Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

Baden, Nassau und den beiden Hessen zu einer Zusammenkunft nach Darmstadt
einzuladen, welche von diesen wirklich beschickt worden ist. Oestreich scheint den
Plan möglichst zu unterstützen, da es einerseits in den stipulirten Bedingungen
seine Pläne ans die Einigung mit dem Zollvereine gefördert sieht, und anderer¬
seits wenigstens eine Sprengung des seitherigen preußischen Zollverbandes in
Aussicht steht. Man ist bemüht, durch die Presse in Bayern, Sachsen n. s. w.
die öffentliche Meinung für den Plan dadurch zu gewinnen, daß man daraus
hinweist, wie günstig die verabredeten Forderungen für das Interesse Bayerns,
Sachsens u. s. w. ausgefallen sind.

Darauf nun wird man vor allen Dingen nicht stark genug hinweisen können,
daß es ein gar leichtes Geschäft ist und gar keinen Beleg für die Stärke der
Befähigung zu schwierigen Operationen abgeben kann, wenn man für einen abzu¬
schließenden Pact eine Reihe von Bedingungen ausstellt, durch welche man das
Eigeninteresse in einer stark hervorspringenden Weise bedacht hat; es wird darauf
ankommen, ob die Bedingungen auch in der Natur des, Verhältnisses liegen, und
nicht die Interessen der Mitpaciscentcn ungebührlich verletzen. Gerade dadurch
unterscheidet sich der billige Vertrag von den dictirten Forderungen des Stär¬
kern und der sogenannten Löwentheilung, daß man für sich in Anspruch nimmt,
was der Andere ungezwungen zuzugestehen vermag, und daß man dafür zu gebe"
bereit ist, was einen gerechten Gegenwcrth bietet. Gerade weil wir entschieden
die Meinung von uns fern halten, daß man in Berlin nnr Drohungen vorbringen,
diese aber nicht verwirklichen wolle, falls man mit ihnen nicht durchdringt, halten
wir eS für sehr zeitgemäß,, daß mau sich ohne Illusionen die Folgen des zu
Bamberg in Aussicht gestellte" handels-politischen Soudcrbuudes vor Augen führe.
Und da möchten wir, durchdrungen von der bedeutungsvollen Schwere der bevor¬
stehenden Entwickelung der Dinge, noch einmal auf ein Blatt der neuesten Geschichte
verweisen, obwol wir nicht vergessen, wie wenig man geneigt ist, die Lehren der
Geschichte zu beherzigen. Nicht über die ökonomischen Ergebnisse des Zollvereins
für die producirende Bevölkerung wie für das finanzielle Interesse der Regie¬
rungen; denn diese sind so allgemein bekannt constatirt, daß es überflüssig erschei¬
nen muß, etwaigen Zweifeln noch entgegenzutreten. Der ältern Generation unter
uns wird es noch lebendig genug im Gedächtniß sein, mit welchen Antipathien
der Zollverein bei seinem Entstehen und ersten Anwachsen von Regierungen und
Bevölkerungen in den meisten deutschen Staaten empfangen wurde, wie dann die
gegnerischen Stimmen sich allmählich in beipflichtende und lobend, e verwandelten,
bis die exacten Zahlangaben keinen Raum zu Widersprüchen ließen. Während
es gelang, dem Ausland gegenüber eine deutsche Handelspolitik aufzubringen und
in Respect zu setzen, die Industrie im Innern mannichfaltig zu heben, dabei doch
auch die finanziellen Ansprüche der Separatregicrungcn hinlänglich zu befriedigen,
erhielt das große Geschrei über preußische Vergrößerungssucht, Herrschgier u. s. w.


Baden, Nassau und den beiden Hessen zu einer Zusammenkunft nach Darmstadt
einzuladen, welche von diesen wirklich beschickt worden ist. Oestreich scheint den
Plan möglichst zu unterstützen, da es einerseits in den stipulirten Bedingungen
seine Pläne ans die Einigung mit dem Zollvereine gefördert sieht, und anderer¬
seits wenigstens eine Sprengung des seitherigen preußischen Zollverbandes in
Aussicht steht. Man ist bemüht, durch die Presse in Bayern, Sachsen n. s. w.
die öffentliche Meinung für den Plan dadurch zu gewinnen, daß man daraus
hinweist, wie günstig die verabredeten Forderungen für das Interesse Bayerns,
Sachsens u. s. w. ausgefallen sind.

