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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Bayonuaises sollten eigentlich Mahonnaises heißen, und sind so genannt zu Ehren
des Marschall Richelieu, als er den Engländern Port Mahon abgenommen hatte.

Ans allem diesen geht , hervor, daß die Regentschaft und die Regierung Lud-
wig's XV. zu deu großen Epochen in der Geschichte der französischen Kochkunst
gehört. Der lange Frieden in Folge des Vertrags von Utrecht, die ungeheuren
Schale, welche die Fiuanzpächter auf Kosten des Staats sammelten, das ruhige
und üppige Leben eines Fürsten, der mehr ans seine persönlichen Genüsse, als
auf den Ruhm seiner Krone bedacht war, der Charakter der damaligen Hofleute
und Staatsmänner -- Alles trug dazu bei, dem Zeitalter Ludwig's XV. ein
entschieden sinnliches Gepräge aufzudrücken. Man fing schon an, ans England
Equipagen und Pferde einzuführen; bald folgten diesen die Puddings und
die Beefsteaks. Das Beispiel des Regenten fand unter dieser Regierung Nach¬
ahmer, welche die Kunst weiter ausbildeten. Die Petitssoupers deö Königs gal¬
ten als Muster der Feinheit und der Gourmandise. Die feine Küche verlangt zu
ihrer gerechten Würdigung überall in der Welt, und so auch in Frankreich, stillen
Frieden und selige Ruhe; in stürmischen Zeiten kann sie nicht gedeihen. Daher
waren die Unruhen der Ligne und der Fronde, die Erobernngs-und Herrschsucht
Ludwig's XIV., und der despotische und ungestüme Charakter Richelieu's ihr
wenig förderlich. Es gab ueben großen Feldherren zwar auch große Köche
unter Ludwig XIV., trotz des Verdammnugsurtheils, das Caröme über Valet aus¬
spricht; aber ein witziger Schriftsteller ist der Meinung, daß der einzige Name
aus jener Zeit, der sich in den Annalen der Kochkunst unauslöschlichen Ruhm er¬
worben hat, der des Marquis von Bechamel ist, welcher der Sauce zur Stein-
butte und zum Kabeljau einen Zusatz von Rahm gab. Das NeoKamkl cle 'I'ur-
dol^ und 6<z O^dUKluÄ sind heut noch so beliebt, wie vor 160 Jahren, obgleich
seitdem Könige, Dynastie und Reiche untergegangen sind, und der halbe Erdball
revolutionär wordeu ist.

In der königlichen Küche Ludwig's XVI. geriet!) die Kunst als Kunst in
Verfall, aber ihre Traditionen erhielten sich in einigen alten Häusern, z. B. bei
den Marschällen Richelieu und Duras, dem Herzog von La Valliore, dem Marquis
de Brancas, dem Grafen Tessc; und einigen Andere", welche in der Feinheit und
Eleganz ihrer Tafel mit den besten'Zeiten während der Regierung Ludwig's XV.
wetteiferten. Der Luxus, welchen einige französische Große damals mit ihrer
Tafel trieben, würde hente unglaublich erscheinen. 120 Fasanen wurden wöchent¬
lich in der Küche des Prinzen von Cord<; gebraucht; und dem Herzog von
Penthievre, als er die Stände von Burgund eröffnen sollte, reisten 1ö2 Kommos
(lo bonodv voraus! Kann man sich nach solchem Uebermaß über die Ausschwei-
fung der Revolution wundern? Der unerwartete Tod Ludwigs XV. (sagt ein
Gourmand der nächstfolgenden Regierung, welcher die Revolution und das Kon¬
sulat überlebte) versetzte der Kochkunst einen tödtlichen Streich. Sein Nachfolger,


Bayonuaises sollten eigentlich Mahonnaises heißen, und sind so genannt zu Ehren
des Marschall Richelieu, als er den Engländern Port Mahon abgenommen hatte.

Ans allem diesen geht , hervor, daß die Regentschaft und die Regierung Lud-
wig's XV. zu deu großen Epochen in der Geschichte der französischen Kochkunst
gehört. Der lange Frieden in Folge des Vertrags von Utrecht, die ungeheuren
Schale, welche die Fiuanzpächter auf Kosten des Staats sammelten, das ruhige
und üppige Leben eines Fürsten, der mehr ans seine persönlichen Genüsse, als
auf den Ruhm seiner Krone bedacht war, der Charakter der damaligen Hofleute
und Staatsmänner — Alles trug dazu bei, dem Zeitalter Ludwig's XV. ein
entschieden sinnliches Gepräge aufzudrücken. Man fing schon an, ans England
Equipagen und Pferde einzuführen; bald folgten diesen die Puddings und
die Beefsteaks. Das Beispiel des Regenten fand unter dieser Regierung Nach¬
ahmer, welche die Kunst weiter ausbildeten. Die Petitssoupers deö Königs gal¬
ten als Muster der Feinheit und der Gourmandise. Die feine Küche verlangt zu
ihrer gerechten Würdigung überall in der Welt, und so auch in Frankreich, stillen
Frieden und selige Ruhe; in stürmischen Zeiten kann sie nicht gedeihen. Daher
waren die Unruhen der Ligne und der Fronde, die Erobernngs-und Herrschsucht
Ludwig's XIV., und der despotische und ungestüme Charakter Richelieu's ihr
wenig förderlich. Es gab ueben großen Feldherren zwar auch große Köche
unter Ludwig XIV., trotz des Verdammnugsurtheils, das Caröme über Valet aus¬
spricht; aber ein witziger Schriftsteller ist der Meinung, daß der einzige Name
aus jener Zeit, der sich in den Annalen der Kochkunst unauslöschlichen Ruhm er¬
worben hat, der des Marquis von Bechamel ist, welcher der Sauce zur Stein-
butte und zum Kabeljau einen Zusatz von Rahm gab. Das NeoKamkl cle 'I'ur-
dol^ und 6<z O^dUKluÄ sind heut noch so beliebt, wie vor 160 Jahren, obgleich
seitdem Könige, Dynastie und Reiche untergegangen sind, und der halbe Erdball
revolutionär wordeu ist.

In der königlichen Küche Ludwig's XVI. geriet!) die Kunst als Kunst in
Verfall, aber ihre Traditionen erhielten sich in einigen alten Häusern, z. B. bei
den Marschällen Richelieu und Duras, dem Herzog von La Valliore, dem Marquis
de Brancas, dem Grafen Tessc; und einigen Andere», welche in der Feinheit und
Eleganz ihrer Tafel mit den besten'Zeiten während der Regierung Ludwig's XV.
wetteiferten. Der Luxus, welchen einige französische Große damals mit ihrer
Tafel trieben, würde hente unglaublich erscheinen. 120 Fasanen wurden wöchent¬
lich in der Küche des Prinzen von Cord<; gebraucht; und dem Herzog von
Penthievre, als er die Stände von Burgund eröffnen sollte, reisten 1ö2 Kommos
(lo bonodv voraus! Kann man sich nach solchem Uebermaß über die Ausschwei-
fung der Revolution wundern? Der unerwartete Tod Ludwigs XV. (sagt ein
Gourmand der nächstfolgenden Regierung, welcher die Revolution und das Kon¬
sulat überlebte) versetzte der Kochkunst einen tödtlichen Streich. Sein Nachfolger,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/156>, abgerufen am 22.07.2024.