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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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fand nie so allgemeine Verbreitung wie die Nelke, vermuthlich, weil die Cultur
nicht so lohnend und schwieriger ist. -- Die Primel oder Gartenschlüssel¬
blume wurde gleichzeitig mit den Aurikeln bevorzugt, jedoch nicht in so hohem
Grade.

Die genannten Pflanzen hatten auf die Verzierung der Gärten nur wenig
Einfluß, da sie entweder in Töpfen, oder ohne Rücksicht auf gefällige Anord¬
nung blos der Sammlung wegen, aus Gartenbeeten zwischen Gemüse gezogen
wurden. Auch blühten die meisten zu gleicher Zeit und zeitig im Frühling. Nur
bei den Holländern bewirkte die massenhafte Unzucht der Zwiebelgewächse, daß
die früher ganz blumenlosen, regelmäßigen Gärten ein Sammelplatz derselben
wurden, und ein holländischer Garten mag in den Monaten April und Mai aller¬
dings prächtig ausgesehen haben. --

Unter den vielen Modeblumen der Neuzeit will ich zuerst der Dahlien
oder Georginen gedenken, da dieselben mehr als andere Pflanzen Aufsehen
gemacht und das Ansehen der Gärten ganz verändert haben. Die Stammpflanze
mit hellrother einfacher Blüthe wurde 1789 aus Mexiko an den Director des
botanischen Gartens in Madrid, Cavanilles, geschickt, von wo sie in den Pflan-
zeugarten von Paris den Mrclin nes plantes überging. Sie wurde nur als bota¬
nische Pflanze betrachtet, und Anfangs im Treibhause gezogen, wo sie wieder ver¬
loren ging. 180 4- kam Samen aus Mexiko nach England, und 1814 wurden
Knollen einer, dunkelrothen Art nach Paris gebracht. Aus diesen Samen und
Pflanzen sind nach und nach unsre jetzigen Dahlien entstanden. Die ersten
etwas gefüllten Blumen sah man schon vor 1820, aber gegen das Ende der
zwanziger Jahre gab es schon überall zahlreiche Sorten von allen Farben, welche
vorzüglich in England und Norddeutschland gezogen wurden. Die Leichtigkeit'
der Cultur, die Pracht und Mannichfaltigkeit der Farben, die herrliche Wirkung,
welche diese Blume in den Landschaftsgärten hervorbringt, macht sie, wenn anch
nicht zu Lieblinge", wie die Rose, Nelke, Levcove u. s. w., doch für alle
größeren Gärten unentbehrlich. Recht eigentlich in die Mode kamen sie nach
1830, und es wurden aus Deutschland große Summen dafür nach England ge¬
schickt. Hundert Thaler für eine neue Blume war noch vor einigen Jahren kein
ungewöhnlicher Preis, während jetzt die theuersten nicht über ö Thaler kosten.
Die meisten und besten Dahlien werden jetzt in Deutschland gezogen, und vor¬
züglich zeichnet sich der kleine Ort Köstritz bei Gera im Fürstenthum Reuß darin
aus. Gegenwärtig ist die Dahlia zwar als vortreffliche Decorationspflanze über¬
all gesucht und selbst bevorzugt, aber die eigentliche Sammelwuth hat sich ver¬
loren, obschon die Blumen auch in der letzten Zeit noch vollkommener geworden
sind. Man ist der Meinung, daß die Dahlienzucht ihren höchsten Punkt erreicht
habe, und gegenwärtig ist das Bestreben der Züchter auf Erzeugung von Zwerg¬
georginen und ihre Hoffnung auf die ersehnte blaue Blume gerichtet, für deren


fand nie so allgemeine Verbreitung wie die Nelke, vermuthlich, weil die Cultur
nicht so lohnend und schwieriger ist. — Die Primel oder Gartenschlüssel¬
blume wurde gleichzeitig mit den Aurikeln bevorzugt, jedoch nicht in so hohem
Grade.

Die genannten Pflanzen hatten auf die Verzierung der Gärten nur wenig
Einfluß, da sie entweder in Töpfen, oder ohne Rücksicht auf gefällige Anord¬
nung blos der Sammlung wegen, aus Gartenbeeten zwischen Gemüse gezogen
wurden. Auch blühten die meisten zu gleicher Zeit und zeitig im Frühling. Nur
bei den Holländern bewirkte die massenhafte Unzucht der Zwiebelgewächse, daß
die früher ganz blumenlosen, regelmäßigen Gärten ein Sammelplatz derselben
wurden, und ein holländischer Garten mag in den Monaten April und Mai aller¬
dings prächtig ausgesehen haben. —