Darauf nun wird man vor allen Dingen nicht stark genug hinweisen können,
daß es ein gar leichtes Geschäft ist und gar keinen Beleg für die Stärke der
Befähigung zu schwierigen Operationen abgeben kann, wenn man für einen abzu¬
schließenden Pact eine Reihe von Bedingungen ausstellt, durch welche man das
Eigeninteresse in einer stark hervorspringenden Weise bedacht hat; es wird darauf
ankommen, ob die Bedingungen auch in der Natur des, Verhältnisses liegen, und
nicht die Interessen der Mitpaciscentcn ungebührlich verletzen. Gerade dadurch
unterscheidet sich der billige Vertrag von den dictirten Forderungen des Stär¬
kern und der sogenannten Löwentheilung, daß man für sich in Anspruch nimmt,
was der Andere ungezwungen zuzugestehen vermag, und daß man dafür zu gebe»
bereit ist, was einen gerechten Gegenwcrth bietet. Gerade weil wir entschieden
die Meinung von uns fern halten, daß man in Berlin nnr Drohungen vorbringen,
diese aber nicht verwirklichen wolle, falls man mit ihnen nicht durchdringt, halten
wir eS für sehr zeitgemäß,, daß mau sich ohne Illusionen die Folgen des zu
Bamberg in Aussicht gestellte» handels-politischen Soudcrbuudes vor Augen führe.
Und da möchten wir, durchdrungen von der bedeutungsvollen Schwere der bevor¬
stehenden Entwickelung der Dinge, noch einmal auf ein Blatt der neuesten Geschichte
verweisen, obwol wir nicht vergessen, wie wenig man geneigt ist, die Lehren der
Geschichte zu beherzigen. Nicht über die ökonomischen Ergebnisse des Zollvereins
für die producirende Bevölkerung wie für das finanzielle Interesse der Regie¬
rungen; denn diese sind so allgemein bekannt constatirt, daß es überflüssig erschei¬
nen muß, etwaigen Zweifeln noch entgegenzutreten. Der ältern Generation unter
uns wird es noch lebendig genug im Gedächtniß sein, mit welchen Antipathien
der Zollverein bei seinem Entstehen und ersten Anwachsen von Regierungen und
Bevölkerungen in den meisten deutschen Staaten empfangen wurde, wie dann die
gegnerischen Stimmen sich allmählich in beipflichtende und lobend, e verwandelten,
bis die exacten Zahlangaben keinen Raum zu Widersprüchen ließen. Während
es gelang, dem Ausland gegenüber eine deutsche Handelspolitik aufzubringen und
in Respect zu setzen, die Industrie im Innern mannichfaltig zu heben, dabei doch
auch die finanziellen Ansprüche der Separatregicrungcn hinlänglich zu befriedigen,
erhielt das große Geschrei über preußische Vergrößerungssucht, Herrschgier u. s. w.


