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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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vnrseliisokitsoda i tsodarÄaK ^.loksitsoka xoälno 1847" (Wien 1830), welche,
im Style unsres Heldenliedes gehalten, zwei Zrnagorer Heldenthaten.ans dem
Jahre 1847 feiern. Außer diesen bereits gedruckten Poesien hinterläßt der
Vladyka zahlreiche lyrische und epische Dichtungen, welche jedoch nicht für die
Publicirät bestimmt sind, da der Dichter an. sich selbst eine strenge Kritik übte,
und nur das veröffentlichte, was er mit gutem poetischem Gewissen zu dürfen
glaubte.

Fassen wir seine ganze dichterische Thätigkeit in einen Rahmen, so müssen
wir auch jetzt, wo der Vladyka aller Liebe und Freundschaft dnrch ein allzufrühes
Grab entrückt ist, wiederholen, was wir hier schon einmal gesagt haben, daß er
ein bedeutendes poetisches Talent gewesen, und nicht nnr in einer verhältnißmäßig
so wenig entwickelten Literatur, wie die serbische, sondern in jeder europäischen
Literatur eine ehrenvolle Stelle eingenommen hätte.

Er war eine durch und durch poetische Natur -- freilich darf man bei einem
Serben keine Sentimentalität und kindliche Gemüthlichkeit suchen; -- Alles an und
in ihm war Kraft, männliche Stärke; ich, der ich ihn Jahre lang kannte, habe nie
an ihm eine Anwandlung von unmännlicher Schwäche bemerkt. Freundlich, heiter,
leutselig, war bei ihm von dem geistlichen Hochmuthe anderer Kirchenhäupter und
von dem höchst weltlichen Dünkel kleiner Fürsten keine Spur zu finden. Er lä¬
chelte oft über die Verlegenheit der Touristen, wenn sie nach einem Titel suchten,
ihn zu begrüßen; es war ihm gleichgiltig, ob ihn Jemand mit dem Titel "Hoheit"
-- welcher ihm in russischen officiellen Schriften gegeben wurde -- oder mit dem
simplen "Herr" anredete; sein Volk nannte ihn einfach "(-ospoänr", Herr, und
die östreichische Diplomatie hatte gar keinen Namen für ihn, worüber er sich oft
lustig machte.

Wer ihm achtungsvoll, aber mit offener freier Stirn entgegenkam, wurde in
Zetiuje gern gesehen, und Mancher wird sich gewiß der Stunden erinnern, die
er in der Gesellschaft des Vladyka mit traulichen und anregendem Gespräche ver¬
lebte. Der VladykaWebte es, vou Literatur, besonders von Poesie zu sprechen;
sah er, daß sein Gast Sinn dafür hatte, so lenkte er das Gespräch ans die Poesie
des eigenen Volkes, recitirte interessante Volkslieder, commentirte sie, und lehrte
den Fremden sie genießen. Nächstdem sprach er sehr gern über Geschichte; die
im Westen so wenig bekannte slavische Geschichte war in seinem Munde ein Epos,
das er wie ein griechischer Rhapsode recitirte. Besonders geläufig war ihm die
russische und serbische Geschichte, welcher er die gründlichsten Studien gewid¬
met hatte.

Es bedarf wol nicht erst der Erwähnung, daß er mit ganzem Herzen Slave
war. Wie jeder Zrnagorer liebte auch er die "goldene" Freiheit seiner Berge;
aber vou der geschwätzigen Schönrednerei'des europäischen Doctrinarismus wollte
er eben so wenig hören', als von aller octroyirten Freiheit der civilistrten Welt.


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vnrseliisokitsoda i tsodarÄaK ^.loksitsoka xoälno 1847" (Wien 1830), welche,
im Style unsres Heldenliedes gehalten, zwei Zrnagorer Heldenthaten.ans dem
Jahre 1847 feiern. Außer diesen bereits gedruckten Poesien hinterläßt der
Vladyka zahlreiche lyrische und epische Dichtungen, welche jedoch nicht für die
Publicirät bestimmt sind, da der Dichter an. sich selbst eine strenge Kritik übte,
und nur das veröffentlichte, was er mit gutem poetischem Gewissen zu dürfen
glaubte.

Fassen wir seine ganze dichterische Thätigkeit in einen Rahmen, so müssen
wir auch jetzt, wo der Vladyka aller Liebe und Freundschaft dnrch ein allzufrühes
Grab entrückt ist, wiederholen, was wir hier schon einmal gesagt haben, daß er
ein bedeutendes poetisches Talent gewesen, und nicht nnr in einer verhältnißmäßig
so wenig entwickelten Literatur, wie die serbische, sondern in jeder europäischen
Literatur eine ehrenvolle Stelle eingenommen hätte.

Er war eine durch und durch poetische Natur — freilich darf man bei einem
Serben keine Sentimentalität und kindliche Gemüthlichkeit suchen; — Alles an und
in ihm war Kraft, männliche Stärke; ich, der ich ihn Jahre lang kannte, habe nie
an ihm eine Anwandlung von unmännlicher Schwäche bemerkt. Freundlich, heiter,
leutselig, war bei ihm von dem geistlichen Hochmuthe anderer Kirchenhäupter und
von dem höchst weltlichen Dünkel kleiner Fürsten keine Spur zu finden. Er lä¬
chelte oft über die Verlegenheit der Touristen, wenn sie nach einem Titel suchten,
ihn zu begrüßen; es war ihm gleichgiltig, ob ihn Jemand mit dem Titel „Hoheit"
— welcher ihm in russischen officiellen Schriften gegeben wurde — oder mit dem
simplen „Herr" anredete; sein Volk nannte ihn einfach „(-ospoänr", Herr, und
die östreichische Diplomatie hatte gar keinen Namen für ihn, worüber er sich oft
lustig machte.

Wer ihm achtungsvoll, aber mit offener freier Stirn entgegenkam, wurde in
Zetiuje gern gesehen, und Mancher wird sich gewiß der Stunden erinnern, die
er in der Gesellschaft des Vladyka mit traulichen und anregendem Gespräche ver¬
lebte. Der VladykaWebte es, vou Literatur, besonders von Poesie zu sprechen;
sah er, daß sein Gast Sinn dafür hatte, so lenkte er das Gespräch ans die Poesie
des eigenen Volkes, recitirte interessante Volkslieder, commentirte sie, und lehrte
den Fremden sie genießen. Nächstdem sprach er sehr gern über Geschichte; die
im Westen so wenig bekannte slavische Geschichte war in seinem Munde ein Epos,
das er wie ein griechischer Rhapsode recitirte. Besonders geläufig war ihm die
russische und serbische Geschichte, welcher er die gründlichsten Studien gewid¬
met hatte.

Es bedarf wol nicht erst der Erwähnung, daß er mit ganzem Herzen Slave
war. Wie jeder Zrnagorer liebte auch er die „goldene" Freiheit seiner Berge;
aber vou der geschwätzigen Schönrednerei'des europäischen Doctrinarismus wollte
er eben so wenig hören', als von aller octroyirten Freiheit der civilistrten Welt.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/61>, abgerufen am 22.07.2024.