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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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zu meiner Gesellschaft und als Gegenstand der Beobachtung nach Belieben existiren,
während ich mich sorgfältig bemühte, die Wände von allen Gästen zu säubern.
Gern hätte ich auch Wände und Dach luftdicht gemacht, aber die Arbeit war, da
der Wind zwischen je zwei Balken und zwischen je zwei Schindeln ungestörten
Zutritt hatte, so zeitraubend, daß ich mich damit begnügte, nur die Lücken, welche
in der Nähe des Kopfendes meines Bettes sich vorfanden, zuzuschlagen und zu
verstopfen. Dieses ganze Haus zu repariren war ein größeres Unternehmen, als
-.es neu aufzubauen, und zu beidem hatte ich weder Zeit noch Lust. Wind und
Wetter konnte ich so den Eingang nicht versperren, aber andere Feinde hielt ich
dnrch eine besondere Einrichtung ab. Früher war mein Hans eine Vorraths-
kammer für verschiedene Gegenstände gewesen, unter Anderm anch für ausge¬
körntes Maiskorn, Mehl und andere Näschereien, welche die gierigen Hühner --
kein Thier ist so unverschämt als diese -- herbeilockten. Zwar wurden alle e߬
baren Vorräthe herausgeschafft, aber es fehlte an einem Mittel, das Volk der
Hühner davon in Kenntniß zu setzen. Eine oder die andere kam dauernd und
regelmäßig herein, suchte in dem Hause umher, kounte Nichts finden, und ging dann
freiwillig wieder heraus, oder wurde vou mir mit Gewalt hinausgetrieben. Alle meine
Demonstrationen blieben fruchtlos. Trotzdem, daß die entlassenen Sträflinge ihre
Abenteuer ihren Gefährten mittheilen mochten, so kamen sie doch fort und fort
wieder, in der Hoffnung, daß fernere Entdeckungsreisen ein günstigeres Resultat
geben könnten. Ich ging in meinem Zorn sogar so weit, daß ich bisweilen
einen ertappten Verbrecher einige Minnten lang zur Warnung an den Beinen
aufhing; aber die Strafe hatte keinen Erfolg; das Hühnervvlk betrachtete sich
mit derselben Gleichgültigkeit die Ausführung dieses Strafprozesses, wie der Men¬
schenpöbel einer Hinrichtung zusieht, und nach einigen Augenblicken saßen schon
wieder einige in dem geöffneten Fenster, um vor meinen Augen einen neuen Ein¬
bruch zu wagen. Da ich mich beim Cigarrenmachen nicht gern mit Dämmerung
begnügte, so mußte ich den Fensterladen öffnen; um nnn nicht jedesmal, sobald
ich mich Vom Fensterladen entfernte, genöthigt zu sein, den Laden zu schließen,
mußte ich in Ermangelung von Glasfenstern oder eines andern durchsichtigen
Materials einige selbstgespaltene Latten vorschlagen; so bekam mein Haus das
Ansehen eines Gefängnisses; der Zweck des Gitterwerks war aber in so fern ein
entgegengesetzter, als es in dem Gefängniß die Einwohner verhindert, von Innen
nach Außer zu brechen, während in meinem Falle das Publicum gehindert werden
sollte, von Außen nach Innen einzubrechen.

Trotz aller meiner Neuerungen blieben aber unzählige Oeffnungen für Wind
und Wetter. Zum Unglück kam noch spät im Frühling ein Nord-Wester daher
gerast;, drei Tage lang hielt er an, und wüthete Tag und Nacht mit gleicher
Stärke sort; durch Dach und Wand brach der Regen hindurch, und Bett und
Kleider konnten keinen Schutz vor seiner Tücke finden. In meinem Hanse befand


zu meiner Gesellschaft und als Gegenstand der Beobachtung nach Belieben existiren,
während ich mich sorgfältig bemühte, die Wände von allen Gästen zu säubern.
Gern hätte ich auch Wände und Dach luftdicht gemacht, aber die Arbeit war, da
der Wind zwischen je zwei Balken und zwischen je zwei Schindeln ungestörten
Zutritt hatte, so zeitraubend, daß ich mich damit begnügte, nur die Lücken, welche
in der Nähe des Kopfendes meines Bettes sich vorfanden, zuzuschlagen und zu
verstopfen. Dieses ganze Haus zu repariren war ein größeres Unternehmen, als
-.es neu aufzubauen, und zu beidem hatte ich weder Zeit noch Lust. Wind und
Wetter konnte ich so den Eingang nicht versperren, aber andere Feinde hielt ich
dnrch eine besondere Einrichtung ab. Früher war mein Hans eine Vorraths-
kammer für verschiedene Gegenstände gewesen, unter Anderm anch für ausge¬
körntes Maiskorn, Mehl und andere Näschereien, welche die gierigen Hühner —
kein Thier ist so unverschämt als diese — herbeilockten. Zwar wurden alle e߬
baren Vorräthe herausgeschafft, aber es fehlte an einem Mittel, das Volk der
Hühner davon in Kenntniß zu setzen. Eine oder die andere kam dauernd und
regelmäßig herein, suchte in dem Hause umher, kounte Nichts finden, und ging dann
freiwillig wieder heraus, oder wurde vou mir mit Gewalt hinausgetrieben. Alle meine
Demonstrationen blieben fruchtlos. Trotzdem, daß die entlassenen Sträflinge ihre
Abenteuer ihren Gefährten mittheilen mochten, so kamen sie doch fort und fort
wieder, in der Hoffnung, daß fernere Entdeckungsreisen ein günstigeres Resultat
geben könnten. Ich ging in meinem Zorn sogar so weit, daß ich bisweilen
einen ertappten Verbrecher einige Minnten lang zur Warnung an den Beinen
aufhing; aber die Strafe hatte keinen Erfolg; das Hühnervvlk betrachtete sich
mit derselben Gleichgültigkeit die Ausführung dieses Strafprozesses, wie der Men¬
schenpöbel einer Hinrichtung zusieht, und nach einigen Augenblicken saßen schon
wieder einige in dem geöffneten Fenster, um vor meinen Augen einen neuen Ein¬
bruch zu wagen. Da ich mich beim Cigarrenmachen nicht gern mit Dämmerung
begnügte, so mußte ich den Fensterladen öffnen; um nnn nicht jedesmal, sobald
ich mich Vom Fensterladen entfernte, genöthigt zu sein, den Laden zu schließen,
mußte ich in Ermangelung von Glasfenstern oder eines andern durchsichtigen
Materials einige selbstgespaltene Latten vorschlagen; so bekam mein Haus das
Ansehen eines Gefängnisses; der Zweck des Gitterwerks war aber in so fern ein
entgegengesetzter, als es in dem Gefängniß die Einwohner verhindert, von Innen
nach Außer zu brechen, während in meinem Falle das Publicum gehindert werden
sollte, von Außen nach Innen einzubrechen.

