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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Spiralen von fünf bis zwanzig schmalen Ninggäugen. In ganz ähnlichen For¬
men des Reiff und der Spirale wurden auch die Ringe am Finger getragen.

Im frühern Mittelalter verschwinden die massiven Halsringe der heidnischen
Zeit, man trug Halsbänder überhaupt seltener, ersetzte sie vielmehr durch reiche
Borden am Halssaum der Kleider. Erst dnrch die fürstlichen Gnadenketten kam
nach und nach das Halsgeschmeide wieder mehr auf, das dann im achtzehnten
Jahrhundert und zu Anfang des neunzehnten florirte. Massive goldene Armringe
findet man im Mittelalter bald mit Schlangenköpfen, die sich in den Schwanz
beißen, bald spiralförmig zusammengeringelt. Auch die Armringe wurden jedoch
eine Zeit laug durch Borden und Säume verdrängt. Im sechzehnten Jahrhundert
kommen wieder Armbänder vor, doch weniger ans Metall, als ans Schnüren
und Perlen; im siebzehnten finden wir sie zierlich geschnitzt und gegliedert ans
Elfenbeinplättchen, durch silberne Kettenglieder verbunden; im achtzehnten Arm¬
bänder mit Diamanten und Perlen, doch häufiger ans Sammet, als auf Metall.
Die Armringe aus Gold, Silber, Bronze treten in die europäische Mode erst wieder
ein, nachdem die zahlreichen Ausgrabungen an verschiedenen Orten antike Originale
wieder zu Tage gefördert, welche zu Mustern genommen wurden. --Fingerringe
trug man dnrch das ganze Mittelalter. Der Siegelring, welcher überdies zur
Tracht der höhern Geistlichkeit gehörte, verdrängte beim Siegeln den Schwert-
knanf; einfache Reife galten als Symbol der Vereinigung bei der Verlobung und
kirchlichen Einsegnung eines Brautpaars; mit Edelsteinschmuck vollendeten sie den
Prachtanzng der Vornehmen und Großen. Ohrringe erhielten sich beim weib¬
lichen Geschlecht durch die ganze civilisirte Welt bis auf den heutigen Tag. Die
Mode wechselte in der Größe der Reife, den Perlen, Edelsteinen, Korallen,
Blumen, Tropfen, Gold- und Silberblätteru, welche als Knöpfe daran befestigt
oder als Gehänge damit verbunden wurden. Die Haarnadel kannte das Mittel¬
alter nur im Süden, namentlich in Italien; bei den deutschen Frauen herrschte
der Kamm, auf den große Sorgfalt zu verwenden, ihn mit Gold und Edelstei¬
nen zu schmücken, eine Liebhaberei der Damen war. Im zwölften und dreizehnten
Jahrhundert trugen sie in Frankreich, Deutschland, Italien einen goldenen Reifen,
mit edlen Steinen reich verziert, im Haar. Es wiederholte sich in mittelalterlicher
Gestalt darin das Diadem, das in antiker Form noch einmal zu Anfang des
neunzehnten Jahrhunderts auftauchte, um bald wieder zu verschwinden. Hafte
und Spangen zum Festhalten der Kleider, vorzugsweise des Mantels, benutzte
man bis in das fünfzehnte Jahrhundert. In den meisten Fällen waren sie ans
Gold, Silber oder anderem Metall gegossen, mit Adlern und anderen Bildwer¬
ken, mit Mädchenköpfen, die zwischen Laubwerk hervorblicken, anch wol mit
Edelsteinen verziert. Ans den Gürtel verwendete man seit den Kreuzzügen, die
das Abendland mit dem Oriente in Verkehr brachten, ganz besondere Sorgfalt,
bis die neuere Zeit ihn als Schmuck gänzlich beseitigte. Seine Blüthe fällt in


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Spiralen von fünf bis zwanzig schmalen Ninggäugen. In ganz ähnlichen For¬
men des Reiff und der Spirale wurden auch die Ringe am Finger getragen.

