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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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den durch gegenseitige Befruchtung die Hunderte von köstlichen Spiel¬
arten, welche jetzt in den Gärten und, Fenstern prangen. -- Dasselbe
gilt von der Verbena, wovon lange nur eine einjährige blaßrothe
und eine ausdauernde hochrothe Art vorhanden war, bis gegen 1834
mehrere großblumige mit hellen Farben dazu kamen, durch deren Ver¬
mischung die prachtvollen Sorten der Neuzeit entstanden sind. Seit
1848 haben sich die Verbenen so vervollkommnet, daß ihre Pracht wahr¬
haft in Erstaunen setzt. -- Die köstlichen S ammkv elichen oder Pen-
skes (Stiefmütterchen) sind ebenfalls ein Product der Neuzeit, und nur
wenige Blumen verdienen so den Vorzug, der ihnen zu Theil wird.
Unsre sogenannten Pensves sind aus der Vermischung des allbekannten
kleinen Stiefmütterchens mit dem großblühenden Sammetveilchen vom Altai
(Viola, allaiea) hervorgegangen, und durch außerordentliche Bemühungen
der Gärtner sind sie zu einer solchen Vollkommenheit gelangt, haß Blu¬
men von der Größe eines Zweithalerstückes nicht selten sind, und die
Natur sich in der Zartheit und reizenden Mischung der Farben erschöpft
zu haben scheint. Anfangs wären die Grundfarben violett und gelb, allmählich
ist aber weiß, kastanienbraun und kupferroth dazu gekommen. -- Von den übri¬
gen, dnrch Kunst verwandelten Blumen kann ich nur die Namen anführen. Es
sind hauptsächlich: Petunien, Phlox, Antirrhinum (Löwenmaul), Gladiolus, Ama-
ryllis, indische Wucherblume (Chrysanthemum), Heliotropium, Lobelien, Cupheen,
Lilien, Pantstemon, Iris, Tausendschönchen (Maaßliebchen, Marienblume), Achi-
menes, Gloxinien, Calinolarien, Epacus, Haiden u. a. in.

Außer den genannten Florblumen sind noch einige seltsame Pflanzenfamilien
in den Gewächshäusern bevorzugt worden. Ich meine die Familie der Cacteen
und die Orchideen.

Die Cacteen haben ihre besondere Literatur erhalten, und ihre gnomenhaf¬
ten, barocken Formen haben fast zehn Jahre lang in den Gewächshäusern die
Seelen der Gärtner tyrannistrt. Zu allen Zeiten zieht neben der Freude an
dem Schönen ein gewisses unheimliches Behagen an dem Barocken und Aben¬
teuerlichen durch das Gemüth der Menschen. Schon zur Zeit der Tulpen und
Hyacinthen hatte man verwachsene, krüppelhafte Formen neben den regelmäßigen
gezogen; an den Cactusformen fand diese Richtung der Menschennatur eine be¬
sondere Gelegenheit, sich geltend zu machen. Diese Gnomen der Pflanzenwelt
spreizten überall ihre dicken Leiber, streckten ihre schlangenartigen Arme ans, und
hielten mit ihren Stacheln die Anstreifenden fest; sehr zahlreich wurden ihre Arten,
und eben so zahlreich die Formen, eine immer auffallender als die andere. Doch
das allgemeine Interesse verlor sich, als das Seltsame aufgehört hatte neu zu
sein, und auch die lebhaften Farben ihrer Blüthen vermochten nicht, sie in der
Gunst der Modernen zu erhalten. Doch sind einzelne auffallende Formen an


den durch gegenseitige Befruchtung die Hunderte von köstlichen Spiel¬
arten, welche jetzt in den Gärten und, Fenstern prangen. — Dasselbe
gilt von der Verbena, wovon lange nur eine einjährige blaßrothe
und eine ausdauernde hochrothe Art vorhanden war, bis gegen 1834
mehrere großblumige mit hellen Farben dazu kamen, durch deren Ver¬
mischung die prachtvollen Sorten der Neuzeit entstanden sind. Seit
1848 haben sich die Verbenen so vervollkommnet, daß ihre Pracht wahr¬
haft in Erstaunen setzt. — Die köstlichen S ammkv elichen oder Pen-
skes (Stiefmütterchen) sind ebenfalls ein Product der Neuzeit, und nur
wenige Blumen verdienen so den Vorzug, der ihnen zu Theil wird.
Unsre sogenannten Pensves sind aus der Vermischung des allbekannten
kleinen Stiefmütterchens mit dem großblühenden Sammetveilchen vom Altai
(Viola, allaiea) hervorgegangen, und durch außerordentliche Bemühungen
der Gärtner sind sie zu einer solchen Vollkommenheit gelangt, haß Blu¬
men von der Größe eines Zweithalerstückes nicht selten sind, und die
Natur sich in der Zartheit und reizenden Mischung der Farben erschöpft
zu haben scheint. Anfangs wären die Grundfarben violett und gelb, allmählich
ist aber weiß, kastanienbraun und kupferroth dazu gekommen. — Von den übri¬
gen, dnrch Kunst verwandelten Blumen kann ich nur die Namen anführen. Es
sind hauptsächlich: Petunien, Phlox, Antirrhinum (Löwenmaul), Gladiolus, Ama-
ryllis, indische Wucherblume (Chrysanthemum), Heliotropium, Lobelien, Cupheen,
Lilien, Pantstemon, Iris, Tausendschönchen (Maaßliebchen, Marienblume), Achi-
menes, Gloxinien, Calinolarien, Epacus, Haiden u. a. in.

