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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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dabei den Rundbogen angewendet, der für das Auge einen unharmonischen Con¬
trast mit deu Spitzbogenfvrmen der Kirche bildet.

Von den statuarischen Arbeiten der Geiß'schen Fabrik erhielt zuerst die Ve¬
nus vou Capua eine öffentliche Aufstellung auf einem kleinen Platze am Gold¬
fischteich im Thiergarten. Leider hat man die schön modellirte Gestalt neuerlich
mit einem häßlichem Ledergelb überstrichen. Von Modellen zu Statuen uach
der Antike enthält die Fabrik jetzt unter andern folgende: eine Juno, zwei ver¬
schiedene Ceresfiguren, die Venus Medicis, Venus Urania, einen Bachus, den
Apollino, den Herkules Farnese, Meleager, den Adorant, eine Nymphe n. s. w.
Statuen in der Größe von drei Fuß liefert Herr Geiß vollständig bronzirt oder
mit jedem sonst beliebigen Ueberzug zu 40 Thalern, von vier Fuß aufwärts zu
60, lebensgroß zu 100 Thalern. Bedenkt man, daß echte Bronze durchschnittlich
etwa das Zehnfache kosten würde, daß die bronzirteu Zinkgestalten des Herrn
Geiß aber von echter Bronze nicht zu unterscheiden und kaum weniger witterungs¬
beständig sind, daß sie endlich an Kunstform die Bronze mindestens erreichen,
so leuchtet ein, in wie ausgedehntem Maße die Verbreitung von Kunstwerken
durch den Zinkgnß gewinnen muß. Denselben Genuß für Geschmack und Schön¬
heitssinn des Auges, den sonst nur der Reichste zu erschwingen vermochte, kann
jetzt der einigermaßen Wohlhabende sich in eigenem Besitz verschaffen. Nach den
angegebenen Durchschuittspreisen der Statuen wird es nicht schwer sein, sich den
Preis auch für die übrigen plastischen Arbeiten ungefähr zu berechnen, der nur
im Einzelnen uicht geuau bekannt geworden.

Am neu erbauten Opernhause ist das Hauptgesims, mit Ausnahme des nörd¬
lichen Theiles, aus Zink gegossen, so wie die Capitale der Eckpilaster an den Rise-
liten und im Innern die sämmlichen Capitäle, Consolen, Gasbranchen und die
acht Wichmann'schen Statuen am Proscenium, welche aus der Entfernung den
Eindruck des Marmors machen; endlich das große Relief im nördlichen Giebel¬
felde, 42 Fuß lang, 9 Fuß hoch, nach dem Modell von Rietschel in Dresden.
Neunzehn fast frei stehende Figuren füllen dieses Relief: in der Mitte die
geflügelte Muse des Gesanges; zu deren linker Hand Apollo umgeben von
Melpomene und Thalia, den Musen der Malerei und Plastik; rechts Terpsi-
chore in der Mitte tanzender Gruppen. Nur durch den Zinkguß wurde die
innere Ausschmückung des Opernsaales im glänzenden Rococo eine ausführbare
Möglichkeit. Vom größten Nutzen erwies er sich außerdem in Potsdam, nicht allein
an den dortigen Neubauten, sondern auch bei der Restauration der alten Schlösser.
Es wurden Ballustren, Gesimse, Vasen, Trophäen vortheilhaft in Zink ausgeführt,
auch die Figuren an der sogenannten Fahnentreppe am Stadtschlosse und der
große Neptun im Bassin des Lustgartens daselbst; bei der Vergrößerung der
Flügel von Sanssouci die Hauptgesimse, Capitale, Festons, die Ballustrade; die
Kuppel der Kirche zu Nikolskoe; die Statuen in Charlottenhos, darunter ein


dabei den Rundbogen angewendet, der für das Auge einen unharmonischen Con¬
trast mit deu Spitzbogenfvrmen der Kirche bildet.

Von den statuarischen Arbeiten der Geiß'schen Fabrik erhielt zuerst die Ve¬
nus vou Capua eine öffentliche Aufstellung auf einem kleinen Platze am Gold¬
fischteich im Thiergarten. Leider hat man die schön modellirte Gestalt neuerlich
mit einem häßlichem Ledergelb überstrichen. Von Modellen zu Statuen uach
der Antike enthält die Fabrik jetzt unter andern folgende: eine Juno, zwei ver¬
schiedene Ceresfiguren, die Venus Medicis, Venus Urania, einen Bachus, den
Apollino, den Herkules Farnese, Meleager, den Adorant, eine Nymphe n. s. w.
Statuen in der Größe von drei Fuß liefert Herr Geiß vollständig bronzirt oder
mit jedem sonst beliebigen Ueberzug zu 40 Thalern, von vier Fuß aufwärts zu
60, lebensgroß zu 100 Thalern. Bedenkt man, daß echte Bronze durchschnittlich
etwa das Zehnfache kosten würde, daß die bronzirteu Zinkgestalten des Herrn
Geiß aber von echter Bronze nicht zu unterscheiden und kaum weniger witterungs¬
beständig sind, daß sie endlich an Kunstform die Bronze mindestens erreichen,
so leuchtet ein, in wie ausgedehntem Maße die Verbreitung von Kunstwerken
durch den Zinkgnß gewinnen muß. Denselben Genuß für Geschmack und Schön¬
heitssinn des Auges, den sonst nur der Reichste zu erschwingen vermochte, kann
jetzt der einigermaßen Wohlhabende sich in eigenem Besitz verschaffen. Nach den
angegebenen Durchschuittspreisen der Statuen wird es nicht schwer sein, sich den
Preis auch für die übrigen plastischen Arbeiten ungefähr zu berechnen, der nur
im Einzelnen uicht geuau bekannt geworden.

Am neu erbauten Opernhause ist das Hauptgesims, mit Ausnahme des nörd¬
lichen Theiles, aus Zink gegossen, so wie die Capitale der Eckpilaster an den Rise-
liten und im Innern die sämmlichen Capitäle, Consolen, Gasbranchen und die
acht Wichmann'schen Statuen am Proscenium, welche aus der Entfernung den
Eindruck des Marmors machen; endlich das große Relief im nördlichen Giebel¬
felde, 42 Fuß lang, 9 Fuß hoch, nach dem Modell von Rietschel in Dresden.
Neunzehn fast frei stehende Figuren füllen dieses Relief: in der Mitte die
geflügelte Muse des Gesanges; zu deren linker Hand Apollo umgeben von
Melpomene und Thalia, den Musen der Malerei und Plastik; rechts Terpsi-
chore in der Mitte tanzender Gruppen. Nur durch den Zinkguß wurde die
innere Ausschmückung des Opernsaales im glänzenden Rococo eine ausführbare
Möglichkeit. Vom größten Nutzen erwies er sich außerdem in Potsdam, nicht allein
an den dortigen Neubauten, sondern auch bei der Restauration der alten Schlösser.
Es wurden Ballustren, Gesimse, Vasen, Trophäen vortheilhaft in Zink ausgeführt,
auch die Figuren an der sogenannten Fahnentreppe am Stadtschlosse und der
große Neptun im Bassin des Lustgartens daselbst; bei der Vergrößerung der
Flügel von Sanssouci die Hauptgesimse, Capitale, Festons, die Ballustrade; die
Kuppel der Kirche zu Nikolskoe; die Statuen in Charlottenhos, darunter ein


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/340>, abgerufen am 29.06.2024.