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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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ein vollständiges Dementi. Nur das wird man gerade jetzt wol beachten müssen,
daß es eine gar alte Klage der Zollvereinsstaaten ist, wie mißlich es sei, daß das
Zollvereinsgebiet nicht bis zur Nordsee ausgedehnt werden könne, und daß die
meisten deutschen Staaten in den preußischen Zollverband eintraten, als in dem¬
selben noch lauge nicht die Schutzzollmaßregeln einen so breiten Boden gewonnen
hatten, wie dieses gegenwärtig und voraussichtlich in der nächsten Zukunft der
Fall ist. Nicht laut genug aber wird man in das Gewirre der Anstrengungen in
den gegenwärtigen Tagen hineinrufen können, daß Bayern und Württemberg,
Sachsen, und Baden, die beiden Hessen und Nassau doch schon in den dreißiger
Jahren die Nöthigung an sich selber erfahren haben, aus einem Verbände, wie
er durch die Bamberger Uebereinkunft in Aussicht gestellt worden ist, herauszu¬
treten, und sich dem großen preußischen Zollvereine anzuschließen; es erfolgte dieses
sogar wenigstens von einem Staate durch Bruch des bestehenden Vertragsverhält¬
nisses. Im Anfang der dreißiger Jahre bestand abgesehen von Oestreich: der
Zollverein Preußens mit Hessendarmstadt nebst einigen Enclaven, welche von
preußischem Landesgebiet umschlossen waren; er umfaßte 13,i28,000 Einwohner
aus 3288 Quadratmeilen. Sodann der bayrisch-württembergische Verein, dem
noch einige kleine badische Enclaven und die beiden Hohenzollern angeschlossen
waren mit 3,646,000 Einwohnern auf 1763 Quadratmeilen. Der Eimbecker Verein
für Hannover, Kurhessen, Oldenburg und Braunschweig mit 2,616,000 Ein¬
wohnern ans 1087 Quadratmeilen, und der mitteldeutsche Verein, welcher das
Königreich Sachsen,' Sachsen Weimar, die sächsischen Herzogthümer, Nassau,
Homburg, Rudolstadt und die renßischen Länder mit 2,330,000 Einwohnern auf
636 Quadratmeilen umfaßte. Die letzteren beiden hatten nicht einmal einen
gemeinschaftlichen Mauthverband. Ans diesen Verbindungen traten bald genug,
nachdem der preußische Zollverein sein Ziel und seine Praxis manifestirt hatte,
die deutschen Regierungen heraus, zweifellos auf dem guten Grunde von reichen
Erfahrungen aus dem wirklichen Leben. Man kann sich möglicher Weise in dem
Zusammenschluß mit den gesammten östreichischen Ländern einen Fortschritt sür das
wirthschaftliche Getriebe in den rein deutschen Ländern vorstellen, die Aussichten
aber, welche die Stipulationen der bamberger Konferenz eröffnen, werfen die be¬
treffenden Staaten unsrer Ansicht nach offenbar ans eine' wohlweislich verlassene
Situation zurück. Wir übersehen durchaus nicht, daß man sicherlich einen eigent¬
lichen Zollverein und nicht eine bloße Handelseinigung mit Verträgen zur Er¬
leichterung des gegenseitigen Verkehrs abzuschließen gedenkt; auch nicht die Be¬
deutung der Bedingung, daß wenigstens 10 Millionen Menschen auf dem selbst¬
ständig zu vereinigenden Gebiete seßhaft sein müssen. Man wird sich beeilen, für
die vom Zollverein abgeschiedene Völkermasse in voller Stärke die Schutzzollma߬
regeln in Anwendung zu bringen, die man bedroht sieht oder vergeblich zu er¬
weitern suchte. Abgesehen davon, daß sich dann auch in Deutschland der Gegensatz


ein vollständiges Dementi. Nur das wird man gerade jetzt wol beachten müssen,
daß es eine gar alte Klage der Zollvereinsstaaten ist, wie mißlich es sei, daß das
Zollvereinsgebiet nicht bis zur Nordsee ausgedehnt werden könne, und daß die
meisten deutschen Staaten in den preußischen Zollverband eintraten, als in dem¬
selben noch lauge nicht die Schutzzollmaßregeln einen so breiten Boden gewonnen
hatten, wie dieses gegenwärtig und voraussichtlich in der nächsten Zukunft der
Fall ist. Nicht laut genug aber wird man in das Gewirre der Anstrengungen in
den gegenwärtigen Tagen hineinrufen können, daß Bayern und Württemberg,
Sachsen, und Baden, die beiden Hessen und Nassau doch schon in den dreißiger
Jahren die Nöthigung an sich selber erfahren haben, aus einem Verbände, wie
er durch die Bamberger Uebereinkunft in Aussicht gestellt worden ist, herauszu¬
treten, und sich dem großen preußischen Zollvereine anzuschließen; es erfolgte dieses
sogar wenigstens von einem Staate durch Bruch des bestehenden Vertragsverhält¬
nisses. Im Anfang der dreißiger Jahre bestand abgesehen von Oestreich: der
Zollverein Preußens mit Hessendarmstadt nebst einigen Enclaven, welche von
preußischem Landesgebiet umschlossen waren; er umfaßte 13,i28,000 Einwohner
aus 3288 Quadratmeilen. Sodann der bayrisch-württembergische Verein, dem
noch einige kleine badische Enclaven und die beiden Hohenzollern angeschlossen
waren mit 3,646,000 Einwohnern auf 1763 Quadratmeilen. Der Eimbecker Verein
für Hannover, Kurhessen, Oldenburg und Braunschweig mit 2,616,000 Ein¬
wohnern ans 1087 Quadratmeilen, und der mitteldeutsche Verein, welcher das
Königreich Sachsen,' Sachsen Weimar, die sächsischen Herzogthümer, Nassau,
Homburg, Rudolstadt und die renßischen Länder mit 2,330,000 Einwohnern auf
636 Quadratmeilen umfaßte. Die letzteren beiden hatten nicht einmal einen
gemeinschaftlichen Mauthverband. Ans diesen Verbindungen traten bald genug,
nachdem der preußische Zollverein sein Ziel und seine Praxis manifestirt hatte,
die deutschen Regierungen heraus, zweifellos auf dem guten Grunde von reichen
Erfahrungen aus dem wirklichen Leben. Man kann sich möglicher Weise in dem
Zusammenschluß mit den gesammten östreichischen Ländern einen Fortschritt sür das
wirthschaftliche Getriebe in den rein deutschen Ländern vorstellen, die Aussichten
aber, welche die Stipulationen der bamberger Konferenz eröffnen, werfen die be¬
treffenden Staaten unsrer Ansicht nach offenbar ans eine' wohlweislich verlassene
Situation zurück. Wir übersehen durchaus nicht, daß man sicherlich einen eigent¬
lichen Zollverein und nicht eine bloße Handelseinigung mit Verträgen zur Er¬
leichterung des gegenseitigen Verkehrs abzuschließen gedenkt; auch nicht die Be¬
deutung der Bedingung, daß wenigstens 10 Millionen Menschen auf dem selbst¬
ständig zu vereinigenden Gebiete seßhaft sein müssen. Man wird sich beeilen, für
die vom Zollverein abgeschiedene Völkermasse in voller Stärke die Schutzzollma߬
regeln in Anwendung zu bringen, die man bedroht sieht oder vergeblich zu er¬
weitern suchte. Abgesehen davon, daß sich dann auch in Deutschland der Gegensatz


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/143>, abgerufen am 25.07.2024.