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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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eines mächtigen Baums um einen Brunnen gelagert haben, für Staatsrath
Schweizer; 1839 Genovefa in der Waldeinsamkeit für den sächsischen Kunst¬
verein; den Dorfmusikanten sür G. Wigand; 1840 Abendandacht für v.
Quandt; 1846 Mondschei n nacht für Bendemann in Berlin; 1847 ven Braut¬
zug im Frühling, welches als das erste Bild für die Stiftung des Ministers
v. Lindenau angekauft wurde. Freilich erregte es Anfangs Bedenken, daß man
das Bild nicht eigentlich für ein historisches gelten lassen könne -- denn für solche
ist jene schöne Stiftung bestimmt, -- allein glücklicher Weise nahm man es mit der
Classification nicht genau, und erwarb das Bild, über dessen Schönheit und
Originalität kein Zweifel war, für die Sammlung, welche in dem neuen Mu¬
seum ausgestellt werden wird. Kleinere Bilder finden sich noch in manchen
anderen Sammlungen der Liebhaber; sie aufzuzählen würde schwierig und für
diesen Ort überflüssig sein. Hoffen wir aber, daß Richter, der in den letzten
Jahren wenig gemalt hat, durch seine wie immer erfreuliche Thätigkeit auf
anderen Kunstgebieten nicht ganz vom Malen abgezogen werde. An Stoff
fehlt es ihm wahrlich nicht, -- sind doch die Entwürfe und Studien seiner
italienischen Reise von ihm noch nicht erschöpft, -- an Kraft und Neigung
auch nicht, möge ein günstiger Stern über beiden walten.

.Richter's künstlerische Begabung und Richtung hat natürlich in seinen
Gemälden nicht nur dem Umfange, sondern auch der Tiefe und Bedeutung
nach ihren vollsten Ausdruck gefunden. Die Eigenthümlichkeit derselben ist
schon kurz angegeben, und kann bei einer nicht ganz oberflächlichen Betrachtung
nicht verkannt werden. Man würde irren, wollte man das Charakteristische
einer Richter'schen Landschaft darin setzen, daß die Staffage mit mehr Vorliebe
und Sorgfalt, oder mit mehr Geschick als gewöhnlich behandelt sei. Man kann bei
Richter nicht mehr von Staffage sprechen, in so fern diese eine an sich unwesentliche
Zugabe, ein hübscher, aber auch entbehrlicher Schmuck der Landschaft ist: Er
benutzt nicht menschliche Figuren und Gruppen, um Lücken der landschaftlichen
Komposition auszufüllen, um Abwechselung hineinzubringen und den Vor¬
dergrund zu beleben, um daran zu erinnern, daß in dieser Gegend auch Men¬
schen ihr Wesen treiben: der Mensch in den einfachen natürlichen Verhält¬
nissen, welche in Wahrheit die Kunst beschäftigen, ist der selbstständige Gegen¬
stand seiner Darstellung. Diese aber faßt ihn auf in seiner unmittelbaren Be¬
ziehung zur Natur, und zwar ganz individuell zu der natürlichen Umgebung,
welche der Künstler darstellt. So unendlich reich und mannichfaltig diese Be¬
ziehungen sind, so unerschöpflich ist, die Quelle der Erfindung des Künstlers.
Hierin ist auch die Begrenzung gegen das eigentliche Genre gegeben. Denn
der Irrthum wäre nicht geringer, wollte man meinen, das Landschaftliche sei von
Richter zurückgedrängt, zum Nahmen oder zum Hintergrunde für die Dar¬
stellung menschlicher Empfindung oder Thätigkeit herabgesetzt. Im Gegentheil,


eines mächtigen Baums um einen Brunnen gelagert haben, für Staatsrath
Schweizer; 1839 Genovefa in der Waldeinsamkeit für den sächsischen Kunst¬
verein; den Dorfmusikanten sür G. Wigand; 1840 Abendandacht für v.
Quandt; 1846 Mondschei n nacht für Bendemann in Berlin; 1847 ven Braut¬
zug im Frühling, welches als das erste Bild für die Stiftung des Ministers
v. Lindenau angekauft wurde. Freilich erregte es Anfangs Bedenken, daß man
das Bild nicht eigentlich für ein historisches gelten lassen könne — denn für solche
ist jene schöne Stiftung bestimmt, — allein glücklicher Weise nahm man es mit der
Classification nicht genau, und erwarb das Bild, über dessen Schönheit und
Originalität kein Zweifel war, für die Sammlung, welche in dem neuen Mu¬
seum ausgestellt werden wird. Kleinere Bilder finden sich noch in manchen
anderen Sammlungen der Liebhaber; sie aufzuzählen würde schwierig und für
diesen Ort überflüssig sein. Hoffen wir aber, daß Richter, der in den letzten
Jahren wenig gemalt hat, durch seine wie immer erfreuliche Thätigkeit auf
anderen Kunstgebieten nicht ganz vom Malen abgezogen werde. An Stoff
fehlt es ihm wahrlich nicht, — sind doch die Entwürfe und Studien seiner
italienischen Reise von ihm noch nicht erschöpft, — an Kraft und Neigung
auch nicht, möge ein günstiger Stern über beiden walten.