Außer den genannten Florblumen sind noch einige seltsame Pflanzenfamilien
in den Gewächshäusern bevorzugt worden. Ich meine die Familie der Cacteen
und die Orchideen.

Die Cacteen haben ihre besondere Literatur erhalten, und ihre gnomenhaf¬
ten, barocken Formen haben fast zehn Jahre lang in den Gewächshäusern die
Seelen der Gärtner tyrannistrt. Zu allen Zeiten zieht neben der Freude an
dem Schönen ein gewisses unheimliches Behagen an dem Barocken und Aben¬
teuerlichen durch das Gemüth der Menschen. Schon zur Zeit der Tulpen und
Hyacinthen hatte man verwachsene, krüppelhafte Formen neben den regelmäßigen
gezogen; an den Cactusformen fand diese Richtung der Menschennatur eine be¬
sondere Gelegenheit, sich geltend zu machen. Diese Gnomen der Pflanzenwelt
spreizten überall ihre dicken Leiber, streckten ihre schlangenartigen Arme ans, und
hielten mit ihren Stacheln die Anstreifenden fest; sehr zahlreich wurden ihre Arten,
und eben so zahlreich die Formen, eine immer auffallender als die andere. Doch
das allgemeine Interesse verlor sich, als das Seltsame aufgehört hatte neu zu
sein, und auch die lebhaften Farben ihrer Blüthen vermochten nicht, sie in der
Gunst der Modernen zu erhalten. Doch sind einzelne auffallende Formen an


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[0478] den durch gegenseitige Befruchtung die Hunderte von köstlichen Spiel¬ arten, welche jetzt in den Gärten und, Fenstern prangen. — Dasselbe gilt von der Verbena, wovon lange nur eine einjährige blaßrothe und eine ausdauernde hochrothe Art vorhanden war, bis gegen 1834 mehrere großblumige mit hellen Farben dazu kamen, durch deren Ver¬ mischung die prachtvollen Sorten der Neuzeit entstanden sind. Seit 1848 haben sich die Verbenen so vervollkommnet, daß ihre Pracht wahr¬ haft in Erstaunen setzt. — Die köstlichen S ammkv elichen oder Pen- skes (Stiefmütterchen) sind ebenfalls ein Product der Neuzeit, und nur wenige Blumen verdienen so den Vorzug, der ihnen zu Theil wird. Unsre sogenannten Pensves sind aus der Vermischung des allbekannten kleinen Stiefmütterchens mit dem großblühenden Sammetveilchen vom Altai (Viola, allaiea) hervorgegangen, und durch außerordentliche Bemühungen der Gärtner sind sie zu einer solchen Vollkommenheit gelangt, haß Blu¬ men von der Größe eines Zweithalerstückes nicht selten sind, und die Natur sich in der Zartheit und reizenden Mischung der Farben erschöpft zu haben scheint. Anfangs wären die Grundfarben violett und gelb, allmählich ist aber weiß, kastanienbraun und kupferroth dazu gekommen. — Von den übri¬ gen, dnrch Kunst verwandelten Blumen kann ich nur die Namen anführen. Es sind hauptsächlich: Petunien, Phlox, Antirrhinum (Löwenmaul), Gladiolus, Ama- ryllis, indische Wucherblume (Chrysanthemum), Heliotropium, Lobelien, Cupheen, Lilien, Pantstemon, Iris, Tausendschönchen (Maaßliebchen, Marienblume), Achi- menes, Gloxinien, Calinolarien, Epacus, Haiden u. a. in. Außer den genannten Florblumen sind noch einige seltsame Pflanzenfamilien in den Gewächshäusern bevorzugt worden. Ich meine die Familie der Cacteen und die Orchideen. Die Cacteen haben ihre besondere Literatur erhalten, und ihre gnomenhaf¬ ten, barocken Formen haben fast zehn Jahre lang in den Gewächshäusern die Seelen der Gärtner tyrannistrt. Zu allen Zeiten zieht neben der Freude an dem Schönen ein gewisses unheimliches Behagen an dem Barocken und Aben¬ teuerlichen durch das Gemüth der Menschen. Schon zur Zeit der Tulpen und Hyacinthen hatte man verwachsene, krüppelhafte Formen neben den regelmäßigen gezogen; an den Cactusformen fand diese Richtung der Menschennatur eine be¬ sondere Gelegenheit, sich geltend zu machen. Diese Gnomen der Pflanzenwelt spreizten überall ihre dicken Leiber, streckten ihre schlangenartigen Arme ans, und hielten mit ihren Stacheln die Anstreifenden fest; sehr zahlreich wurden ihre Arten, und eben so zahlreich die Formen, eine immer auffallender als die andere. Doch das allgemeine Interesse verlor sich, als das Seltsame aufgehört hatte neu zu sein, und auch die lebhaften Farben ihrer Blüthen vermochten nicht, sie in der Gunst der Modernen zu erhalten. Doch sind einzelne auffallende Formen an

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/478>, abgerufen am 22.07.2024.