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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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im Gegensatze zu den Endungen unsrer Sprachen dnrch - Präfigirnng
(Vorheftung) der grammatischen Beziehungen sich charakteristisch auszeichnet. Das
ist der, uach den hervorragendsten Völkern, den kriegerischen Kaffern und den
Kongo-Negern im Westen benannte, über ungeheuere Flächen verbreitete Stamm.
-- 8. Seit 1844. (A. L. Z. Aug. Ur. 204 ff. und in mehreren späteren Ar¬
tikeln) ist er mit Leo in eine Controverse verwickelt: "Die malbergische
Glosse keltisch oder germanisch?" und in eine andere kleinere Controverse
über die Abkunft der Halloren, welche Leo ebenfalls durchaus zu Kelten ma¬
chen wollte. Pott trat dem keltischen Ursprung der Glosse und den hieraus
für das salische Gesetz der Franken gezogenen Folgerungen, später unter
Jacob Grimm's Beistand, wie anch der gegen die Ahnen der Halloren erhobenen
Beschuldigung kräftig entgegen. Aus einem ernstern Studium des jedenfalls
sehr corrupten Lateins, worin jenes Gesetz in verschiedenen Bearbeitungen vor¬
liegt, ergab sich ihm der Schluß, daß uus in dieser Art Latein bereits ein Ueber¬
gang zu der spätern Romanisch - Fra uz ösischen Sprachform entgegentritt,
die sich aus dem niedrigen Latein des Volkes, wie es namentlich die Römischen
Legionen sprachen, hervorbildete. Siehe hierüber zwei Aufsätze, deu einen in
Höfer's Zeitschr. III. S. 113--163, deu anderen "Plattlateinisch und Ro¬
manisch" in der sprachwiss. Zeitschr., welche Aufrecht und Kühn herausgeben,
Bd. I. S. 309-350, 38S -- 412. So schließt sich die bisher angenommene Kluft
zwischen dem Latein und dem Französischen in seiner neueren Gestaltung,
wie es seit dem 9. und 10. Ih. .(s. Diez, altrom.' Sprachdenkm. Bonn, 1846.)
auf uns gelangt ist, dnrch nachgewiesene "N o in arische El e in ente in der lex
8u,1iea" wenigstens enger zusammen.

Das Werk Pott'S über die Zigeuner stellt mit einem bewunderungswürdigen
Fleiß und Scharfsinn die Grammatik und den Wörtergehalt der Sprache dar,
überall an die verwandten Sprachen anknüpfend, die fremdartigen eingemischten
Sprachtrümmer bloslegend, die originellen Wandlungen des Zigeuneridioms ver¬
folgend. Die bedeutendsten Resultate des Buches sind ungefähr folgende:

Die Zigeuner Mundarten aller Länder, von denen uns Kunde zukam, erwei¬
sen sich trotz der starken und seltsamen Einwirkung fremder Sprachen in ihrem
innersten Grnnde als einig und gleichartig. Sie bilden eine besondere, mit den
Gaunersprachen oft verwechselte, aber von diesen völlig verschiedene Volkssprache.

Diese Volkssprache wurzelt in den Volksidiomen des nördlichen Vorderindiens,
und gehört, trotz ihrer Entartung und Verworfenheit, doch ihrem Geschlecht nach
zu den Töchtersprachen des stolzen Sanskrit.

Sie hat jedenfalls den Charakter erst einer jüngern indischen Formation.
Die Anlage zu ihrer jetzige" Form wurde sicher bereits aus dem Stammlande
mitgebracht; viele neue Wörter sind später eingedrungen, und die Satzbildung hat
unter den fremden Einwirkungen die größten Aenderungen erfahren, aber die Bil-


im Gegensatze zu den Endungen unsrer Sprachen dnrch - Präfigirnng
(Vorheftung) der grammatischen Beziehungen sich charakteristisch auszeichnet. Das
ist der, uach den hervorragendsten Völkern, den kriegerischen Kaffern und den
Kongo-Negern im Westen benannte, über ungeheuere Flächen verbreitete Stamm.
— 8. Seit 1844. (A. L. Z. Aug. Ur. 204 ff. und in mehreren späteren Ar¬
tikeln) ist er mit Leo in eine Controverse verwickelt: „Die malbergische
Glosse keltisch oder germanisch?" und in eine andere kleinere Controverse
über die Abkunft der Halloren, welche Leo ebenfalls durchaus zu Kelten ma¬
chen wollte. Pott trat dem keltischen Ursprung der Glosse und den hieraus
für das salische Gesetz der Franken gezogenen Folgerungen, später unter
Jacob Grimm's Beistand, wie anch der gegen die Ahnen der Halloren erhobenen
Beschuldigung kräftig entgegen. Aus einem ernstern Studium des jedenfalls
sehr corrupten Lateins, worin jenes Gesetz in verschiedenen Bearbeitungen vor¬
liegt, ergab sich ihm der Schluß, daß uus in dieser Art Latein bereits ein Ueber¬
gang zu der spätern Romanisch - Fra uz ösischen Sprachform entgegentritt,
die sich aus dem niedrigen Latein des Volkes, wie es namentlich die Römischen
Legionen sprachen, hervorbildete. Siehe hierüber zwei Aufsätze, deu einen in
Höfer's Zeitschr. III. S. 113—163, deu anderen „Plattlateinisch und Ro¬
manisch" in der sprachwiss. Zeitschr., welche Aufrecht und Kühn herausgeben,
Bd. I. S. 309-350, 38S — 412. So schließt sich die bisher angenommene Kluft
zwischen dem Latein und dem Französischen in seiner neueren Gestaltung,
wie es seit dem 9. und 10. Ih. .(s. Diez, altrom.' Sprachdenkm. Bonn, 1846.)
auf uns gelangt ist, dnrch nachgewiesene „N o in arische El e in ente in der lex
8u,1iea" wenigstens enger zusammen.

Das Werk Pott'S über die Zigeuner stellt mit einem bewunderungswürdigen
Fleiß und Scharfsinn die Grammatik und den Wörtergehalt der Sprache dar,
überall an die verwandten Sprachen anknüpfend, die fremdartigen eingemischten
Sprachtrümmer bloslegend, die originellen Wandlungen des Zigeuneridioms ver¬
folgend. Die bedeutendsten Resultate des Buches sind ungefähr folgende:

Die Zigeuner Mundarten aller Länder, von denen uns Kunde zukam, erwei¬
sen sich trotz der starken und seltsamen Einwirkung fremder Sprachen in ihrem
innersten Grnnde als einig und gleichartig. Sie bilden eine besondere, mit den
Gaunersprachen oft verwechselte, aber von diesen völlig verschiedene Volkssprache.

Diese Volkssprache wurzelt in den Volksidiomen des nördlichen Vorderindiens,
und gehört, trotz ihrer Entartung und Verworfenheit, doch ihrem Geschlecht nach
zu den Töchtersprachen des stolzen Sanskrit.

Sie hat jedenfalls den Charakter erst einer jüngern indischen Formation.
Die Anlage zu ihrer jetzige» Form wurde sicher bereits aus dem Stammlande
mitgebracht; viele neue Wörter sind später eingedrungen, und die Satzbildung hat
unter den fremden Einwirkungen die größten Aenderungen erfahren, aber die Bil-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/423>, abgerufen am 22.07.2024.