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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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unbärtiger Gesichter, die schwachen nnansgewachsenen Gestalten in denselben ans,
im Vergleich zu den früheren alten abgehärteten Soldaten.

Und doch, bei all diesen und andern Mängeln, hat das kaiserliche Heer auch
sehr eigenthümliche und sehr bedeutende Vorzüge. Zunächst die Ausdauer. Noch
ist ein großer Theil der östreichische Soldaten feldtüchtiger, als alle andern
deutschen, auch die preußischen Truppen. Sie sind abgehärteter, an Wind,
Wetter und schlechte Nahrung gewöhnt und im Ertragen anstrengender Märsche
oder beschwerlicher und unangenehmer Dienste geübt. Ein tüchtiges gallizisches,
höhnisches, steierisches, und wenn es will, vor Allein ein ungarisches Regiment,
leistet in diesem Dienst, der für den Soldaten im Kriege der wichtigste ist und
dnrch Begeisterung nur selten ersetzt werden kann, ganz unglaublich viel und wird
darin von keiner anderen Truppe in Europa übertroffen. Ueberhaupt besitzt
Oestreich in seinen slavischen Provinzen eine Pflanzstätte trefflicher Soldaten,
die bei tüchtiger Leitung einen furchtbaren Feind ausmachen. Fast alle Eigen¬
schaften, die ein Officier an seinen Leuten liebt, vereinigen dieselben in sich, und
wenn anch vielleicht Enthusiasmus für das Endziel eines Krieges ihnen nie¬
mals eingeflößt werden kann, so ersetzen sie dies durch Ausdauer und Zähigkeit,
sowohl im Kampfe selbst, wie in dem vielen langweiligen und abspannender
Ausharren und Abwarten, dem der Krieger im Felde ausgesetzt ist.

Einen anderen sehr großen Vortheil hat Oestreich bei der Bildung seines
Heeres darin, daß es die besonderen Eigenthümlichkeiten seiner sehr verschiedenen
Volksstämme vortrefflich für die besonderen Eigenthümlichkeiten der einzelnen
Waffengattungen benutzen kann. Die Gebirgssöhne Tyrols, von Jngend auf im
Gebrauch ihrer Stutzen geübt, liefern ein Regiment "Kaiser-Jäger" das seines
Gleichen in ganz Europa sucht. Aus den Galliziern, denen die Lanze eine
alte Natioualwaffe ist, formte man ^ treffliche Uhlanenregimenter (-- 32 Esca¬
drons); die stämmigen, zwar langsamen, aber festen Böhmen eignen sich gut zu
schweren Cuirassieren, die Söhne der Pnßten Ungarns, geborne Centauren, bil¬
deten 12 Hnsarenregimenter (96 Escadrons), die ihren Ruf als die beste leichte
Reiterei Europas uoch in den letzten blutigen Kämpfen gegen Oestreich bewährt
haben. Auch die Grenzregimenter sind von nicht geringer Wichtigkeit, sie liefern
gewandte, sehnige, abgehärtete und, wegen ihrer scharfen Natursinne und des
angeborenen schlauen, lauersamen Wesens im kleinen Vorpostenkriege, sehr brauch¬
bare Soldaten. Die Tschä'ikisten der Donau wurden Pontonniers, aus der
dalmatinischen Küste, die einen Staunn gewandter und verwegener Seeleute
erzeugt, nimmt man den größten Theil der Bemannung einer Flotte, der man,
durch traurige Erfahrungen belehrt, in jüngster Zeit vermehrte Aufmerksamkeit
zu scheuten beginnt. -- -- Alles dies hat das östreichische Heer bei einem Kriege
vor Deutschland und Preußen voraus, und diese Vorzüge würden schwer in die
Wagschale des Kampfes fallen.


unbärtiger Gesichter, die schwachen nnansgewachsenen Gestalten in denselben ans,
im Vergleich zu den früheren alten abgehärteten Soldaten.

Und doch, bei all diesen und andern Mängeln, hat das kaiserliche Heer auch
sehr eigenthümliche und sehr bedeutende Vorzüge. Zunächst die Ausdauer. Noch
ist ein großer Theil der östreichische Soldaten feldtüchtiger, als alle andern
deutschen, auch die preußischen Truppen. Sie sind abgehärteter, an Wind,
Wetter und schlechte Nahrung gewöhnt und im Ertragen anstrengender Märsche
oder beschwerlicher und unangenehmer Dienste geübt. Ein tüchtiges gallizisches,
höhnisches, steierisches, und wenn es will, vor Allein ein ungarisches Regiment,
leistet in diesem Dienst, der für den Soldaten im Kriege der wichtigste ist und
dnrch Begeisterung nur selten ersetzt werden kann, ganz unglaublich viel und wird
darin von keiner anderen Truppe in Europa übertroffen. Ueberhaupt besitzt
Oestreich in seinen slavischen Provinzen eine Pflanzstätte trefflicher Soldaten,
die bei tüchtiger Leitung einen furchtbaren Feind ausmachen. Fast alle Eigen¬
schaften, die ein Officier an seinen Leuten liebt, vereinigen dieselben in sich, und
wenn anch vielleicht Enthusiasmus für das Endziel eines Krieges ihnen nie¬
mals eingeflößt werden kann, so ersetzen sie dies durch Ausdauer und Zähigkeit,
sowohl im Kampfe selbst, wie in dem vielen langweiligen und abspannender
Ausharren und Abwarten, dem der Krieger im Felde ausgesetzt ist.

Einen anderen sehr großen Vortheil hat Oestreich bei der Bildung seines
Heeres darin, daß es die besonderen Eigenthümlichkeiten seiner sehr verschiedenen
Volksstämme vortrefflich für die besonderen Eigenthümlichkeiten der einzelnen
Waffengattungen benutzen kann. Die Gebirgssöhne Tyrols, von Jngend auf im
Gebrauch ihrer Stutzen geübt, liefern ein Regiment „Kaiser-Jäger" das seines
Gleichen in ganz Europa sucht. Aus den Galliziern, denen die Lanze eine
alte Natioualwaffe ist, formte man ^ treffliche Uhlanenregimenter (— 32 Esca¬
drons); die stämmigen, zwar langsamen, aber festen Böhmen eignen sich gut zu
schweren Cuirassieren, die Söhne der Pnßten Ungarns, geborne Centauren, bil¬
deten 12 Hnsarenregimenter (96 Escadrons), die ihren Ruf als die beste leichte
Reiterei Europas uoch in den letzten blutigen Kämpfen gegen Oestreich bewährt
haben. Auch die Grenzregimenter sind von nicht geringer Wichtigkeit, sie liefern
gewandte, sehnige, abgehärtete und, wegen ihrer scharfen Natursinne und des
angeborenen schlauen, lauersamen Wesens im kleinen Vorpostenkriege, sehr brauch¬
bare Soldaten. Die Tschä'ikisten der Donau wurden Pontonniers, aus der
dalmatinischen Küste, die einen Staunn gewandter und verwegener Seeleute
erzeugt, nimmt man den größten Theil der Bemannung einer Flotte, der man,
durch traurige Erfahrungen belehrt, in jüngster Zeit vermehrte Aufmerksamkeit
zu scheuten beginnt. — — Alles dies hat das östreichische Heer bei einem Kriege
vor Deutschland und Preußen voraus, und diese Vorzüge würden schwer in die
Wagschale des Kampfes fallen.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/98>, abgerufen am 24.07.2024.