Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.konstitutionellen Körperschaften, wie sie der Präsident dnrch Decret vom 23. März ans Der legislative Körper steht unter einem noch strengern Reglement. Kein .Mit¬ 15*
konstitutionellen Körperschaften, wie sie der Präsident dnrch Decret vom 23. März ans Der legislative Körper steht unter einem noch strengern Reglement. Kein .Mit¬ 15*
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0125" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/94028"/> <p xml:id="ID_315" prev="#ID_314"> konstitutionellen Körperschaften, wie sie der Präsident dnrch Decret vom 23. März ans<lb/> eigener Machtvollkommenheit festgesetzt hat. Ihr Hauptcharakterzng ist die argwöhnische<lb/> Sorgfalt, mit der sie Senat und Legislatur in absoluter Ohnmacht zu erhalten bemüht<lb/> ist. Ueber dem Senate steht noch der Staatsrath, ebenfalls von dem Präsidenten er¬<lb/> nannt, dessen Mitglieder die vorgelegten Gesetze bei der Berathung in den beiden an¬<lb/> deren Körperschaften als Regierungscommissairc zu unterstützen haben. Der Senat kann<lb/> blos den Erlaß eines Gesetzes verhindern oder gestatten; Zusätze oder Verbesscrnngsan-<lb/> träge machen darf er nicht. Der Senat hat das Recht, über die Verfassuugswidrigkcit<lb/> einer Handlung zu entscheiden, auf einen Bericht des Comitö, wenn die Regierung<lb/> über eine verfassungswidrige Handlung klagt; klagt aber ein Staatsbürger, so kann aus<lb/> Antrag zur einfachen Tagesordnung übergegangen werden. Man vergesse dabei nicht,<lb/> daß der über die Beschwerde gegen die Regierung allein entscheidende Senat von die¬<lb/> ser Regierung ernannt und von ihr unbedingt abhängig ist. Seinen Geist hat er durch<lb/> seinen ersten Beschluß hinlänglich an den Tag gelegt. Mit enthusiastischer Einmüthig-<lb/> keit hat er dem Präsidenten, der nur 8 Will. Franken Civilliste haben wollte, 12 Mil¬<lb/> lionen, den Gebrauch der ehemaligen königlichen Schlösser und die Jagd in den fünf'<lb/> großen Staatssorsten bewilligt. Was den Senatoren an innerem Werth fehlt,, soll<lb/> vielleicht die äußere Pracht ihrer von dem fruchtbaren Genie des Präsidenten erfunde¬<lb/> nen Uniformen ersetzen. Sie sind ganz bedeckt von Goldstickerei, und der Sammet, aus<lb/> dem sie gemacht sind, kostet 80 Fr. die Anne. Er mußte in Lyon besonders bestellt<lb/> werden. So ein Senator ist seine 2000 Fr. werth — natürlich mit dem Rock.</p><lb/> <p xml:id="ID_316" next="#ID_317"> Der legislative Körper steht unter einem noch strengern Reglement. Kein .Mit¬<lb/> glied darf sprechen, ohne den Präsidenten um Erlaubniß zu fragen, und diese erhalten<lb/> zu haben, und zwar nur vom Platze, nicht von der Tribune — eine die Debatte sehr<lb/> erleichternde Verbesserung, wenn überhaupt eine Debatte in dieser Versammlung möglich<lb/> wäre. Ein wegen Unterbrechung zur Ordnung gerufenes Mitglied darf nicht sprechen.<lb/> Wenn der Redner von der Frage abschweift, kann ihn der Präsident auffordern, bei<lb/> der Sache zu bleiben, ohne daß er sich wegen dieser Zurechtweisung vertheidigen darf.<lb/> Wenn ein Redner nach zweimaliger Zurechtweisung abermals von der vorliegenden Frage<lb/> abschweift, kann ihm durch summarischen Beschluß der Versammlung das Wort für die Berathung<lb/> dieser Sache entzogen werden. Persönlichkeiten und Zeichen des Beifalls und Mißfallens<lb/> sind unbedingt untersagt. Wenn ein Mitglied gegen die Ordnung des Hauses verstößt, kann<lb/> er nach dem dritten Male auf eine fünf Tage nicht übersteigende Zeit ausgeschlossen<lb/> werden. Wir vermissen nur noch Entziehung der.warmen Kost,'Dunkelarrest und viel¬<lb/> leicht anch die Ruthe, um uns ganz in eine Strafschule versetzt zu fühlen. Kein Mit¬<lb/> tel, das der menschliche Scharfsinn ersinnen kann, ist gespart, um jede Opposition im<lb/> Keime zu ersticken. Ans dem alten Apparat von Erfindungen, um die Widerspenstigkeit<lb/> der Mitglieder zu zügeln, droht jedoch eines zu verschwinden—die Glocke-— nicht Klingel —<lb/> des Präsidenten, denn die selige Nationalversammlung war oft so stürmisch, daß eine<lb/> Klingel von bescheidenen Dimensionen nicht genügte, um den Lärm zu übertönen. ' Da¬<lb/> mals war das Amt des Präsidenten keine Sinecure, und in der letzten Zeit mußte<lb/> Herr Dupin daraus denken, bei dem häufigen Gebrauch der riesigen Glocke seinem<lb/> müden Arme einige Erleichterung zu verschaffen. Die Glocke wurde daher in einer<lb/> Stellage aufgehangen, wo sie mit einer Leine leicht in Bewegung gesetzt werden konnte.<lb/> Einmal geschah es, daß Dupin, der Schwüle des Sommcrnachmittags und der Beredt-</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> 15*</fw><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0125]