Trotz aller meiner Neuerungen blieben aber unzählige Oeffnungen für Wind
und Wetter. Zum Unglück kam noch spät im Frühling ein Nord-Wester daher
gerast;, drei Tage lang hielt er an, und wüthete Tag und Nacht mit gleicher
Stärke sort; durch Dach und Wand brach der Regen hindurch, und Bett und
Kleider konnten keinen Schutz vor seiner Tücke finden. In meinem Hanse befand


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[0142] zu meiner Gesellschaft und als Gegenstand der Beobachtung nach Belieben existiren, während ich mich sorgfältig bemühte, die Wände von allen Gästen zu säubern. Gern hätte ich auch Wände und Dach luftdicht gemacht, aber die Arbeit war, da der Wind zwischen je zwei Balken und zwischen je zwei Schindeln ungestörten Zutritt hatte, so zeitraubend, daß ich mich damit begnügte, nur die Lücken, welche in der Nähe des Kopfendes meines Bettes sich vorfanden, zuzuschlagen und zu verstopfen. Dieses ganze Haus zu repariren war ein größeres Unternehmen, als -.es neu aufzubauen, und zu beidem hatte ich weder Zeit noch Lust. Wind und Wetter konnte ich so den Eingang nicht versperren, aber andere Feinde hielt ich dnrch eine besondere Einrichtung ab. Früher war mein Hans eine Vorraths- kammer für verschiedene Gegenstände gewesen, unter Anderm anch für ausge¬ körntes Maiskorn, Mehl und andere Näschereien, welche die gierigen Hühner — kein Thier ist so unverschämt als diese — herbeilockten. Zwar wurden alle e߬ baren Vorräthe herausgeschafft, aber es fehlte an einem Mittel, das Volk der Hühner davon in Kenntniß zu setzen. Eine oder die andere kam dauernd und regelmäßig herein, suchte in dem Hause umher, kounte Nichts finden, und ging dann freiwillig wieder heraus, oder wurde vou mir mit Gewalt hinausgetrieben. Alle meine Demonstrationen blieben fruchtlos. Trotzdem, daß die entlassenen Sträflinge ihre Abenteuer ihren Gefährten mittheilen mochten, so kamen sie doch fort und fort wieder, in der Hoffnung, daß fernere Entdeckungsreisen ein günstigeres Resultat geben könnten. Ich ging in meinem Zorn sogar so weit, daß ich bisweilen einen ertappten Verbrecher einige Minnten lang zur Warnung an den Beinen aufhing; aber die Strafe hatte keinen Erfolg; das Hühnervvlk betrachtete sich mit derselben Gleichgültigkeit die Ausführung dieses Strafprozesses, wie der Men¬ schenpöbel einer Hinrichtung zusieht, und nach einigen Augenblicken saßen schon wieder einige in dem geöffneten Fenster, um vor meinen Augen einen neuen Ein¬ bruch zu wagen. Da ich mich beim Cigarrenmachen nicht gern mit Dämmerung begnügte, so mußte ich den Fensterladen öffnen; um nnn nicht jedesmal, sobald ich mich Vom Fensterladen entfernte, genöthigt zu sein, den Laden zu schließen, mußte ich in Ermangelung von Glasfenstern oder eines andern durchsichtigen Materials einige selbstgespaltene Latten vorschlagen; so bekam mein Haus das Ansehen eines Gefängnisses; der Zweck des Gitterwerks war aber in so fern ein entgegengesetzter, als es in dem Gefängniß die Einwohner verhindert, von Innen nach Außer zu brechen, während in meinem Falle das Publicum gehindert werden sollte, von Außen nach Innen einzubrechen. Trotz aller meiner Neuerungen blieben aber unzählige Oeffnungen für Wind und Wetter. Zum Unglück kam noch spät im Frühling ein Nord-Wester daher gerast;, drei Tage lang hielt er an, und wüthete Tag und Nacht mit gleicher Stärke sort; durch Dach und Wand brach der Regen hindurch, und Bett und Kleider konnten keinen Schutz vor seiner Tücke finden. In meinem Hanse befand

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/142>, abgerufen am 22.07.2024.