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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band.

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leer, oder versammeln blos ein kleines Häuflein einander genau bekannter Leute;
man scheut jede delicate Berührung. Man mag sich denken, welchen Eindruck
jetzt einmal ein wirklicher Salon macht, wie man sie hier immer zu sehen gewöhnt
war, als wirklicher in die Sitten übergegangener Ausdruck der gesellschaftliche
Demokratie. Diese seltene Erscheinung bot ein Abend beim ehemaligen Handels-
minister Louis Bonaparte's, beim gemäßigten Republikaner Bixio. Dieser Mann,
welcher früher ein bekannter Arzt und Naturforscher, später der Gründer der
Kovuo clef clsux mcmäss geworden und uoch später als Gesandter in Turin seine
politische Laufbahn begann, hatte von jeher das Bedürfniß nach Geselligkeit, und
wußte unter allen Stürmen der Zeit die verschiedensten weitverzweigtesten Verbin¬
dungen festzuhalten, ohne darum sein eigenes politisches Glaubensbekenntniß auf¬
zugeben. Theils seine eigenen geselligen Talente, theils seine Freimüthigkeit und
Dienstfertigst, -- zum großen Theile die Liebenswürdigkeit und Anspruchslosig¬
keit seiner Frau wußten aus seinem Hause ein Asyl intimer Unterhaltung und fröh¬
licher ungespannter Geselligkeit zu machen. Bixio, der seiner Stellung nach
mit deu politischen Notabilitäten und seinen Neigungen zufolge mit deu wis¬
senschaftlichen und künstlerischen Illustrationen in Verkehr getreten war, ge¬
wöhnte seine Freunde und Bekannten daran, sein Haus als ein neutrales
Gebiet zu betrachten, und es gelang ihm, seinem Salon diesen Charakter auch
während der Republik und anch nach dem zweiten December zü erhalten. Er
selbst wird allgemein geachtet, und selbst die Socialisten, deren Gegner er ist,
schätzen seinen biedern Charakter, und als er im Juni 1848 während einer Frie¬
densmission als Volksvertreter ans den Barricaden gefährlich verwundet wurde,
sprach sich unter allen Parteien gleiche Theilnahme für ihn aus. Bixio empfängt
täglich, und was Paris an ausgezeichneten Persönlichkeiten oder an bemerkens¬
werthen Fremden besitzt, wird ihm zugeführt. Cavaignac, Lmnoriciere, Lamartine^
Thiers n. s. w., ferner die vorzüglichsten Gesandten, fremde Generale, Künstler
n. f. w. sind seinem Salon nicht ganz fremd, ohne daß er einen sogenannten
^our üxo hat. Nur bei außerordentlichen Gelegenheiten erhalten seine Bekannten
die Anzeige, daß Herr und Mad. Bixio an diesem oder jenem Tage zu
Hause sein werden. Für vergangenen Dienstag uun wurden ähnliche Avis aus¬
geschickt, und diesmal galt die Versammlung der Klavierspielerin Clauß, die für
jenen Abend daselbst angesagt war. Schon um neun Uhr waren die Räume sei¬
ner Wohnung gefüllt, und die Gesellschaft, die sich da im bunten Durcheinander
bewegte, machte keinen ganz eigenthümlichen Eindruck. Da sahen Sie zum Beispiel
einen jungen Mann mit dem Hausherrn sich unterhalten, dessen Name nicht erst
genannt werden mußte, da seine Ähnlichkeit mit seinem Onkel ihn als Sohn
Jerome Bonaparte's ankündigte. Der Exkönig von Westphalen, der innig be¬
freundet mit Bixio ist, war abwesend, da am selben Abende im Elyfte große Ge¬
sellschaft gewesen. Dort auf jenem Diner erregt ein ziemlich lebhafter Kopf unsre


leer, oder versammeln blos ein kleines Häuflein einander genau bekannter Leute;
man scheut jede delicate Berührung. Man mag sich denken, welchen Eindruck
jetzt einmal ein wirklicher Salon macht, wie man sie hier immer zu sehen gewöhnt
war, als wirklicher in die Sitten übergegangener Ausdruck der gesellschaftliche
Demokratie. Diese seltene Erscheinung bot ein Abend beim ehemaligen Handels-
minister Louis Bonaparte's, beim gemäßigten Republikaner Bixio. Dieser Mann,
welcher früher ein bekannter Arzt und Naturforscher, später der Gründer der
Kovuo clef clsux mcmäss geworden und uoch später als Gesandter in Turin seine
politische Laufbahn begann, hatte von jeher das Bedürfniß nach Geselligkeit, und
wußte unter allen Stürmen der Zeit die verschiedensten weitverzweigtesten Verbin¬
dungen festzuhalten, ohne darum sein eigenes politisches Glaubensbekenntniß auf¬
zugeben. Theils seine eigenen geselligen Talente, theils seine Freimüthigkeit und
Dienstfertigst, — zum großen Theile die Liebenswürdigkeit und Anspruchslosig¬
keit seiner Frau wußten aus seinem Hause ein Asyl intimer Unterhaltung und fröh¬
licher ungespannter Geselligkeit zu machen. Bixio, der seiner Stellung nach
mit deu politischen Notabilitäten und seinen Neigungen zufolge mit deu wis¬
senschaftlichen und künstlerischen Illustrationen in Verkehr getreten war, ge¬
wöhnte seine Freunde und Bekannten daran, sein Haus als ein neutrales
Gebiet zu betrachten, und es gelang ihm, seinem Salon diesen Charakter auch
während der Republik und anch nach dem zweiten December zü erhalten. Er
selbst wird allgemein geachtet, und selbst die Socialisten, deren Gegner er ist,
schätzen seinen biedern Charakter, und als er im Juni 1848 während einer Frie¬
densmission als Volksvertreter ans den Barricaden gefährlich verwundet wurde,
sprach sich unter allen Parteien gleiche Theilnahme für ihn aus. Bixio empfängt
täglich, und was Paris an ausgezeichneten Persönlichkeiten oder an bemerkens¬
werthen Fremden besitzt, wird ihm zugeführt. Cavaignac, Lmnoriciere, Lamartine^
Thiers n. s. w., ferner die vorzüglichsten Gesandten, fremde Generale, Künstler
n. f. w. sind seinem Salon nicht ganz fremd, ohne daß er einen sogenannten
^our üxo hat. Nur bei außerordentlichen Gelegenheiten erhalten seine Bekannten
die Anzeige, daß Herr und Mad. Bixio an diesem oder jenem Tage zu
Hause sein werden. Für vergangenen Dienstag uun wurden ähnliche Avis aus¬
geschickt, und diesmal galt die Versammlung der Klavierspielerin Clauß, die für
jenen Abend daselbst angesagt war. Schon um neun Uhr waren die Räume sei¬
ner Wohnung gefüllt, und die Gesellschaft, die sich da im bunten Durcheinander
bewegte, machte keinen ganz eigenthümlichen Eindruck. Da sahen Sie zum Beispiel
einen jungen Mann mit dem Hausherrn sich unterhalten, dessen Name nicht erst
genannt werden mußte, da seine Ähnlichkeit mit seinem Onkel ihn als Sohn
Jerome Bonaparte's ankündigte. Der Exkönig von Westphalen, der innig be¬
freundet mit Bixio ist, war abwesend, da am selben Abende im Elyfte große Ge¬
sellschaft gewesen. Dort auf jenem Diner erregt ein ziemlich lebhafter Kopf unsre


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93902/121>, abgerufen am 25.07.2024.