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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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Unter den Fenstern hatte ich einige Pflöcke in die Wand geschlagen, und auf diese
einige Breter gelegt; diese vertraten die Stelle eines Tisches und waren zum
Cigarrenmachen unumgänglich nothwendig; links vom Fenster, etwas höher, be¬
fand sich Etwas, das einem Bücherbrete ähnlich sah, ebenfalls durch Pflöcke und
Schindeln entstanden; einige Bücher standen darauf; es war dies nnr ein Theil
meiner Bibliothek, und zwar nur derjenige Theil, den ich häufig brauchte: ein
englisches Wörterbuch, einige andere englische Bücher und einige naturhistorische
Werke; die anderen schliefen ruhig in ihrer dunklen Behausung, dem Koffer.
Letzterer war von einer bedeutenden Größe, mit Seehundsfett überzogen, und vertrat
jetzt vorzugsweise, neben seinem eigentlichen Berufe, die Stelle eines Stuhles, da
ich noch nicht in den Besitz eines solchen Möbels gekommen war. Diesen Koffer
hatte ich in New-Orleans von einem Handlungsdiener, der den Inhalt verbraucht
und verkauft hatte, und dem nun einige Dollars lieber waren, als ein leerer, un¬
benützter Koffer, gekauft, von da mit nach Houston genommen, nud daselbst steheu
lassen, während ich zu Fuße die Landreise unternahm; in Houston blieb er 10 Wochen
liegen, kam aber nach dieser Zeit mir seinem Inhalte unversehrt an. Später
habe ich, da das zehmvöchentliche Warten mich anders belehrt hatte, mich nie
wieder freiwillig von ihm getrennt, bis er in Se. Louis in eiuer Feuersbrunst
ssinen Tod sand. "Er liegt in Padua begrabe", beim heiligen Antonius" war
später die Antwort, die ich mir leider oft genug geben mußte, wenn ich ihn und
noch mehr seinen Inhalt vermißte; denn außer Kleidungsstücken und Büchern gingen
mir manche werthvolle Naturalien, die ich ans meinen Reisen gesammelt, und theil¬
weise diesem Koffer anvertraut hatte, durch diese Feuersbrunst verloren. Seine
Asche ruht, wenn ihr nicht anderweitig eine Ruhestätte angewiesen ist, in Se.
Louis, Süd-Ost-Ecke der Second Street und Green Street unter den Ruinen
der "Stadt Wien".

Die der Thür entgegengesetzte Wand meines allerliebsten Blockhäuschens war
ohne Oessnung und auch ohne anderweitige Verzierungen; da, wo die Wand und
das Dach zusammenstoßen, hatte ich horizontal einen mit Leinwand ausgefüllten
Nahmen angebracht, der zum Trocknen der Cigarren diente; an der linken Wand
hingen mannichfache Kleidungsstücke und aus derselben, in einer Art Oberboden,
der dadurch erzeugt war, daß das Dach uicht gerade auf der Wand, sondern ans
einigen Balken ruhte, welche über das Haus hinausragten, lag der Tabaksvor¬
rath. In dieser Weise vertrat dieser kleine, 9 Fuß ins Gevierte enthaltende Raum
die Stelle von Wohnzimmer, Schlafzimmer, Tabaksniederlage, Cigarrendepot
und Cigarrenfabrik. Mein Blockhaus war ziemlich alt, etwas schief, aber noch ziemlich
fest. In Folge seines Alters war es von einer bedeutenden Anzahl Spinnen be¬
wohnt, und von der Decke herab hingen einige Wespennester, deren Besitzer,
Mann und Frau, frei aus- und einflogen, ohne daran zu denken, mich zu ver¬
letze". Alles, was an dein Dache seine Wohnung aufgeschlagen hatte, ließ ich


17*

Unter den Fenstern hatte ich einige Pflöcke in die Wand geschlagen, und auf diese
einige Breter gelegt; diese vertraten die Stelle eines Tisches und waren zum
Cigarrenmachen unumgänglich nothwendig; links vom Fenster, etwas höher, be¬
fand sich Etwas, das einem Bücherbrete ähnlich sah, ebenfalls durch Pflöcke und
Schindeln entstanden; einige Bücher standen darauf; es war dies nnr ein Theil
meiner Bibliothek, und zwar nur derjenige Theil, den ich häufig brauchte: ein
englisches Wörterbuch, einige andere englische Bücher und einige naturhistorische
Werke; die anderen schliefen ruhig in ihrer dunklen Behausung, dem Koffer.
Letzterer war von einer bedeutenden Größe, mit Seehundsfett überzogen, und vertrat
jetzt vorzugsweise, neben seinem eigentlichen Berufe, die Stelle eines Stuhles, da
ich noch nicht in den Besitz eines solchen Möbels gekommen war. Diesen Koffer
hatte ich in New-Orleans von einem Handlungsdiener, der den Inhalt verbraucht
und verkauft hatte, und dem nun einige Dollars lieber waren, als ein leerer, un¬
benützter Koffer, gekauft, von da mit nach Houston genommen, nud daselbst steheu
lassen, während ich zu Fuße die Landreise unternahm; in Houston blieb er 10 Wochen
liegen, kam aber nach dieser Zeit mir seinem Inhalte unversehrt an. Später
habe ich, da das zehmvöchentliche Warten mich anders belehrt hatte, mich nie
wieder freiwillig von ihm getrennt, bis er in Se. Louis in eiuer Feuersbrunst
ssinen Tod sand. „Er liegt in Padua begrabe», beim heiligen Antonius" war
später die Antwort, die ich mir leider oft genug geben mußte, wenn ich ihn und
noch mehr seinen Inhalt vermißte; denn außer Kleidungsstücken und Büchern gingen
mir manche werthvolle Naturalien, die ich ans meinen Reisen gesammelt, und theil¬
weise diesem Koffer anvertraut hatte, durch diese Feuersbrunst verloren. Seine
Asche ruht, wenn ihr nicht anderweitig eine Ruhestätte angewiesen ist, in Se.
Louis, Süd-Ost-Ecke der Second Street und Green Street unter den Ruinen
der „Stadt Wien".

Die der Thür entgegengesetzte Wand meines allerliebsten Blockhäuschens war
ohne Oessnung und auch ohne anderweitige Verzierungen; da, wo die Wand und
das Dach zusammenstoßen, hatte ich horizontal einen mit Leinwand ausgefüllten
Nahmen angebracht, der zum Trocknen der Cigarren diente; an der linken Wand
hingen mannichfache Kleidungsstücke und aus derselben, in einer Art Oberboden,
der dadurch erzeugt war, daß das Dach uicht gerade auf der Wand, sondern ans
einigen Balken ruhte, welche über das Haus hinausragten, lag der Tabaksvor¬
rath. In dieser Weise vertrat dieser kleine, 9 Fuß ins Gevierte enthaltende Raum
die Stelle von Wohnzimmer, Schlafzimmer, Tabaksniederlage, Cigarrendepot
und Cigarrenfabrik. Mein Blockhaus war ziemlich alt, etwas schief, aber noch ziemlich
fest. In Folge seines Alters war es von einer bedeutenden Anzahl Spinnen be¬
wohnt, und von der Decke herab hingen einige Wespennester, deren Besitzer,
Mann und Frau, frei aus- und einflogen, ohne daran zu denken, mich zu ver¬
letze». Alles, was an dein Dache seine Wohnung aufgeschlagen hatte, ließ ich


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/141>, abgerufen am 22.07.2024.