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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Meine drei Leidensgenossen sind muthig gestorben; es waren Soldaten des
Kaisers. Die Jahre, die sie in der Armee gelebt, hatten ihnen den Stolz des
Soldaten gegeben, der sich nie untren wird: ihr heldeumüthiger Tod ist Zeuge davon.

Endlich am 23. .August sagte mir der Profos, er habe Befehl, mich zum
Commandanten der Festung zu bringen. Wir gingen über den Platz. Ich konnte
den blauen Himmel und die Bäume der Promenade nicht genug bewundern.
Der Commandant ging mit nachdenklicher Miene in seinem Zimmer auf und ab;
sein Gesicht war blaß und mager und sein Blick düster: "Das Kriegsglück hat
sich gegen uns gewendet," sagte er, "die Sache Ungarns ist verloren, Go'rgey's
Armee ist aufgelöst. Er hat die Waffen strecken müssen; hier ist ein Brief, den
mir ein Parlementair überbracht hat, in dem er mich auffordert, die Festung zu
übergeben, und mir befiehlt, Sie ans General Haynau's Verlangen frei zu lassen.
Sie siud frei, aber bleiben Sie in Ihrer Käsematte; meine Soldaten sind in
großer Aufregung und ich kauu für nichts steheu." Ich frug ihn, ob dem Ban
nichts zugestoßen sei, und ob seiue Armee seit Eude Mai eine Schlacht geliefert
habe; er lobte die Tapferkeit uuserer Anführer und uuserer Truppen, und sprach
von dem Gefecht bei Hagyes, wo die Ungarn gesiegt hatten, mit einer Bescheiden¬
heit, die mich in Erstaunen setzte; dann gab er mir mit affectirter Höflichkeit
meine Uhr, einen Siegelring und 600 Gulden zurück, die man mir abgenommen
hatte, als ich in Gefangenschaft gerieth. "Sie hatten einen sehr schönen Säbel,"
fuhr er fort, "ich bedauere, Ihnen denselben uicht wiedergeben zu können; Major
Bozo, dem ich ihn anvertraut hatte, ist jetzt in Komorn;") nehmen Sie anstatt
seiner diesen an." Und er gab mir einen seiner Säbel. Nach einem kurzen
Schweigen sagte er mit einem Seufzer: "Die Franzosen haben uns im Stich ge-
lassen, wir hatten auf sie gerechnet'" -- "Hatten Sie geheime Versprechungen
von ihnen?" frug ich ihn. -- "Nein," gab er zur Antwort; "aber war nicht die
revolutionäre Stellung, welche Frankreich Europa gegenüber eingenommen hatte,
für uns ein Versprechen, daß es uns unterstützen würde?" Alsdann sprach er
mit mir lange über die Gefechte von Jsaszcg und Tapio-Bicske: er wollte nicht
glauben, daß bei Tapio-Bicske die Brigade Nastich ganz allem das Gefecht un¬
terhalten hatte, er lobte die Tapferkeit der Ottochaner, die in dem Gefecht bei
Bicske den Wald vertheidigten; dann fing er nach einem Schweigen wieder an:
"Ich mache mich auf das Erschießen gefaßt," und blieb vor mir stehen, als er¬
warte er eine Autwort. Ich hätte mich rächen und den Theilnehmenden spielen
können, um ihn in dem Gedanken zu bestärken, daß er keine Gnade zu hoffen
habe. Aber ich war zu glücklich, um an Rache zu denken, und versicherte ihm,
daß ihm der Kaiser gewiß das Leben schenken werde. "Alles ist für nus ver-




*) Nach der Capitulation von Komorn hat mir Major Bozo diesen Säbel wiedergeschickt.
**) Ich habe mich darin nicht getäuscht; der Kaiser hat ihn begnadigt und ihm wenige

Meine drei Leidensgenossen sind muthig gestorben; es waren Soldaten des
Kaisers. Die Jahre, die sie in der Armee gelebt, hatten ihnen den Stolz des
Soldaten gegeben, der sich nie untren wird: ihr heldeumüthiger Tod ist Zeuge davon.

