Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

ihres idealen Zusammenhangs erhoben. Daher benutzte er die Zuhörerschaft des
Homer dazu, uns mit diesem zugleich die Späteren, einen Aeschylus, Sophokles,
Theokrits und Andere vorzuführen, und wieder den Helden Alkäos und deu
orphischen Säuger aus früher, sagenhafter Zeit.

Sein letztes Recht dazu schöpft Kaulbach aus der würdevollen Grazie,
dem unnennbaren Reize, den er der Antike abzulauschen und den Gestalten seiner
Phantasie mit herrlichen Farben mitzutheilen vermochte.




W o es e n b e r i es t.

Das Ministerium. -- Wahlskandal. -- Schiffbruch.

Die bisherige Taktik des Ministeriums trägt nicht dazu bei, es in der Achtung
des Publicums zu heben. Lord Derby steht in dem Rufe großer Offenherzigkeit und
Geradheit, aber er kommt in große Gefahr, diesen wohlverdienten Ruf jetzt zu verlieren.
Als Minister einer' parlamentarischen Minorität mußte ihm vor Allem daran liegen, die
Geschäfte des gegenwärtigen Parlaments zu Ende zu bringen, um dann bei Gelegen¬
heit einer allgemeinen Wahl zu sehen, ob die Mehrheit des Landes sich für sein Par¬
teiprogramm ausspreche. Seiner Erklärung nach, als die Opposition ihren Feldzug
gegen ihn zu eröffnen Miene machte, war er Willens, dies zu thun. Kaum aber waren
ihm wegen dieser Erklärung die Subsidien auf ein Jahr bewilligt, kaum sah er sich
für die nächste Zeit ungefährdet im Besitz der Macht, so versuchte er seine Erklärung
anders zu deuten, und wollte sich nicht verbindlich machen, das Parlament zu einem
frühzeitigen Termin aufzulösen. Erst als die Opposition im Unterhause Anstalt machte,
neue Zwangsmaßregeln zu ergreifen, wiederholte Herr Disraeli des edlen Lords frühere
Erklärung hinsichtlich des Termins der Parlamcntsauflösung. Jedenfalls ist es auffällig,
und zeigt von wenig Vertrauen aus die Zukunft, daß dieselbe Partei, welche, so lange
sie nicht im Amte war, nur darnach dürstete, das Land von dem heillosen Geschenke
des Freihandels zu erlösen, jetzt jede Gelegenheit ergreift, um ' die Entscheidung der
Dinge so lange als möglich zu verzögern. Jeder Aufforderung, sich über seine Politik
mit Bestimmtheit zu erklären, setzt das Ministerium ein hartnäckiges Schweigen entge¬
gen, und die Ungewißheit wird dadurch nicht geringer, daß Anhänger des edlen Lords,
den die- Protectionisten als ihren Erlöser und als den Wiederbringer theurer Kornpreise
begrüßten, sich ihren Wählerschaften als Freihändler empfohlen haben, wo es die Stim¬
mung derselben erforderte. Es gewinnt immer mehr den Anschein, als ob es dem
Ministerium mehr um seine Plätze, als um seine Principien zu thun wäre, denn auch
gegen die Dotation des katholischen Maynoothkollegiums in Irland, welche der Oppo¬
sitionsführer Lord Derby seiner Zeit als unvereinbar mit dem protestantischen Princip
und staatsverderblich so leidenschaftlich angegriffen hat, gedenkt der Minister Derby
Nichts zu unternehmen. '


Grenzboten. II. 20

ihres idealen Zusammenhangs erhoben. Daher benutzte er die Zuhörerschaft des
Homer dazu, uns mit diesem zugleich die Späteren, einen Aeschylus, Sophokles,
Theokrits und Andere vorzuführen, und wieder den Helden Alkäos und deu
orphischen Säuger aus früher, sagenhafter Zeit.

Sein letztes Recht dazu schöpft Kaulbach aus der würdevollen Grazie,
dem unnennbaren Reize, den er der Antike abzulauschen und den Gestalten seiner
Phantasie mit herrlichen Farben mitzutheilen vermochte.




W o es e n b e r i es t.

Das Ministerium. — Wahlskandal. — Schiffbruch.

