Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.sich kein Kamin, nicht einmal eine Stelle für denselben, und meines Schwagers Den größten Theil des Tages saß ich in meinem Hause und drehte Cigarren. Die Tabakspflanze ist geneigt, alis deu Blattwinkeln oder auch aus den sich kein Kamin, nicht einmal eine Stelle für denselben, und meines Schwagers Den größten Theil des Tages saß ich in meinem Hause und drehte Cigarren. Die Tabakspflanze ist geneigt, alis deu Blattwinkeln oder auch aus den <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0143" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/93508"/> <p xml:id="ID_409" prev="#ID_408"> sich kein Kamin, nicht einmal eine Stelle für denselben, und meines Schwagers<lb/> Wohnhaus hatte nur, was unsre Lage noch verschlimmerte, die leere Stelle, indem<lb/> wir bis jetzt noch nicht Zeit gehabt hatten, denselben aufzubauen. Zwar hatten<lb/> sie einen kleinen amerikanischen Ofen, aber der Ofen hatte keine Röhren, und<lb/> da mit dem Kamine anch der Schornstein fehlte, so blieb uns nur die Wahl, im<lb/> Rauche zu ersticken oder zu frieren. Wir zogen das letztere vor, und thaten es<lb/> redlich. Endlich nach drei Tagen wurden^wir erlöst. Wind und Wetter legten<lb/> sich, und wir gingen hinaus, uns an dem Schaden zu erbauen, den der Feind<lb/> angerichtet hatte. Drei Chiuatrees lagen vor dem Hause umgeworfen,<lb/> von dem Kornhanse war das Dach abgedeckt, auf dem Felde hatte der<lb/> Regen tiefe Furchen gerissen, und manche Stellen vollständig abgeschwemmt;<lb/> im Walde hatten dicke Bäume der Gewalt des Sturmes uicht widerstehen<lb/> können, und waren umgebrochen oder aus der Erde gerissen. Mehrere<lb/> Tage Arbeit wurden erfordert, deu Schaden wieder gut zu macheu; die Arbeit<lb/> und die Zeit wurde daraus verwendet, und eine Woche später war Alles wieder<lb/> in dem frühern Zustande.</p><lb/> <p xml:id="ID_410"> Den größten Theil des Tages saß ich in meinem Hause und drehte Cigarren.<lb/> Ich hatte diese Kunst schon in Deutschland gelernt, weil ich schon damals recht<lb/> wohl wußte, daß man in Amerika von Allem Etwas, wenn anch nicht gerade etwas<lb/> Gründliches verstehen müßte; Anfangs wollten die Cigarren ihrer Form nach nicht<lb/> recht gelingen, und beim Sortiren fielen viele ab, die ich selbst rauchen mußte,<lb/> während die Anzahl der gelungenen erbärmlich gering war; später brachte die<lb/> Uebung ein günstigeres Resultat, aber die Arbeit war mir sehr langweilig. Weit<lb/> besser als Cigarreumachen gefiel mir der Tabaksbau; nur das hatte ich daran<lb/> auszusetzen, daß die Aussichten auf Gelderwerb sehr genug waren, und<lb/> daß sogar bei einem günstigen Ausfall der Ernte der Ertrag noch nicht hin¬<lb/> reichen würde, um Boarding und Lvdging zu bestreiten. Mehrere Tage wurden<lb/> dazu verwandt, um theils das vorher erwähnte Gartenstück, theils das gepachtete<lb/> Feld umzupflügen oder umzugraben; dann wurden in einem -Zwischenraume von<lb/> 3-bis 4 Fuß die Tabakspflanzen gepflanzt nud fleißig bedankt; an einigen Stellen<lb/> konnte ich das Geschäft der Hacke durch den Pflug versehen lassen. Alle übrigen<lb/> Arbeiten erforderten wenig Kraft, aber viele Zeit. Sie bestanden vornehmlich in<lb/> dem Ausbrechen des Geizes und dem Absuchen der Raupen.</p><lb/> <p xml:id="ID_411" next="#ID_412"> Die Tabakspflanze ist geneigt, alis deu Blattwinkeln oder auch aus den<lb/> Wurzeln Schößlinge hervorzutreiben, die man mit dem Namen Geiz belegt;<lb/> diese Schößlinge und Zweige müssen fortwährend nud wo möglich sogleich in ihrem<lb/> Entstehen entfernt werden, weil sie zuviel Nahrungsstoff - für sich in Anspruch<lb/> nehmen, und somit der Ausbildung der einzelnen Blätter hinderlich sind. Da der<lb/> meiste Tabak zu Cigarren verarbeitet wird, so beruht sein Werth größtentheils in<lb/> der Größe und der Vollständigkeit der Blätter; man bricht daher nicht blos den</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0143]