Endlich am 23. .August sagte mir der Profos, er habe Befehl, mich zum
Commandanten der Festung zu bringen. Wir gingen über den Platz. Ich konnte
den blauen Himmel und die Bäume der Promenade nicht genug bewundern.
Der Commandant ging mit nachdenklicher Miene in seinem Zimmer auf und ab;
sein Gesicht war blaß und mager und sein Blick düster: „Das Kriegsglück hat
sich gegen uns gewendet," sagte er, „die Sache Ungarns ist verloren, Go'rgey's
Armee ist aufgelöst. Er hat die Waffen strecken müssen; hier ist ein Brief, den
mir ein Parlementair überbracht hat, in dem er mich auffordert, die Festung zu
übergeben, und mir befiehlt, Sie ans General Haynau's Verlangen frei zu lassen.
Sie siud frei, aber bleiben Sie in Ihrer Käsematte; meine Soldaten sind in
großer Aufregung und ich kauu für nichts steheu." Ich frug ihn, ob dem Ban
nichts zugestoßen sei, und ob seiue Armee seit Eude Mai eine Schlacht geliefert
habe; er lobte die Tapferkeit uuserer Anführer und uuserer Truppen, und sprach
von dem Gefecht bei Hagyes, wo die Ungarn gesiegt hatten, mit einer Bescheiden¬
heit, die mich in Erstaunen setzte; dann gab er mir mit affectirter Höflichkeit
meine Uhr, einen Siegelring und 600 Gulden zurück, die man mir abgenommen
hatte, als ich in Gefangenschaft gerieth. „Sie hatten einen sehr schönen Säbel,"
fuhr er fort, „ich bedauere, Ihnen denselben uicht wiedergeben zu können; Major
Bozo, dem ich ihn anvertraut hatte, ist jetzt in Komorn;") nehmen Sie anstatt
seiner diesen an." Und er gab mir einen seiner Säbel. Nach einem kurzen
Schweigen sagte er mit einem Seufzer: „Die Franzosen haben uns im Stich ge-
lassen, wir hatten auf sie gerechnet'" — „Hatten Sie geheime Versprechungen
von ihnen?" frug ich ihn. — „Nein," gab er zur Antwort; „aber war nicht die
revolutionäre Stellung, welche Frankreich Europa gegenüber eingenommen hatte,
für uns ein Versprechen, daß es uns unterstützen würde?" Alsdann sprach er
mit mir lange über die Gefechte von Jsaszcg und Tapio-Bicske: er wollte nicht
glauben, daß bei Tapio-Bicske die Brigade Nastich ganz allem das Gefecht un¬
terhalten hatte, er lobte die Tapferkeit der Ottochaner, die in dem Gefecht bei
Bicske den Wald vertheidigten; dann fing er nach einem Schweigen wieder an:
„Ich mache mich auf das Erschießen gefaßt," und blieb vor mir stehen, als er¬
warte er eine Autwort. Ich hätte mich rächen und den Theilnehmenden spielen
können, um ihn in dem Gedanken zu bestärken, daß er keine Gnade zu hoffen
habe. Aber ich war zu glücklich, um an Rache zu denken, und versicherte ihm,
daß ihm der Kaiser gewiß das Leben schenken werde. „Alles ist für nus ver-




*) Nach der Capitulation von Komorn hat mir Major Bozo diesen Säbel wiedergeschickt.
**) Ich habe mich darin nicht getäuscht; der Kaiser hat ihn begnadigt und ihm wenige
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[0521] Meine drei Leidensgenossen sind muthig gestorben; es waren Soldaten des Kaisers. Die Jahre, die sie in der Armee gelebt, hatten ihnen den Stolz des Soldaten gegeben, der sich nie untren wird: ihr heldeumüthiger Tod ist Zeuge davon. Endlich am 23. .August sagte mir der Profos, er habe Befehl, mich zum Commandanten der Festung zu bringen. Wir gingen über den Platz. Ich konnte den blauen Himmel und die Bäume der Promenade nicht genug bewundern. Der Commandant ging mit nachdenklicher Miene in seinem Zimmer auf und ab; sein Gesicht war blaß und mager und sein Blick düster: „Das Kriegsglück hat sich gegen uns gewendet," sagte er, „die Sache Ungarns ist verloren, Go'rgey's Armee ist aufgelöst. Er hat die Waffen strecken müssen; hier ist ein Brief, den mir ein Parlementair überbracht hat, in dem er mich auffordert, die Festung zu übergeben, und mir befiehlt, Sie ans General Haynau's Verlangen frei zu lassen. Sie siud frei, aber bleiben Sie in Ihrer Käsematte; meine Soldaten sind in großer Aufregung und ich kauu für nichts steheu." Ich frug ihn, ob dem Ban nichts zugestoßen sei, und ob seiue Armee seit Eude Mai eine Schlacht geliefert habe; er lobte die Tapferkeit uuserer Anführer und uuserer Truppen, und sprach von dem Gefecht bei Hagyes, wo die Ungarn gesiegt hatten, mit einer Bescheiden¬ heit, die mich in Erstaunen setzte; dann gab er mir mit affectirter Höflichkeit meine Uhr, einen Siegelring und 600 Gulden zurück, die man mir abgenommen hatte, als ich in Gefangenschaft gerieth. „Sie hatten einen sehr schönen Säbel," fuhr er fort, „ich bedauere, Ihnen denselben uicht wiedergeben zu können; Major Bozo, dem ich ihn anvertraut hatte, ist jetzt in Komorn;") nehmen Sie anstatt seiner diesen an." Und er gab mir einen seiner Säbel. Nach einem kurzen Schweigen sagte er mit einem Seufzer: „Die Franzosen haben uns im Stich ge- lassen, wir hatten auf sie gerechnet'" — „Hatten Sie geheime Versprechungen von ihnen?" frug ich ihn. — „Nein," gab er zur Antwort; „aber war nicht die revolutionäre Stellung, welche Frankreich Europa gegenüber eingenommen hatte, für uns ein Versprechen, daß es uns unterstützen würde?" Alsdann sprach er mit mir lange über die Gefechte von Jsaszcg und Tapio-Bicske: er wollte nicht glauben, daß bei Tapio-Bicske die Brigade Nastich ganz allem das Gefecht un¬ terhalten hatte, er lobte die Tapferkeit der Ottochaner, die in dem Gefecht bei Bicske den Wald vertheidigten; dann fing er nach einem Schweigen wieder an: „Ich mache mich auf das Erschießen gefaßt," und blieb vor mir stehen, als er¬ warte er eine Autwort. Ich hätte mich rächen und den Theilnehmenden spielen können, um ihn in dem Gedanken zu bestärken, daß er keine Gnade zu hoffen habe. Aber ich war zu glücklich, um an Rache zu denken, und versicherte ihm, daß ihm der Kaiser gewiß das Leben schenken werde. „Alles ist für nus ver- *) Nach der Capitulation von Komorn hat mir Major Bozo diesen Säbel wiedergeschickt. **) Ich habe mich darin nicht getäuscht; der Kaiser hat ihn begnadigt und ihm wenige

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/521>, abgerufen am 04.07.2024.