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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Der beste Theil des östreichischen Heeres war früher unzweifelhaft seine
Reiterei, besonders als die 12 ungarischen Husarenregimenter noch den Stolz
des Heeres ausmachten. Die Vorliebe, welche man in Oestreich noch für
die Traditionen des Ritterthums hegt, machte anch die Reiterei, deren Kriegfüh¬
rung uuter alleu Waffengattungen am meisten an die Zeiten des Mittelalters
erinnert, zum Liebling der regierenden Gewalten. Der Ueberfluß an guten Pferden
für leichte wie schwere Reiterei, den Oestreich in seinen verschiedenen Provinzen
besitzt, und die lauge Dienstzeit der Soldaten -- früher 1-4 Jahre, jetzt 8 Jahre --
beförderten die Bildung tüchtiger Reiterregimenter. So zählt die östreichische
Armee 8 Cuirassierregimeuter (48 Escadrons), lauter Böhmen, Mährer und
Jnneröstreicher; 6 Dragouerregimeuter, (36 Escadrons) Pole", Böhmen,
Mähren und Oestreicher; 7 Chevauxlegers-Regimenter (56 Escadrons) Polen,
Böhmen, Mährer und 1 Regiment Italiener, 4 Uhlanenregimenter (32 Esca¬
drons), lauter Polen, die durchgängig allen Anforderungen, welche man an diese
verschiedenen Gattungen einer tüchtigen Reiterei machen kann, entsprechen. Die
12 ungarischen Husarenregimeuter, die bis auf 2 aufgelöst wa ren, siud jetzt wie¬
der in Formation begriffen, werden aber schwerlich jemals wieder von zuverlässi¬
gem Nutzen für Oestreich sein. Die stets steigende Verbesserung der Schußwaffen
sowohl der Infanterie wie Artillerie, die vermehrte Cultur in der Bebauung der
Felder und Bewässerung der Wiesen, welche große weite Flächen, die sich zum
Gebrauch der Reiterei eignen, überall sehr verminderte, und die Erschwerung des
Transports grade der Reiterei aus der Eisenbahn, geben dieser Waffeugattuug
gegenwärtig in Deutschland eine viel geringere Bedeutung, als sie früher hatte.
Das zweifellose Uebergewicht der östreichischen Reiterei durfte daher bei einem
Kriege mit Preußen oder Frankreich nicht viel besondere Vortheile gewähren.
Man scheint dies in letzter Zeit in Oestreich anch einzusehen und hat nicht die
Reiterei, wohl aber die leichte Jnfanterie sehr vermehrt. Da übrigens die Ari¬
stokratie den Dienst in der Reiterei vorzugsweise liebt und der Kaiserstaat in
der nächsten Zeit dazu bestimmt zu sein scheint, von einigen Hundert vorneh¬
men Kavalieren bewacht zu werdeu, so wird die Cavalerie noch lange die vor¬
nehmste und begünstigte Waffe bleiben.

Einen hohen und, wie ich glaube, sehr übertriebenen Ruf hat die östreichische
Artillerie wegen ihrer Geschicklichkeit. Zwar wird von den Officieren der Artillerie
ganz im Gegensatz zu den übrigen Waffengattungen, wo man Kenntnisse bei einem
Officier für unnöthig, ja fast für schädlich hält, eine Menge von theoretischem
Wissen gefordert; selbst die Mannschaft sitzt täglich stundenlang über ihren Lehr¬
bücher^, und nnr durch strenge pedantische Prüfungen kann das Vorrücken von
einem Grade zum andern durchgesetzt werdeu. Aber dies viele Lernen bis zum
Ueberdruß besteht größtentheils im todten, oft rein mechanischen Auswendiglernen
pedantischer, selbst ganz nutzloser Formeln und Lehrsätze. Von einem freien,


Der beste Theil des östreichischen Heeres war früher unzweifelhaft seine
Reiterei, besonders als die 12 ungarischen Husarenregimenter noch den Stolz
des Heeres ausmachten. Die Vorliebe, welche man in Oestreich noch für
die Traditionen des Ritterthums hegt, machte anch die Reiterei, deren Kriegfüh¬
rung uuter alleu Waffengattungen am meisten an die Zeiten des Mittelalters
erinnert, zum Liebling der regierenden Gewalten. Der Ueberfluß an guten Pferden
für leichte wie schwere Reiterei, den Oestreich in seinen verschiedenen Provinzen
besitzt, und die lauge Dienstzeit der Soldaten — früher 1-4 Jahre, jetzt 8 Jahre —
beförderten die Bildung tüchtiger Reiterregimenter. So zählt die östreichische
Armee 8 Cuirassierregimeuter (48 Escadrons), lauter Böhmen, Mährer und
Jnneröstreicher; 6 Dragouerregimeuter, (36 Escadrons) Pole«, Böhmen,
Mähren und Oestreicher; 7 Chevauxlegers-Regimenter (56 Escadrons) Polen,
Böhmen, Mährer und 1 Regiment Italiener, 4 Uhlanenregimenter (32 Esca¬
drons), lauter Polen, die durchgängig allen Anforderungen, welche man an diese
verschiedenen Gattungen einer tüchtigen Reiterei machen kann, entsprechen. Die
12 ungarischen Husarenregimeuter, die bis auf 2 aufgelöst wa ren, siud jetzt wie¬
der in Formation begriffen, werden aber schwerlich jemals wieder von zuverlässi¬
gem Nutzen für Oestreich sein. Die stets steigende Verbesserung der Schußwaffen
sowohl der Infanterie wie Artillerie, die vermehrte Cultur in der Bebauung der
Felder und Bewässerung der Wiesen, welche große weite Flächen, die sich zum
Gebrauch der Reiterei eignen, überall sehr verminderte, und die Erschwerung des
Transports grade der Reiterei aus der Eisenbahn, geben dieser Waffeugattuug
gegenwärtig in Deutschland eine viel geringere Bedeutung, als sie früher hatte.
Das zweifellose Uebergewicht der östreichischen Reiterei durfte daher bei einem
Kriege mit Preußen oder Frankreich nicht viel besondere Vortheile gewähren.
Man scheint dies in letzter Zeit in Oestreich anch einzusehen und hat nicht die
Reiterei, wohl aber die leichte Jnfanterie sehr vermehrt. Da übrigens die Ari¬
stokratie den Dienst in der Reiterei vorzugsweise liebt und der Kaiserstaat in
der nächsten Zeit dazu bestimmt zu sein scheint, von einigen Hundert vorneh¬
men Kavalieren bewacht zu werdeu, so wird die Cavalerie noch lange die vor¬
nehmste und begünstigte Waffe bleiben.

