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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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Aufmerksamkeit, es ist der Legitimist Lev de Laborde, der heftigste und entschie¬
denste Gegner Louis Bonaparte's. Die Dame, mit der er sich unterhielt, ist eine
Tochter Charles Robler's, bereu Mann aus Pietät den Namen ihres Vaters dem
seinigen hinzufügte. In einer Gruppe in der Mitte des Salons sehen wir einige
republikanische Volksvertreter, als Victor Lefranc, Charles Lasteyrie, Camel u. s. w.
mit mehreren Künstlern und Schriftstellern im Gespräche; es fallen uns unter die¬
sen ans: Hyppolite Rolle, Jules Lecomte, der Courier der Jndvpendance, die
Bildhauer Prsault, Odem, von dessen ausgezeichnetem Kamine für Franz Sabutier
diese Blätter vergangenen Juli gesprochen, die Maler Decaisne, Gigoux, Dubief,
Grenier, der Chemiker Barrul, der mit Bixio mehrere wissenschaftliche Luftballon¬
reisen gemacht. Etwas abseits von dieser Gruppe fällt uns der viel überschätzte
Dichter der Lucrezia, der neucreirte Bibliothekar des Luxembourg, Ponsard, in die
Augen, classisch ist an ihm blos sein gesundes Aussehen, er sieht weder gelehrt
aus, wie ein Bibliothekar, noch geistreich oder begeistert, wie ein Poet. Vor
dem Kamille.sitzt die Heldin des Abends zwischen einem Herrn und einer schon
bejahrten Dame. Jener ist Herr Lagrenve, der ehemalige Gesandte in China,
der nicht blos chinesisches Porzellan und echten Nanking mitgebracht, sondern, was
für einen Franzosen lobenswerth ist, tüchtige Kenntniß dieses merkwürdigen Lan-
des. Die Dame ist die Herzogin Decazes, eine der merkwürdigsten Frauen von
Paris. Ihr Mann, jener hohe Greis mit der Adlernase, der freien Stirn
und dem sarkastischen Blicke, war Großreferendar unter dem Kaiserreiche,
ein Liebling des Kaisers und ein intimer Freund der Königin Hortense,
der Mutter Louis Bonaparte's. Das Leben dieses Mannes gehört 'zu den
bewegtesten selbst in Frankreich und er besitzt Schätze von unbenützten und
unbekannten Documenten und Beiträgen zur authentische" Geschichte des Kaiser¬
reiches und der folgenden Zeiten. Seine Memoiren, falls er sie zu schreiben sich
herbeiließe, würden eben so interessant sein, als jene von Talleyrand, deren Ver-'
öffentlichung nun bevorsteht, obgleich von einem andern Gesichtspunkte. Seine
Fran hat ein jugendliches und reges Interesse an Allem, was die jetztzeitige Po¬
litik betrifft, und sie verläßt ihr Haus fast nie. Sie wohnt in demselben Hause
mit Bixio, und lebt mit dieser Familie seit Jahren aus vertrautem Fuße. Ihr
geistreicher Umgang wird von den bedeutendsten Männern Frankreichs gesucht,
und sie kennt die geheimen Fäden der in- und auswärtigen Politik besser, als
viele sehr berühmte Diplomaten. Hinter ihr sitzt General Rabillot, Louis Bona¬
parte's erster Polizcipräfect, derselbe, welcher den spätern Präsidenten der Repu¬
blik nach Ham gebracht hatte. Dieser versuchte diesen Mann damals für sich
und seine Flucht zu gewinnen, und ernannte ihn später, eben wegen seiner dama¬
ligen hartnäckigen Weigerung, seiner Pflicht untreu zu werden, zum Polizeiprä-
fecten. Jener junge, schlanke Mann, dessen Commandeurrose erst aus seinem
Knopfloche hervorgeblüht zu sein scheint, ist Herr Chevreau, der Cabinctschef


Aufmerksamkeit, es ist der Legitimist Lev de Laborde, der heftigste und entschie¬
denste Gegner Louis Bonaparte's. Die Dame, mit der er sich unterhielt, ist eine
Tochter Charles Robler's, bereu Mann aus Pietät den Namen ihres Vaters dem
seinigen hinzufügte. In einer Gruppe in der Mitte des Salons sehen wir einige
republikanische Volksvertreter, als Victor Lefranc, Charles Lasteyrie, Camel u. s. w.
