern will; am allerwenigsten gewinnt man diesen Schein in den Augen der Großmächte selbst, denen man sich ans diese Weise an die Seite stellen möchte. ' > Wenn auch ein Protest Preußens für den Augenblick Nichts fruchten sollte, so hält er doch wenigstens die Zukunft offen und giebt Preußen in den Augen der Nation und der Fürsten einen Theil der guten Meinung wieder, die es sich in der letzten Zeit nur zu sehr »erscherzt hat. Die jetzige Däuenfreundliche Koalition der Großmächte ist ein unnatürliches Band, es muß sich in kurzer Zeit lösen, und dann wird Preußen im Staude sein, zu handeln. Freilich wird auch darauf unsren Politikern nicht die Autwort fehlen. Sie werden sagen, daß Preußen ja unter solchen Umständen dann noch immer handeln kann, ob es sich vor¬ her gebunden hat oder nicht. Das ist aber jene Politik, die das sogenannte Völkerrecht des vorigen Jahrhunderts und mit ihm die Revolutionen hervorgebracht hat. Und selbst, wenn jener Protest in alle Ewigkeit hin ohne Wirkung bleiben sollte, so hat sich Preußen damit doch der schlimmsten Lage entzogen, in die ein Mann, in die ein Staat durch eigene Schuld versetzt werden kann: der Verpflich¬ 5 1- tung, die Strafe an sich selber auszuüben. A9*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/237>, abgerufen am 04.07.2024.