Einen hohen und, wie ich glaube, sehr übertriebenen Ruf hat die östreichische
Artillerie wegen ihrer Geschicklichkeit. Zwar wird von den Officieren der Artillerie
ganz im Gegensatz zu den übrigen Waffengattungen, wo man Kenntnisse bei einem
Officier für unnöthig, ja fast für schädlich hält, eine Menge von theoretischem
Wissen gefordert; selbst die Mannschaft sitzt täglich stundenlang über ihren Lehr¬
bücher^, und nnr durch strenge pedantische Prüfungen kann das Vorrücken von
einem Grade zum andern durchgesetzt werdeu. Aber dies viele Lernen bis zum
Ueberdruß besteht größtentheils im todten, oft rein mechanischen Auswendiglernen
pedantischer, selbst ganz nutzloser Formeln und Lehrsätze. Von einem freien,


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[0099] Der beste Theil des östreichischen Heeres war früher unzweifelhaft seine Reiterei, besonders als die 12 ungarischen Husarenregimenter noch den Stolz des Heeres ausmachten. Die Vorliebe, welche man in Oestreich noch für die Traditionen des Ritterthums hegt, machte anch die Reiterei, deren Kriegfüh¬ rung uuter alleu Waffengattungen am meisten an die Zeiten des Mittelalters erinnert, zum Liebling der regierenden Gewalten. Der Ueberfluß an guten Pferden für leichte wie schwere Reiterei, den Oestreich in seinen verschiedenen Provinzen besitzt, und die lauge Dienstzeit der Soldaten — früher 1-4 Jahre, jetzt 8 Jahre — beförderten die Bildung tüchtiger Reiterregimenter. So zählt die östreichische Armee 8 Cuirassierregimeuter (48 Escadrons), lauter Böhmen, Mährer und Jnneröstreicher; 6 Dragouerregimeuter, (36 Escadrons) Pole«, Böhmen, Mähren und Oestreicher; 7 Chevauxlegers-Regimenter (56 Escadrons) Polen, Böhmen, Mährer und 1 Regiment Italiener, 4 Uhlanenregimenter (32 Esca¬ drons), lauter Polen, die durchgängig allen Anforderungen, welche man an diese verschiedenen Gattungen einer tüchtigen Reiterei machen kann, entsprechen. Die 12 ungarischen Husarenregimeuter, die bis auf 2 aufgelöst wa ren, siud jetzt wie¬ der in Formation begriffen, werden aber schwerlich jemals wieder von zuverlässi¬ gem Nutzen für Oestreich sein. Die stets steigende Verbesserung der Schußwaffen sowohl der Infanterie wie Artillerie, die vermehrte Cultur in der Bebauung der Felder und Bewässerung der Wiesen, welche große weite Flächen, die sich zum Gebrauch der Reiterei eignen, überall sehr verminderte, und die Erschwerung des Transports grade der Reiterei aus der Eisenbahn, geben dieser Waffeugattuug gegenwärtig in Deutschland eine viel geringere Bedeutung, als sie früher hatte. Das zweifellose Uebergewicht der östreichischen Reiterei durfte daher bei einem Kriege mit Preußen oder Frankreich nicht viel besondere Vortheile gewähren. Man scheint dies in letzter Zeit in Oestreich anch einzusehen und hat nicht die Reiterei, wohl aber die leichte Jnfanterie sehr vermehrt. Da übrigens die Ari¬ stokratie den Dienst in der Reiterei vorzugsweise liebt und der Kaiserstaat in der nächsten Zeit dazu bestimmt zu sein scheint, von einigen Hundert vorneh¬ men Kavalieren bewacht zu werdeu, so wird die Cavalerie noch lange die vor¬ nehmste und begünstigte Waffe bleiben. Einen hohen und, wie ich glaube, sehr übertriebenen Ruf hat die östreichische Artillerie wegen ihrer Geschicklichkeit. Zwar wird von den Officieren der Artillerie ganz im Gegensatz zu den übrigen Waffengattungen, wo man Kenntnisse bei einem Officier für unnöthig, ja fast für schädlich hält, eine Menge von theoretischem Wissen gefordert; selbst die Mannschaft sitzt täglich stundenlang über ihren Lehr¬ bücher^, und nnr durch strenge pedantische Prüfungen kann das Vorrücken von einem Grade zum andern durchgesetzt werdeu. Aber dies viele Lernen bis zum Ueberdruß besteht größtentheils im todten, oft rein mechanischen Auswendiglernen pedantischer, selbst ganz nutzloser Formeln und Lehrsätze. Von einem freien,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/99>, abgerufen am 27.06.2024.