sich kein Kamin, nicht einmal eine Stelle für denselben, und meines Schwagers
Wohnhaus hatte nur, was unsre Lage noch verschlimmerte, die leere Stelle, indem
wir bis jetzt noch nicht Zeit gehabt hatten, denselben aufzubauen. Zwar hatten
sie einen kleinen amerikanischen Ofen, aber der Ofen hatte keine Röhren, und
da mit dem Kamine anch der Schornstein fehlte, so blieb uns nur die Wahl, im
Rauche zu ersticken oder zu frieren. Wir zogen das letztere vor, und thaten es
redlich. Endlich nach drei Tagen wurden^wir erlöst. Wind und Wetter legten
sich, und wir gingen hinaus, uns an dem Schaden zu erbauen, den der Feind
angerichtet hatte. Drei Chiuatrees lagen vor dem Hause umgeworfen,
von dem Kornhanse war das Dach abgedeckt, auf dem Felde hatte der
Regen tiefe Furchen gerissen, und manche Stellen vollständig abgeschwemmt;
im Walde hatten dicke Bäume der Gewalt des Sturmes uicht widerstehen
können, und waren umgebrochen oder aus der Erde gerissen. Mehrere
Tage Arbeit wurden erfordert, deu Schaden wieder gut zu macheu; die Arbeit
und die Zeit wurde daraus verwendet, und eine Woche später war Alles wieder
in dem frühern Zustande.
Den größten Theil des Tages saß ich in meinem Hause und drehte Cigarren.
Ich hatte diese Kunst schon in Deutschland gelernt, weil ich schon damals recht
wohl wußte, daß man in Amerika von Allem Etwas, wenn anch nicht gerade etwas
Gründliches verstehen müßte; Anfangs wollten die Cigarren ihrer Form nach nicht
recht gelingen, und beim Sortiren fielen viele ab, die ich selbst rauchen mußte,
während die Anzahl der gelungenen erbärmlich gering war; später brachte die
Uebung ein günstigeres Resultat, aber die Arbeit war mir sehr langweilig. Weit
besser als Cigarreumachen gefiel mir der Tabaksbau; nur das hatte ich daran
auszusetzen, daß die Aussichten auf Gelderwerb sehr genug waren, und
daß sogar bei einem günstigen Ausfall der Ernte der Ertrag noch nicht hin¬
reichen würde, um Boarding und Lvdging zu bestreiten. Mehrere Tage wurden
dazu verwandt, um theils das vorher erwähnte Gartenstück, theils das gepachtete
Feld umzupflügen oder umzugraben; dann wurden in einem -Zwischenraume von
3-bis 4 Fuß die Tabakspflanzen gepflanzt nud fleißig bedankt; an einigen Stellen
konnte ich das Geschäft der Hacke durch den Pflug versehen lassen. Alle übrigen
Arbeiten erforderten wenig Kraft, aber viele Zeit. Sie bestanden vornehmlich in
dem Ausbrechen des Geizes und dem Absuchen der Raupen.
Die Tabakspflanze ist geneigt, alis deu Blattwinkeln oder auch aus den
Wurzeln Schößlinge hervorzutreiben, die man mit dem Namen Geiz belegt;
diese Schößlinge und Zweige müssen fortwährend nud wo möglich sogleich in ihrem
Entstehen entfernt werden, weil sie zuviel Nahrungsstoff - für sich in Anspruch
nehmen, und somit der Ausbildung der einzelnen Blätter hinderlich sind. Da der
meiste Tabak zu Cigarren verarbeitet wird, so beruht sein Werth größtentheils in
der Größe und der Vollständigkeit der Blätter; man bricht daher nicht blos den
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2025 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |