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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Ueberdies hat dies bunte Dnrcheinanderwürfeln der Mannschaft in letzter
Zeit manche östreichische Regimenter gewaltig verschlechtert und den alten traditio¬
nellen Ruhm, der viel Kraft gab, in der Empfindung der Soldaten geschwächt.
Ein ungarisches, höhnisches, polnisches Regiment war früher grade deshalb aus¬
gezeichnet, weil es stolz auf seine Nationalität war und Alles darau setzte, seine
nationalen Vorzüge in glänzenden Thaten zu beweisen. Diese alte Grundlage der
Soldatenbravour ist zerschlage", seit dasselbe Nationalgefühl dem Kaiserhause
feindlich geworden ist und mit Argwohn betrachtet werden muß. Und in den
so zusammengewürfelten Regimentern kann sich kein neuer Corpsgeist, keine Liebe
zur Fahne bilden. Wo die Nebenmänner einander nur mit Mühe versteh" und
ebendeshalb einander hassen, verspotten und verachte", wird der Dienst für den
gemeinen Soldaten eine Qual. Die Geselligkeit im Großen und die erhebenden
Gefühle, welche durch solch allgemeine Kameradschaft, gemeinschaftlichen Gesang,
gleiche Sitten und Gewohnheiten bei einem Corps aufblühen, das monotone
Leben des Soldaten zu verschönern, fehlen bei solchen Regimentern; die Einzelnen
werden mißmüthig, händelsüchtig, störrig, die strengste Disciplin, so wie die beste
Gesundheitspflege vermag nicht bei solchen Abtheilungen häufige Excesse und
häufige Krankheiten zu verhindern. Im Felde werden sie eben so weniger
ertragen und weniger durchsetzen, als jedes andere Regiment, schon deshalb, weil
die verschiedenen Nationalitäten eine gleichmäßige Haltung der Truppe vor dem
Feinde sehr erschweren, und in diesem Fall nicht die Vorzüge, sondern die
Schwächen der verschiedenen Charaktere sich alle zusammen äußern werden.
Zum wenigsten mußten die einzelnen Bataillone von gleicher Nationalität sein.
-- So groß ist der Uebelstand, der durch dies Durcheinanderwerfen der Natio¬
nalitäten in einzelne Theile der kaiserlichen Armee gekommen ist, daß ich dafür
halte, die Armee ist grade jetzt in ihrer Gesammtheit schlechter und nicht besser,
als sie vor dem Jahre 1848 war, trotz den ungehenren Vorzügen, welche der
Sieg nach einem hartnäckigen und mühevollen Kriege jedem Heer zu geben pflegt.
Dazu kommt noch ein Uebelstand, dem die Regierung nicht abhelfen kann. Ein
Theil der alten gedienten Unterofficiere und Soldaten, die durch frühere Jahre
zu großer Dieusttüchtigkeit abgerichtet waren, ist in den Kriegen von Italien und
Ungarn geblieben Ungeheuer siud die Verluste, welche die östreichische Armee,
weniger auf dem Schlachtfelde, als durch Krankheiten, besonders tödtliche Fieber
in jenen Ländern erlitten hat, da aus Mangel an Geld die Verpflegungs- und
Hospitalseinrichtnngen sehr mäßig beschaffen gewesen sind. Man rechnet, daß
über 200,000 gediente östreichische Soldaten in den Jahren 1848 und 1849 ihr
Leben oder ihre Dieustfähigkeit eingebüßt haben, da ja auch die feindlichen ungari¬
schen und italienische" Truppen vielfach aus denselben bestanden. Wenn man jetzt
östreichische Regimenter, zumal die Infanterie, sieht, fallen die vielen jungen


Ueberdies hat dies bunte Dnrcheinanderwürfeln der Mannschaft in letzter
Zeit manche östreichische Regimenter gewaltig verschlechtert und den alten traditio¬
nellen Ruhm, der viel Kraft gab, in der Empfindung der Soldaten geschwächt.
Ein ungarisches, höhnisches, polnisches Regiment war früher grade deshalb aus¬
gezeichnet, weil es stolz auf seine Nationalität war und Alles darau setzte, seine
nationalen Vorzüge in glänzenden Thaten zu beweisen. Diese alte Grundlage der
Soldatenbravour ist zerschlage«, seit dasselbe Nationalgefühl dem Kaiserhause
feindlich geworden ist und mit Argwohn betrachtet werden muß. Und in den
so zusammengewürfelten Regimentern kann sich kein neuer Corpsgeist, keine Liebe
zur Fahne bilden. Wo die Nebenmänner einander nur mit Mühe versteh» und
ebendeshalb einander hassen, verspotten und verachte«, wird der Dienst für den
gemeinen Soldaten eine Qual. Die Geselligkeit im Großen und die erhebenden
Gefühle, welche durch solch allgemeine Kameradschaft, gemeinschaftlichen Gesang,
gleiche Sitten und Gewohnheiten bei einem Corps aufblühen, das monotone
Leben des Soldaten zu verschönern, fehlen bei solchen Regimentern; die Einzelnen
werden mißmüthig, händelsüchtig, störrig, die strengste Disciplin, so wie die beste
Gesundheitspflege vermag nicht bei solchen Abtheilungen häufige Excesse und
häufige Krankheiten zu verhindern. Im Felde werden sie eben so weniger
ertragen und weniger durchsetzen, als jedes andere Regiment, schon deshalb, weil
die verschiedenen Nationalitäten eine gleichmäßige Haltung der Truppe vor dem
Feinde sehr erschweren, und in diesem Fall nicht die Vorzüge, sondern die
Schwächen der verschiedenen Charaktere sich alle zusammen äußern werden.
Zum wenigsten mußten die einzelnen Bataillone von gleicher Nationalität sein.
— So groß ist der Uebelstand, der durch dies Durcheinanderwerfen der Natio¬
nalitäten in einzelne Theile der kaiserlichen Armee gekommen ist, daß ich dafür
halte, die Armee ist grade jetzt in ihrer Gesammtheit schlechter und nicht besser,
als sie vor dem Jahre 1848 war, trotz den ungehenren Vorzügen, welche der
Sieg nach einem hartnäckigen und mühevollen Kriege jedem Heer zu geben pflegt.
Dazu kommt noch ein Uebelstand, dem die Regierung nicht abhelfen kann. Ein
Theil der alten gedienten Unterofficiere und Soldaten, die durch frühere Jahre
zu großer Dieusttüchtigkeit abgerichtet waren, ist in den Kriegen von Italien und
Ungarn geblieben Ungeheuer siud die Verluste, welche die östreichische Armee,
weniger auf dem Schlachtfelde, als durch Krankheiten, besonders tödtliche Fieber
in jenen Ländern erlitten hat, da aus Mangel an Geld die Verpflegungs- und
Hospitalseinrichtnngen sehr mäßig beschaffen gewesen sind. Man rechnet, daß
über 200,000 gediente östreichische Soldaten in den Jahren 1848 und 1849 ihr
Leben oder ihre Dieustfähigkeit eingebüßt haben, da ja auch die feindlichen ungari¬
schen und italienische« Truppen vielfach aus denselben bestanden. Wenn man jetzt
östreichische Regimenter, zumal die Infanterie, sieht, fallen die vielen jungen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/97>, abgerufen am 24.07.2024.