mit mehreren Künstlern und Schriftstellern im Gespräche; es fallen uns unter die¬
sen ans: Hyppolite Rolle, Jules Lecomte, der Courier der Jndvpendance, die
Bildhauer Prsault, Odem, von dessen ausgezeichnetem Kamine für Franz Sabutier
diese Blätter vergangenen Juli gesprochen, die Maler Decaisne, Gigoux, Dubief,
Grenier, der Chemiker Barrul, der mit Bixio mehrere wissenschaftliche Luftballon¬
reisen gemacht. Etwas abseits von dieser Gruppe fällt uns der viel überschätzte
Dichter der Lucrezia, der neucreirte Bibliothekar des Luxembourg, Ponsard, in die
Augen, classisch ist an ihm blos sein gesundes Aussehen, er sieht weder gelehrt
aus, wie ein Bibliothekar, noch geistreich oder begeistert, wie ein Poet. Vor
dem Kamille.sitzt die Heldin des Abends zwischen einem Herrn und einer schon
bejahrten Dame. Jener ist Herr Lagrenve, der ehemalige Gesandte in China,
der nicht blos chinesisches Porzellan und echten Nanking mitgebracht, sondern, was
für einen Franzosen lobenswerth ist, tüchtige Kenntniß dieses merkwürdigen Lan-
des. Die Dame ist die Herzogin Decazes, eine der merkwürdigsten Frauen von
Paris. Ihr Mann, jener hohe Greis mit der Adlernase, der freien Stirn
und dem sarkastischen Blicke, war Großreferendar unter dem Kaiserreiche,
ein Liebling des Kaisers und ein intimer Freund der Königin Hortense,
der Mutter Louis Bonaparte's. Das Leben dieses Mannes gehört 'zu den
bewegtesten selbst in Frankreich und er besitzt Schätze von unbenützten und
unbekannten Documenten und Beiträgen zur authentische» Geschichte des Kaiser¬
reiches und der folgenden Zeiten. Seine Memoiren, falls er sie zu schreiben sich
herbeiließe, würden eben so interessant sein, als jene von Talleyrand, deren Ver-'
öffentlichung nun bevorsteht, obgleich von einem andern Gesichtspunkte. Seine
Fran hat ein jugendliches und reges Interesse an Allem, was die jetztzeitige Po¬
litik betrifft, und sie verläßt ihr Haus fast nie. Sie wohnt in demselben Hause
mit Bixio, und lebt mit dieser Familie seit Jahren aus vertrautem Fuße. Ihr
geistreicher Umgang wird von den bedeutendsten Männern Frankreichs gesucht,
und sie kennt die geheimen Fäden der in- und auswärtigen Politik besser, als
viele sehr berühmte Diplomaten. Hinter ihr sitzt General Rabillot, Louis Bona¬
parte's erster Polizcipräfect, derselbe, welcher den spätern Präsidenten der Repu¬
blik nach Ham gebracht hatte. Dieser versuchte diesen Mann damals für sich
und seine Flucht zu gewinnen, und ernannte ihn später, eben wegen seiner dama¬
ligen hartnäckigen Weigerung, seiner Pflicht untreu zu werden, zum Polizeiprä-
fecten. Jener junge, schlanke Mann, dessen Commandeurrose erst aus seinem
Knopfloche hervorgeblüht zu sein scheint, ist Herr Chevreau, der Cabinctschef


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/122>, abgerufen am 04.07.2024.