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0142" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94043"/>
          <p xml:id="ID_366" prev="#ID_365"> Baden, Nassau und den beiden Hessen zu einer Zusammenkunft nach Darmstadt<lb/>
einzuladen, welche von diesen wirklich beschickt worden ist. Oestreich scheint den<lb/>
Plan möglichst zu unterstützen, da es einerseits in den stipulirten Bedingungen<lb/>
seine Pläne ans die Einigung mit dem Zollvereine gefördert sieht, und anderer¬<lb/>
seits wenigstens eine Sprengung des seitherigen preußischen Zollverbandes in<lb/>
Aussicht steht. Man ist bemüht, durch die Presse in Bayern, Sachsen n. s. w.<lb/>
die öffentliche Meinung für den Plan dadurch zu gewinnen, daß man daraus<lb/>
hinweist, wie günstig die verabredeten Forderungen für das Interesse Bayerns,<lb/>
Sachsens u. s. w. ausgefallen sind.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_367" next="#ID_368"> Darauf nun wird man vor allen Dingen nicht stark genug hinweisen können,<lb/>
daß es ein gar leichtes Geschäft ist und gar keinen Beleg für die Stärke der<lb/>
Befähigung zu schwierigen Operationen abgeben kann, wenn man für einen abzu¬<lb/>
schließenden Pact eine Reihe von Bedingungen ausstellt, durch welche man das<lb/>
Eigeninteresse in einer stark hervorspringenden Weise bedacht hat; es wird darauf<lb/>
ankommen, ob die Bedingungen auch in der Natur des, Verhältnisses liegen, und<lb/>
nicht die Interessen der Mitpaciscentcn ungebührlich verletzen. Gerade dadurch<lb/>
unterscheidet sich der billige Vertrag von den dictirten Forderungen des Stär¬<lb/>
kern und der sogenannten Löwentheilung, daß man für sich in Anspruch nimmt,<lb/>
was der Andere ungezwungen zuzugestehen vermag, und daß man dafür zu gebe»<lb/>
bereit ist, was einen gerechten Gegenwcrth bietet. Gerade weil wir entschieden<lb/>
die Meinung von uns fern halten, daß man in Berlin nnr Drohungen vorbringen,<lb/>
diese aber nicht verwirklichen wolle, falls man mit ihnen nicht durchdringt, halten<lb/>
wir eS für sehr zeitgemäß,, daß mau sich ohne Illusionen die Folgen des zu<lb/>
Bamberg in Aussicht gestellte» handels-politischen Soudcrbuudes vor Augen führe.<lb/>
Und da möchten wir, durchdrungen von der bedeutungsvollen Schwere der bevor¬<lb/>
stehenden Entwickelung der Dinge, noch einmal auf ein Blatt der neuesten Geschichte<lb/>
verweisen, obwol wir nicht vergessen, wie wenig man geneigt ist, die Lehren der<lb/>
Geschichte zu beherzigen. Nicht über die ökonomischen Ergebnisse des Zollvereins<lb/>
für die producirende Bevölkerung wie für das finanzielle Interesse der Regie¬<lb/>
rungen; denn diese sind so allgemein bekannt constatirt, daß es überflüssig erschei¬<lb/>
nen muß, etwaigen Zweifeln noch entgegenzutreten. Der ältern Generation unter<lb/>
uns wird es noch lebendig genug im Gedächtniß sein, mit welchen Antipathien<lb/>
der Zollverein bei seinem Entstehen und ersten Anwachsen von Regierungen und<lb/>
Bevölkerungen in den meisten deutschen Staaten empfangen wurde, wie dann die<lb/>
gegnerischen Stimmen sich allmählich in beipflichtende und lobend, e verwandelten,<lb/>
bis die exacten Zahlangaben keinen Raum zu Widersprüchen ließen. Während<lb/>
es gelang, dem Ausland gegenüber eine deutsche Handelspolitik aufzubringen und<lb/>
in Respect zu setzen, die Industrie im Innern mannichfaltig zu heben, dabei doch<lb/>
auch die finanziellen Ansprüche der Separatregicrungcn hinlänglich zu befriedigen,<lb/>
erhielt das große Geschrei über preußische Vergrößerungssucht, Herrschgier u. s. w.</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0142] Baden, Nassau und den beiden Hessen zu einer Zusammenkunft nach Darmstadt einzuladen, welche von diesen wirklich beschickt worden ist. Oestreich scheint den Plan möglichst zu unterstützen, da es einerseits in den stipulirten Bedingungen seine Pläne ans die Einigung mit dem Zollvereine gefördert sieht, und anderer¬ seits wenigstens eine Sprengung des seitherigen preußischen Zollverbandes in Aussicht steht. Man ist bemüht, durch die Presse in Bayern, Sachsen n. s. w. die öffentliche Meinung für den Plan dadurch zu gewinnen, daß man daraus hinweist, wie günstig die verabredeten Forderungen für das Interesse Bayerns, Sachsens u. s. w. ausgefallen sind. Darauf nun wird man vor allen Dingen nicht stark genug hinweisen können, daß es ein gar leichtes Geschäft ist und gar keinen Beleg für die Stärke der Befähigung zu schwierigen Operationen abgeben kann, wenn man für einen abzu¬ schließenden Pact eine Reihe von Bedingungen ausstellt, durch welche man das Eigeninteresse in einer stark hervorspringenden Weise bedacht hat; es wird darauf ankommen, ob die Bedingungen auch in der Natur des, Verhältnisses liegen, und nicht die Interessen der Mitpaciscentcn ungebührlich verletzen. Gerade dadurch unterscheidet sich der billige Vertrag von den dictirten Forderungen des Stär¬ kern und der sogenannten Löwentheilung, daß man für sich in Anspruch nimmt, was der Andere ungezwungen zuzugestehen vermag, und daß man dafür zu gebe» bereit ist, was einen gerechten Gegenwcrth bietet. Gerade weil wir entschieden die Meinung von uns fern halten, daß man in Berlin nnr Drohungen vorbringen, diese aber nicht verwirklichen wolle, falls man mit ihnen nicht durchdringt, halten wir eS für sehr zeitgemäß,, daß mau sich ohne Illusionen die Folgen des zu Bamberg in Aussicht gestellte» handels-politischen Soudcrbuudes vor Augen führe. Und da möchten wir, durchdrungen von der bedeutungsvollen Schwere der bevor¬ stehenden Entwickelung der Dinge, noch einmal auf ein Blatt der neuesten Geschichte verweisen, obwol wir nicht vergessen, wie wenig man geneigt ist, die Lehren der Geschichte zu beherzigen. Nicht über die ökonomischen Ergebnisse des Zollvereins für die producirende Bevölkerung wie für das finanzielle Interesse der Regie¬ rungen; denn diese sind so allgemein bekannt constatirt, daß es überflüssig erschei¬ nen muß, etwaigen Zweifeln noch entgegenzutreten. Der ältern Generation unter uns wird es noch lebendig genug im Gedächtniß sein, mit welchen Antipathien der Zollverein bei seinem Entstehen und ersten Anwachsen von Regierungen und Bevölkerungen in den meisten deutschen Staaten empfangen wurde, wie dann die gegnerischen Stimmen sich allmählich in beipflichtende und lobend, e verwandelten, bis die exacten Zahlangaben keinen Raum zu Widersprüchen ließen. Während es gelang, dem Ausland gegenüber eine deutsche Handelspolitik aufzubringen und in Respect zu setzen, die Industrie im Innern mannichfaltig zu heben, dabei doch auch die finanziellen Ansprüche der Separatregicrungcn hinlänglich zu befriedigen, erhielt das große Geschrei über preußische Vergrößerungssucht, Herrschgier u. s. w.

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/142
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/142>, abgerufen am 24.07.2024.