Unter den vielen Modeblumen der Neuzeit will ich zuerst der Dahlien
oder Georginen gedenken, da dieselben mehr als andere Pflanzen Aufsehen
gemacht und das Ansehen der Gärten ganz verändert haben. Die Stammpflanze
mit hellrother einfacher Blüthe wurde 1789 aus Mexiko an den Director des
botanischen Gartens in Madrid, Cavanilles, geschickt, von wo sie in den Pflan-
zeugarten von Paris den Mrclin nes plantes überging. Sie wurde nur als bota¬
nische Pflanze betrachtet, und Anfangs im Treibhause gezogen, wo sie wieder ver¬
loren ging. 180 4- kam Samen aus Mexiko nach England, und 1814 wurden
Knollen einer, dunkelrothen Art nach Paris gebracht. Aus diesen Samen und
Pflanzen sind nach und nach unsre jetzigen Dahlien entstanden. Die ersten
etwas gefüllten Blumen sah man schon vor 1820, aber gegen das Ende der
zwanziger Jahre gab es schon überall zahlreiche Sorten von allen Farben, welche
vorzüglich in England und Norddeutschland gezogen wurden. Die Leichtigkeit'
der Cultur, die Pracht und Mannichfaltigkeit der Farben, die herrliche Wirkung,
welche diese Blume in den Landschaftsgärten hervorbringt, macht sie, wenn anch
nicht zu Lieblinge», wie die Rose, Nelke, Levcove u. s. w., doch für alle
größeren Gärten unentbehrlich. Recht eigentlich in die Mode kamen sie nach
1830, und es wurden aus Deutschland große Summen dafür nach England ge¬
schickt. Hundert Thaler für eine neue Blume war noch vor einigen Jahren kein
ungewöhnlicher Preis, während jetzt die theuersten nicht über ö Thaler kosten.
Die meisten und besten Dahlien werden jetzt in Deutschland gezogen, und vor¬
züglich zeichnet sich der kleine Ort Köstritz bei Gera im Fürstenthum Reuß darin
aus. Gegenwärtig ist die Dahlia zwar als vortreffliche Decorationspflanze über¬
all gesucht und selbst bevorzugt, aber die eigentliche Sammelwuth hat sich ver¬
loren, obschon die Blumen auch in der letzten Zeit noch vollkommener geworden
sind. Man ist der Meinung, daß die Dahlienzucht ihren höchsten Punkt erreicht
habe, und gegenwärtig ist das Bestreben der Züchter auf Erzeugung von Zwerg¬
georginen und ihre Hoffnung auf die ersehnte blaue Blume gerichtet, für deren


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[0476] fand nie so allgemeine Verbreitung wie die Nelke, vermuthlich, weil die Cultur nicht so lohnend und schwieriger ist. — Die Primel oder Gartenschlüssel¬ blume wurde gleichzeitig mit den Aurikeln bevorzugt, jedoch nicht in so hohem Grade. Die genannten Pflanzen hatten auf die Verzierung der Gärten nur wenig Einfluß, da sie entweder in Töpfen, oder ohne Rücksicht auf gefällige Anord¬ nung blos der Sammlung wegen, aus Gartenbeeten zwischen Gemüse gezogen wurden. Auch blühten die meisten zu gleicher Zeit und zeitig im Frühling. Nur bei den Holländern bewirkte die massenhafte Unzucht der Zwiebelgewächse, daß die früher ganz blumenlosen, regelmäßigen Gärten ein Sammelplatz derselben wurden, und ein holländischer Garten mag in den Monaten April und Mai aller¬ dings prächtig ausgesehen haben. — Unter den vielen Modeblumen der Neuzeit will ich zuerst der Dahlien oder Georginen gedenken, da dieselben mehr als andere Pflanzen Aufsehen gemacht und das Ansehen der Gärten ganz verändert haben. Die Stammpflanze mit hellrother einfacher Blüthe wurde 1789 aus Mexiko an den Director des botanischen Gartens in Madrid, Cavanilles, geschickt, von wo sie in den Pflan- zeugarten von Paris den Mrclin nes plantes überging. Sie wurde nur als bota¬ nische Pflanze betrachtet, und Anfangs im Treibhause gezogen, wo sie wieder ver¬ loren ging. 180 4- kam Samen aus Mexiko nach England, und 1814 wurden Knollen einer, dunkelrothen Art nach Paris gebracht. Aus diesen Samen und Pflanzen sind nach und nach unsre jetzigen Dahlien entstanden. Die ersten etwas gefüllten Blumen sah man schon vor 1820, aber gegen das Ende der zwanziger Jahre gab es schon überall zahlreiche Sorten von allen Farben, welche vorzüglich in England und Norddeutschland gezogen wurden. Die Leichtigkeit' der Cultur, die Pracht und Mannichfaltigkeit der Farben, die herrliche Wirkung, welche diese Blume in den Landschaftsgärten hervorbringt, macht sie, wenn anch nicht zu Lieblinge», wie die Rose, Nelke, Levcove u. s. w., doch für alle größeren Gärten unentbehrlich. Recht eigentlich in die Mode kamen sie nach 1830, und es wurden aus Deutschland große Summen dafür nach England ge¬ schickt. Hundert Thaler für eine neue Blume war noch vor einigen Jahren kein ungewöhnlicher Preis, während jetzt die theuersten nicht über ö Thaler kosten. Die meisten und besten Dahlien werden jetzt in Deutschland gezogen, und vor¬ züglich zeichnet sich der kleine Ort Köstritz bei Gera im Fürstenthum Reuß darin aus. Gegenwärtig ist die Dahlia zwar als vortreffliche Decorationspflanze über¬ all gesucht und selbst bevorzugt, aber die eigentliche Sammelwuth hat sich ver¬ loren, obschon die Blumen auch in der letzten Zeit noch vollkommener geworden sind. Man ist der Meinung, daß die Dahlienzucht ihren höchsten Punkt erreicht habe, und gegenwärtig ist das Bestreben der Züchter auf Erzeugung von Zwerg¬ georginen und ihre Hoffnung auf die ersehnte blaue Blume gerichtet, für deren

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/476>, abgerufen am 01.07.2024.