Die bisherige Taktik des Ministeriums trägt nicht dazu bei, es in der Achtung
des Publicums zu heben. Lord Derby steht in dem Rufe großer Offenherzigkeit und
Geradheit, aber er kommt in große Gefahr, diesen wohlverdienten Ruf jetzt zu verlieren.
Als Minister einer' parlamentarischen Minorität mußte ihm vor Allem daran liegen, die
Geschäfte des gegenwärtigen Parlaments zu Ende zu bringen, um dann bei Gelegen¬
heit einer allgemeinen Wahl zu sehen, ob die Mehrheit des Landes sich für sein Par¬
teiprogramm ausspreche. Seiner Erklärung nach, als die Opposition ihren Feldzug
gegen ihn zu eröffnen Miene machte, war er Willens, dies zu thun. Kaum aber waren
ihm wegen dieser Erklärung die Subsidien auf ein Jahr bewilligt, kaum sah er sich
für die nächste Zeit ungefährdet im Besitz der Macht, so versuchte er seine Erklärung
anders zu deuten, und wollte sich nicht verbindlich machen, das Parlament zu einem
frühzeitigen Termin aufzulösen. Erst als die Opposition im Unterhause Anstalt machte,
neue Zwangsmaßregeln zu ergreifen, wiederholte Herr Disraeli des edlen Lords frühere
Erklärung hinsichtlich des Termins der Parlamcntsauflösung. Jedenfalls ist es auffällig,
und zeigt von wenig Vertrauen aus die Zukunft, daß dieselbe Partei, welche, so lange
sie nicht im Amte war, nur darnach dürstete, das Land von dem heillosen Geschenke
des Freihandels zu erlösen, jetzt jede Gelegenheit ergreift, um ' die Entscheidung der
Dinge so lange als möglich zu verzögern. Jeder Aufforderung, sich über seine Politik
mit Bestimmtheit zu erklären, setzt das Ministerium ein hartnäckiges Schweigen entge¬
gen, und die Ungewißheit wird dadurch nicht geringer, daß Anhänger des edlen Lords,
den die- Protectionisten als ihren Erlöser und als den Wiederbringer theurer Kornpreise
begrüßten, sich ihren Wählerschaften als Freihändler empfohlen haben, wo es die Stim¬
mung derselben erforderte. Es gewinnt immer mehr den Anschein, als ob es dem
Ministerium mehr um seine Plätze, als um seine Principien zu thun wäre, denn auch
gegen die Dotation des katholischen Maynoothkollegiums in Irland, welche der Oppo¬
sitionsführer Lord Derby seiner Zeit als unvereinbar mit dem protestantischen Princip
und staatsverderblich so leidenschaftlich angegriffen hat, gedenkt der Minister Derby
Nichts zu unternehmen. '


