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Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band.

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wo er die Blatter hätte abnehmen sollen, halten sich anderweitige Arbeiten so
angehäuft, daß er den Tabak völlig vergaß; die Folge davon war, der Tabak
trieb Knospen, Blüthe und Frucht, der Samen siel auf den Boden, lag während
deö Winters im Schlafe, und ging im Frühjahr auf. Nun hatt^ meine Schwester
einen Gemüsegarten, der zwar klein, aber doch so groß war, daß sie recht gut
einen Theil davon für meine Tabaköanfänge abtreten konnte. Ich grub das Stück
um, und pflanzte gegen hundert Pflänzchen; die Pflänzchen wuchsen und gediehen,
und machten mir, ihrem Pflegevater, um so mehr Vergnügen, da sie das erste Product
meines Farmerfleißes waren. -- Dies wurde der Anfang einer größern Plantage.

Nun calculirte ich ferner: Studiren oder Lesen ist eine sehr schöne Sache,
bringt aber in Texas Nichts ein, und das gerade war es, worauf ich vorzugsweise
meine Aufmerksamkeit richten mußte; ich rechnete ganz richtig, daß nnter den da¬
maligen Verhälnissen geistige Beschäftigung nicht als Arbeit, sondern als Erholung
anzusehen sei, und bestimmte daher die heißen Mittagsstunden und die Sonntage
zu diesem Zwecke. In der übrigen Zeit, welche meine Tabaksplantage nicht in
Anspruch nimmt, werden Cigarren gedreht, und damit sogleich angefangen. Ich bat
meinen Schwager um die Gefälligkeit, mir für einige Dollars Blätter anzukaufen,
da ich mir uicht genng Tabaksverstand zutraute; mein Schwager that es; aber wie
ich später, als meine Kunst wuchs, leider zu spät, bemerkte, war mein Schwager
gerade so klug gewesen als ich; der Tabak war von.sehr geringer Güte, und ich
hatte viel Mühe, den Cigarren nur ein mittelmäßiges Ansehen zu geben.

Das Hans, welches ich von meinem Schwager gepachtet hatte, war ein altes
Blockhaus, im Innern 9 Fuß ins Gevierte, also gerade groß genng, daß ich
neben meiner Movsmatratze und meinem Koffer noch Platz hatte, um mich frei
herumdrehen und auch wol Arme und Beine ausstrecken zu können; dagegen war
es übermäßig hoch, indem es nicht mit einer horizontalen Decke, sondern natur¬
gemäß nur mit einem Schindeldache versehen war; ich konnte daher, ohne mich
an den Kopf zu stoße", springen und sogar, natürlich allein und ohne die Stelle
zu verlassen, tanzen, wenn ich einmal Lust. und Neigung zu diesen Vergnügen
verspüren sollte; und das war von großer Wichtigkeit, denn ich hatte große Lust,
vergnügt zu sein, und mußte mir das Amüsement selbst schaffen, da ich nicht
bemerkte, daß Andere sich darum sehr bemühten. Der Eingang befand sich an
der Giebelseite, nach Osten gerichtet; an der Nordseite, also rechts vom Eingange,
war ein Luftloch, oder, wenn man lieber will, ein Fenster angebracht; eine viereckige
Oeffnung von I V2 Fuß Länge und Breite, zum Verschließen eingerichtet, indem
von oben ein Laden herabfallen konnte, der so dicht schloß, daß ich, bei Regen¬
wetter oder starkem Winde, trotz verschlossener Thüren und Fenster, recht wohl
Cigarren machen, ja sogar lesen und schreiben konnte, zumal da außer dem großen,
mit einer Klappe versehenen Lust- und Lichtloche noch eine Menge kleiner O'eff-
nnngen, die aber nicht mit Klappen verschlossen werden konnten, sichtbar waren.


wo er die Blatter hätte abnehmen sollen, halten sich anderweitige Arbeiten so
angehäuft, daß er den Tabak völlig vergaß; die Folge davon war, der Tabak
trieb Knospen, Blüthe und Frucht, der Samen siel auf den Boden, lag während
deö Winters im Schlafe, und ging im Frühjahr auf. Nun hatt^ meine Schwester
einen Gemüsegarten, der zwar klein, aber doch so groß war, daß sie recht gut
einen Theil davon für meine Tabaköanfänge abtreten konnte. Ich grub das Stück
um, und pflanzte gegen hundert Pflänzchen; die Pflänzchen wuchsen und gediehen,
und machten mir, ihrem Pflegevater, um so mehr Vergnügen, da sie das erste Product
meines Farmerfleißes waren. — Dies wurde der Anfang einer größern Plantage.

Nun calculirte ich ferner: Studiren oder Lesen ist eine sehr schöne Sache,
bringt aber in Texas Nichts ein, und das gerade war es, worauf ich vorzugsweise
meine Aufmerksamkeit richten mußte; ich rechnete ganz richtig, daß nnter den da¬
maligen Verhälnissen geistige Beschäftigung nicht als Arbeit, sondern als Erholung
anzusehen sei, und bestimmte daher die heißen Mittagsstunden und die Sonntage
zu diesem Zwecke. In der übrigen Zeit, welche meine Tabaksplantage nicht in
Anspruch nimmt, werden Cigarren gedreht, und damit sogleich angefangen. Ich bat
meinen Schwager um die Gefälligkeit, mir für einige Dollars Blätter anzukaufen,
da ich mir uicht genng Tabaksverstand zutraute; mein Schwager that es; aber wie
ich später, als meine Kunst wuchs, leider zu spät, bemerkte, war mein Schwager
gerade so klug gewesen als ich; der Tabak war von.sehr geringer Güte, und ich
hatte viel Mühe, den Cigarren nur ein mittelmäßiges Ansehen zu geben.

Das Hans, welches ich von meinem Schwager gepachtet hatte, war ein altes
Blockhaus, im Innern 9 Fuß ins Gevierte, also gerade groß genng, daß ich
neben meiner Movsmatratze und meinem Koffer noch Platz hatte, um mich frei
herumdrehen und auch wol Arme und Beine ausstrecken zu können; dagegen war
es übermäßig hoch, indem es nicht mit einer horizontalen Decke, sondern natur¬
gemäß nur mit einem Schindeldache versehen war; ich konnte daher, ohne mich
an den Kopf zu stoße«, springen und sogar, natürlich allein und ohne die Stelle
zu verlassen, tanzen, wenn ich einmal Lust. und Neigung zu diesen Vergnügen
verspüren sollte; und das war von großer Wichtigkeit, denn ich hatte große Lust,
vergnügt zu sein, und mußte mir das Amüsement selbst schaffen, da ich nicht
bemerkte, daß Andere sich darum sehr bemühten. Der Eingang befand sich an
der Giebelseite, nach Osten gerichtet; an der Nordseite, also rechts vom Eingange,
war ein Luftloch, oder, wenn man lieber will, ein Fenster angebracht; eine viereckige
Oeffnung von I V2 Fuß Länge und Breite, zum Verschließen eingerichtet, indem
von oben ein Laden herabfallen konnte, der so dicht schloß, daß ich, bei Regen¬
wetter oder starkem Winde, trotz verschlossener Thüren und Fenster, recht wohl
Cigarren machen, ja sogar lesen und schreiben konnte, zumal da außer dem großen,
mit einer Klappe versehenen Lust- und Lichtloche noch eine Menge kleiner O'eff-
nnngen, die aber nicht mit Klappen verschlossen werden konnten, sichtbar waren.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 11, 1852, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341573_93364/140>, abgerufen am 22.07.2024.