Im frühern Mittelalter verschwinden die massiven Halsringe der heidnischen
Zeit, man trug Halsbänder überhaupt seltener, ersetzte sie vielmehr durch reiche
Borden am Halssaum der Kleider. Erst dnrch die fürstlichen Gnadenketten kam
nach und nach das Halsgeschmeide wieder mehr auf, das dann im achtzehnten
Jahrhundert und zu Anfang des neunzehnten florirte. Massive goldene Armringe
findet man im Mittelalter bald mit Schlangenköpfen, die sich in den Schwanz
beißen, bald spiralförmig zusammengeringelt. Auch die Armringe wurden jedoch
eine Zeit laug durch Borden und Säume verdrängt. Im sechzehnten Jahrhundert
kommen wieder Armbänder vor, doch weniger ans Metall, als ans Schnüren
und Perlen; im siebzehnten finden wir sie zierlich geschnitzt und gegliedert ans
Elfenbeinplättchen, durch silberne Kettenglieder verbunden; im achtzehnten Arm¬
bänder mit Diamanten und Perlen, doch häufiger ans Sammet, als auf Metall.
Die Armringe aus Gold, Silber, Bronze treten in die europäische Mode erst wieder
ein, nachdem die zahlreichen Ausgrabungen an verschiedenen Orten antike Originale
wieder zu Tage gefördert, welche zu Mustern genommen wurden. —Fingerringe
trug man dnrch das ganze Mittelalter. Der Siegelring, welcher überdies zur
Tracht der höhern Geistlichkeit gehörte, verdrängte beim Siegeln den Schwert-
knanf; einfache Reife galten als Symbol der Vereinigung bei der Verlobung und
kirchlichen Einsegnung eines Brautpaars; mit Edelsteinschmuck vollendeten sie den
Prachtanzng der Vornehmen und Großen. Ohrringe erhielten sich beim weib¬
lichen Geschlecht durch die ganze civilisirte Welt bis auf den heutigen Tag. Die
Mode wechselte in der Größe der Reife, den Perlen, Edelsteinen, Korallen,
Blumen, Tropfen, Gold- und Silberblätteru, welche als Knöpfe daran befestigt
oder als Gehänge damit verbunden wurden. Die Haarnadel kannte das Mittel¬
alter nur im Süden, namentlich in Italien; bei den deutschen Frauen herrschte
der Kamm, auf den große Sorgfalt zu verwenden, ihn mit Gold und Edelstei¬
nen zu schmücken, eine Liebhaberei der Damen war. Im zwölften und dreizehnten
Jahrhundert trugen sie in Frankreich, Deutschland, Italien einen goldenen Reifen,
mit edlen Steinen reich verziert, im Haar. Es wiederholte sich in mittelalterlicher
Gestalt darin das Diadem, das in antiker Form noch einmal zu Anfang des
neunzehnten Jahrhunderts auftauchte, um bald wieder zu verschwinden. Hafte
und Spangen zum Festhalten der Kleider, vorzugsweise des Mantels, benutzte
man bis in das fünfzehnte Jahrhundert. In den meisten Fällen waren sie ans
Gold, Silber oder anderem Metall gegossen, mit Adlern und anderen Bildwer¬
ken, mit Mädchenköpfen, die zwischen Laubwerk hervorblicken, anch wol mit
Edelsteinen verziert. Ans den Gürtel verwendete man seit den Kreuzzügen, die
das Abendland mit dem Oriente in Verkehr brachten, ganz besondere Sorgfalt,
bis die neuere Zeit ihn als Schmuck gänzlich beseitigte. Seine Blüthe fällt in


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[0397] Spiralen von fünf bis zwanzig schmalen Ninggäugen. In ganz ähnlichen For¬ men des Reiff und der Spirale wurden auch die Ringe am Finger getragen. Im frühern Mittelalter verschwinden die massiven Halsringe der heidnischen Zeit, man trug Halsbänder überhaupt seltener, ersetzte sie vielmehr durch reiche Borden am Halssaum der Kleider. Erst dnrch die fürstlichen Gnadenketten kam nach und nach das Halsgeschmeide wieder mehr auf, das dann im achtzehnten Jahrhundert und zu Anfang des neunzehnten florirte. Massive goldene Armringe findet man im Mittelalter bald mit Schlangenköpfen, die sich in den Schwanz beißen, bald spiralförmig zusammengeringelt. Auch die Armringe wurden jedoch eine Zeit laug durch Borden und Säume verdrängt. Im sechzehnten Jahrhundert kommen wieder Armbänder vor, doch weniger ans Metall, als ans Schnüren und Perlen; im siebzehnten finden wir sie zierlich geschnitzt und gegliedert ans Elfenbeinplättchen, durch silberne Kettenglieder verbunden; im achtzehnten Arm¬ bänder mit Diamanten und Perlen, doch häufiger ans Sammet, als auf Metall. Die Armringe aus Gold, Silber, Bronze treten in die europäische Mode erst wieder ein, nachdem die zahlreichen Ausgrabungen an verschiedenen Orten antike Originale wieder zu Tage gefördert, welche zu Mustern genommen wurden. —Fingerringe trug man dnrch das ganze Mittelalter. Der Siegelring, welcher überdies zur Tracht der höhern Geistlichkeit gehörte, verdrängte beim Siegeln den Schwert- knanf; einfache Reife galten als Symbol der Vereinigung bei der Verlobung und kirchlichen Einsegnung eines Brautpaars; mit Edelsteinschmuck vollendeten sie den Prachtanzng der Vornehmen und Großen. Ohrringe erhielten sich beim weib¬ lichen Geschlecht durch die ganze civilisirte Welt bis auf den heutigen Tag. Die Mode wechselte in der Größe der Reife, den Perlen, Edelsteinen, Korallen, Blumen, Tropfen, Gold- und Silberblätteru, welche als Knöpfe daran befestigt oder als Gehänge damit verbunden wurden. Die Haarnadel kannte das Mittel¬ alter nur im Süden, namentlich in Italien; bei den deutschen Frauen herrschte der Kamm, auf den große Sorgfalt zu verwenden, ihn mit Gold und Edelstei¬ nen zu schmücken, eine Liebhaberei der Damen war. Im zwölften und dreizehnten Jahrhundert trugen sie in Frankreich, Deutschland, Italien einen goldenen Reifen, mit edlen Steinen reich verziert, im Haar. Es wiederholte sich in mittelalterlicher Gestalt darin das Diadem, das in antiker Form noch einmal zu Anfang des neunzehnten Jahrhunderts auftauchte, um bald wieder zu verschwinden. Hafte und Spangen zum Festhalten der Kleider, vorzugsweise des Mantels, benutzte man bis in das fünfzehnte Jahrhundert. In den meisten Fällen waren sie ans Gold, Silber oder anderem Metall gegossen, mit Adlern und anderen Bildwer¬ ken, mit Mädchenköpfen, die zwischen Laubwerk hervorblicken, anch wol mit Edelsteinen verziert. Ans den Gürtel verwendete man seit den Kreuzzügen, die das Abendland mit dem Oriente in Verkehr brachten, ganz besondere Sorgfalt, bis die neuere Zeit ihn als Schmuck gänzlich beseitigte. Seine Blüthe fällt in 49*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/397>, abgerufen am 22.07.2024.