.Richter's künstlerische Begabung und Richtung hat natürlich in seinen
Gemälden nicht nur dem Umfange, sondern auch der Tiefe und Bedeutung
nach ihren vollsten Ausdruck gefunden. Die Eigenthümlichkeit derselben ist
schon kurz angegeben, und kann bei einer nicht ganz oberflächlichen Betrachtung
nicht verkannt werden. Man würde irren, wollte man das Charakteristische
einer Richter'schen Landschaft darin setzen, daß die Staffage mit mehr Vorliebe
und Sorgfalt, oder mit mehr Geschick als gewöhnlich behandelt sei. Man kann bei
Richter nicht mehr von Staffage sprechen, in so fern diese eine an sich unwesentliche
Zugabe, ein hübscher, aber auch entbehrlicher Schmuck der Landschaft ist: Er
benutzt nicht menschliche Figuren und Gruppen, um Lücken der landschaftlichen
Komposition auszufüllen, um Abwechselung hineinzubringen und den Vor¬
dergrund zu beleben, um daran zu erinnern, daß in dieser Gegend auch Men¬
schen ihr Wesen treiben: der Mensch in den einfachen natürlichen Verhält¬
nissen, welche in Wahrheit die Kunst beschäftigen, ist der selbstständige Gegen¬
stand seiner Darstellung. Diese aber faßt ihn auf in seiner unmittelbaren Be¬
ziehung zur Natur, und zwar ganz individuell zu der natürlichen Umgebung,
welche der Künstler darstellt. So unendlich reich und mannichfaltig diese Be¬
ziehungen sind, so unerschöpflich ist, die Quelle der Erfindung des Künstlers.
Hierin ist auch die Begrenzung gegen das eigentliche Genre gegeben. Denn
der Irrthum wäre nicht geringer, wollte man meinen, das Landschaftliche sei von
Richter zurückgedrängt, zum Nahmen oder zum Hintergrunde für die Dar¬
stellung menschlicher Empfindung oder Thätigkeit herabgesetzt. Im Gegentheil,


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[0215] eines mächtigen Baums um einen Brunnen gelagert haben, für Staatsrath Schweizer; 1839 Genovefa in der Waldeinsamkeit für den sächsischen Kunst¬ verein; den Dorfmusikanten sür G. Wigand; 1840 Abendandacht für v. Quandt; 1846 Mondschei n nacht für Bendemann in Berlin; 1847 ven Braut¬ zug im Frühling, welches als das erste Bild für die Stiftung des Ministers v. Lindenau angekauft wurde. Freilich erregte es Anfangs Bedenken, daß man das Bild nicht eigentlich für ein historisches gelten lassen könne — denn für solche ist jene schöne Stiftung bestimmt, — allein glücklicher Weise nahm man es mit der Classification nicht genau, und erwarb das Bild, über dessen Schönheit und Originalität kein Zweifel war, für die Sammlung, welche in dem neuen Mu¬ seum ausgestellt werden wird. Kleinere Bilder finden sich noch in manchen anderen Sammlungen der Liebhaber; sie aufzuzählen würde schwierig und für diesen Ort überflüssig sein. Hoffen wir aber, daß Richter, der in den letzten Jahren wenig gemalt hat, durch seine wie immer erfreuliche Thätigkeit auf anderen Kunstgebieten nicht ganz vom Malen abgezogen werde. An Stoff fehlt es ihm wahrlich nicht, — sind doch die Entwürfe und Studien seiner italienischen Reise von ihm noch nicht erschöpft, — an Kraft und Neigung auch nicht, möge ein günstiger Stern über beiden walten. .Richter's künstlerische Begabung und Richtung hat natürlich in seinen Gemälden nicht nur dem Umfange, sondern auch der Tiefe und Bedeutung nach ihren vollsten Ausdruck gefunden. Die Eigenthümlichkeit derselben ist schon kurz angegeben, und kann bei einer nicht ganz oberflächlichen Betrachtung nicht verkannt werden. Man würde irren, wollte man das Charakteristische einer Richter'schen Landschaft darin setzen, daß die Staffage mit mehr Vorliebe und Sorgfalt, oder mit mehr Geschick als gewöhnlich behandelt sei. Man kann bei Richter nicht mehr von Staffage sprechen, in so fern diese eine an sich unwesentliche Zugabe, ein hübscher, aber auch entbehrlicher Schmuck der Landschaft ist: Er benutzt nicht menschliche Figuren und Gruppen, um Lücken der landschaftlichen Komposition auszufüllen, um Abwechselung hineinzubringen und den Vor¬ dergrund zu beleben, um daran zu erinnern, daß in dieser Gegend auch Men¬ schen ihr Wesen treiben: der Mensch in den einfachen natürlichen Verhält¬ nissen, welche in Wahrheit die Kunst beschäftigen, ist der selbstständige Gegen¬ stand seiner Darstellung. Diese aber faßt ihn auf in seiner unmittelbaren Be¬ ziehung zur Natur, und zwar ganz individuell zu der natürlichen Umgebung, welche der Künstler darstellt. So unendlich reich und mannichfaltig diese Be¬ ziehungen sind, so unerschöpflich ist, die Quelle der Erfindung des Künstlers. Hierin ist auch die Begrenzung gegen das eigentliche Genre gegeben. Denn der Irrthum wäre nicht geringer, wollte man meinen, das Landschaftliche sei von Richter zurückgedrängt, zum Nahmen oder zum Hintergrunde für die Dar¬ stellung menschlicher Empfindung oder Thätigkeit herabgesetzt. Im Gegentheil,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/215>, abgerufen am 22.07.2024.