Grenzboten. II. 20
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0163" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94064"/>
          <p xml:id="ID_431" prev="#ID_430"> ihres idealen Zusammenhangs erhoben. Daher benutzte er die Zuhörerschaft des<lb/>
Homer dazu, uns mit diesem zugleich die Späteren, einen Aeschylus, Sophokles,<lb/>
Theokrits und Andere vorzuführen, und wieder den Helden Alkäos und deu<lb/>
orphischen Säuger aus früher, sagenhafter Zeit.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_432"> Sein letztes Recht dazu schöpft Kaulbach aus der würdevollen Grazie,<lb/>
dem unnennbaren Reize, den er der Antike abzulauschen und den Gestalten seiner<lb/>
Phantasie mit herrlichen Farben mitzutheilen vermochte.</p><lb/>
          <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
        </div>
        <div n="1">
          <head> W o es e n b e r i es t.</head><lb/>
          <div n="2">
            <head> </head><lb/>
            <note type="argument"> Das Ministerium. &#x2014; Wahlskandal. &#x2014; Schiffbruch.</note><lb/>
            <p xml:id="ID_433"> Die bisherige Taktik des Ministeriums trägt nicht dazu bei, es in der Achtung<lb/>
des Publicums zu heben. Lord Derby steht in dem Rufe großer Offenherzigkeit und<lb/>
Geradheit, aber er kommt in große Gefahr, diesen wohlverdienten Ruf jetzt zu verlieren.<lb/>
Als Minister einer' parlamentarischen Minorität mußte ihm vor Allem daran liegen, die<lb/>
Geschäfte des gegenwärtigen Parlaments zu Ende zu bringen, um dann bei Gelegen¬<lb/>
heit einer allgemeinen Wahl zu sehen, ob die Mehrheit des Landes sich für sein Par¬<lb/>
teiprogramm ausspreche. Seiner Erklärung nach, als die Opposition ihren Feldzug<lb/>
gegen ihn zu eröffnen Miene machte, war er Willens, dies zu thun. Kaum aber waren<lb/>
ihm wegen dieser Erklärung die Subsidien auf ein Jahr bewilligt, kaum sah er sich<lb/>
für die nächste Zeit ungefährdet im Besitz der Macht, so versuchte er seine Erklärung<lb/>
anders zu deuten, und wollte sich nicht verbindlich machen, das Parlament zu einem<lb/>
frühzeitigen Termin aufzulösen. Erst als die Opposition im Unterhause Anstalt machte,<lb/>
neue Zwangsmaßregeln zu ergreifen, wiederholte Herr Disraeli des edlen Lords frühere<lb/>
Erklärung hinsichtlich des Termins der Parlamcntsauflösung. Jedenfalls ist es auffällig,<lb/>
und zeigt von wenig Vertrauen aus die Zukunft, daß dieselbe Partei, welche, so lange<lb/>
sie nicht im Amte war, nur darnach dürstete, das Land von dem heillosen Geschenke<lb/>
des Freihandels zu erlösen, jetzt jede Gelegenheit ergreift, um ' die Entscheidung der<lb/>
Dinge so lange als möglich zu verzögern. Jeder Aufforderung, sich über seine Politik<lb/>
mit Bestimmtheit zu erklären, setzt das Ministerium ein hartnäckiges Schweigen entge¬<lb/>
gen, und die Ungewißheit wird dadurch nicht geringer, daß Anhänger des edlen Lords,<lb/>
den die- Protectionisten als ihren Erlöser und als den Wiederbringer theurer Kornpreise<lb/>
begrüßten, sich ihren Wählerschaften als Freihändler empfohlen haben, wo es die Stim¬<lb/>
mung derselben erforderte. Es gewinnt immer mehr den Anschein, als ob es dem<lb/>
Ministerium mehr um seine Plätze, als um seine Principien zu thun wäre, denn auch<lb/>
gegen die Dotation des katholischen Maynoothkollegiums in Irland, welche der Oppo¬<lb/>
sitionsführer Lord Derby seiner Zeit als unvereinbar mit dem protestantischen Princip<lb/>
und staatsverderblich so leidenschaftlich angegriffen hat, gedenkt der Minister Derby<lb/>
Nichts zu unternehmen. '</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> Grenzboten. II. 20</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0163] ihres idealen Zusammenhangs erhoben. Daher benutzte er die Zuhörerschaft des Homer dazu, uns mit diesem zugleich die Späteren, einen Aeschylus, Sophokles, Theokrits und Andere vorzuführen, und wieder den Helden Alkäos und deu orphischen Säuger aus früher, sagenhafter Zeit. Sein letztes Recht dazu schöpft Kaulbach aus der würdevollen Grazie, dem unnennbaren Reize, den er der Antike abzulauschen und den Gestalten seiner Phantasie mit herrlichen Farben mitzutheilen vermochte. W o es e n b e r i es t. Das Ministerium. — Wahlskandal. — Schiffbruch. Die bisherige Taktik des Ministeriums trägt nicht dazu bei, es in der Achtung des Publicums zu heben. Lord Derby steht in dem Rufe großer Offenherzigkeit und Geradheit, aber er kommt in große Gefahr, diesen wohlverdienten Ruf jetzt zu verlieren. Als Minister einer' parlamentarischen Minorität mußte ihm vor Allem daran liegen, die Geschäfte des gegenwärtigen Parlaments zu Ende zu bringen, um dann bei Gelegen¬ heit einer allgemeinen Wahl zu sehen, ob die Mehrheit des Landes sich für sein Par¬ teiprogramm ausspreche. Seiner Erklärung nach, als die Opposition ihren Feldzug gegen ihn zu eröffnen Miene machte, war er Willens, dies zu thun. Kaum aber waren ihm wegen dieser Erklärung die Subsidien auf ein Jahr bewilligt, kaum sah er sich für die nächste Zeit ungefährdet im Besitz der Macht, so versuchte er seine Erklärung anders zu deuten, und wollte sich nicht verbindlich machen, das Parlament zu einem frühzeitigen Termin aufzulösen. Erst als die Opposition im Unterhause Anstalt machte, neue Zwangsmaßregeln zu ergreifen, wiederholte Herr Disraeli des edlen Lords frühere Erklärung hinsichtlich des Termins der Parlamcntsauflösung. Jedenfalls ist es auffällig, und zeigt von wenig Vertrauen aus die Zukunft, daß dieselbe Partei, welche, so lange sie nicht im Amte war, nur darnach dürstete, das Land von dem heillosen Geschenke des Freihandels zu erlösen, jetzt jede Gelegenheit ergreift, um ' die Entscheidung der Dinge so lange als möglich zu verzögern. Jeder Aufforderung, sich über seine Politik mit Bestimmtheit zu erklären, setzt das Ministerium ein hartnäckiges Schweigen entge¬ gen, und die Ungewißheit wird dadurch nicht geringer, daß Anhänger des edlen Lords, den die- Protectionisten als ihren Erlöser und als den Wiederbringer theurer Kornpreise begrüßten, sich ihren Wählerschaften als Freihändler empfohlen haben, wo es die Stim¬ mung derselben erforderte. Es gewinnt immer mehr den Anschein, als ob es dem Ministerium mehr um seine Plätze, als um seine Principien zu thun wäre, denn auch gegen die Dotation des katholischen Maynoothkollegiums in Irland, welche der Oppo¬ sitionsführer Lord Derby seiner Zeit als unvereinbar mit dem protestantischen Princip und staatsverderblich so leidenschaftlich angegriffen hat, gedenkt der Minister Derby Nichts zu unternehmen. ' Grenzboten. II. 20

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/163
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/163>, abgerufen am 04.07.2024.