konstitutionellen Körperschaften, wie sie der Präsident dnrch Decret vom 23. März ans
eigener Machtvollkommenheit festgesetzt hat. Ihr Hauptcharakterzng ist die argwöhnische
Sorgfalt, mit der sie Senat und Legislatur in absoluter Ohnmacht zu erhalten bemüht
ist. Ueber dem Senate steht noch der Staatsrath, ebenfalls von dem Präsidenten er¬
nannt, dessen Mitglieder die vorgelegten Gesetze bei der Berathung in den beiden an¬
deren Körperschaften als Regierungscommissairc zu unterstützen haben. Der Senat kann
blos den Erlaß eines Gesetzes verhindern oder gestatten; Zusätze oder Verbesscrnngsan-
träge machen darf er nicht. Der Senat hat das Recht, über die Verfassuugswidrigkcit
einer Handlung zu entscheiden, auf einen Bericht des Comitö, wenn die Regierung
über eine verfassungswidrige Handlung klagt; klagt aber ein Staatsbürger, so kann aus
Antrag zur einfachen Tagesordnung übergegangen werden. Man vergesse dabei nicht,
daß der über die Beschwerde gegen die Regierung allein entscheidende Senat von die¬
ser Regierung ernannt und von ihr unbedingt abhängig ist. Seinen Geist hat er durch
seinen ersten Beschluß hinlänglich an den Tag gelegt. Mit enthusiastischer Einmüthig-
keit hat er dem Präsidenten, der nur 8 Will. Franken Civilliste haben wollte, 12 Mil¬
lionen, den Gebrauch der ehemaligen königlichen Schlösser und die Jagd in den fünf'
großen Staatssorsten bewilligt. Was den Senatoren an innerem Werth fehlt,, soll
vielleicht die äußere Pracht ihrer von dem fruchtbaren Genie des Präsidenten erfunde¬
nen Uniformen ersetzen. Sie sind ganz bedeckt von Goldstickerei, und der Sammet, aus
dem sie gemacht sind, kostet 80 Fr. die Anne. Er mußte in Lyon besonders bestellt
werden. So ein Senator ist seine 2000 Fr. werth — natürlich mit dem Rock.
Der legislative Körper steht unter einem noch strengern Reglement. Kein .Mit¬
glied darf sprechen, ohne den Präsidenten um Erlaubniß zu fragen, und diese erhalten
zu haben, und zwar nur vom Platze, nicht von der Tribune — eine die Debatte sehr
erleichternde Verbesserung, wenn überhaupt eine Debatte in dieser Versammlung möglich
wäre. Ein wegen Unterbrechung zur Ordnung gerufenes Mitglied darf nicht sprechen.
Wenn der Redner von der Frage abschweift, kann ihn der Präsident auffordern, bei
der Sache zu bleiben, ohne daß er sich wegen dieser Zurechtweisung vertheidigen darf.
Wenn ein Redner nach zweimaliger Zurechtweisung abermals von der vorliegenden Frage
abschweift, kann ihm durch summarischen Beschluß der Versammlung das Wort für die Berathung
dieser Sache entzogen werden. Persönlichkeiten und Zeichen des Beifalls und Mißfallens
sind unbedingt untersagt. Wenn ein Mitglied gegen die Ordnung des Hauses verstößt, kann
er nach dem dritten Male auf eine fünf Tage nicht übersteigende Zeit ausgeschlossen
werden. Wir vermissen nur noch Entziehung der.warmen Kost,'Dunkelarrest und viel¬
leicht anch die Ruthe, um uns ganz in eine Strafschule versetzt zu fühlen. Kein Mit¬
tel, das der menschliche Scharfsinn ersinnen kann, ist gespart, um jede Opposition im
Keime zu ersticken. Ans dem alten Apparat von Erfindungen, um die Widerspenstigkeit
der Mitglieder zu zügeln, droht jedoch eines zu verschwinden—die Glocke-— nicht Klingel —
des Präsidenten, denn die selige Nationalversammlung war oft so stürmisch, daß eine
Klingel von bescheidenen Dimensionen nicht genügte, um den Lärm zu übertönen. ' Da¬
mals war das Amt des Präsidenten keine Sinecure, und in der letzten Zeit mußte
Herr Dupin daraus denken, bei dem häufigen Gebrauch der riesigen Glocke seinem
müden Arme einige Erleichterung zu verschaffen. Die Glocke wurde daher in einer
Stellage aufgehangen, wo sie mit einer Leine leicht in Bewegung gesetzt werden konnte.
Einmal geschah es, daß Dupin, der Schwüle des Sommcrnachmittags und der Beredt-
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