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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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mußten sich auf das Aeußerste schlagen, denn Gefangenschaft war für sie der Tod.
Wir mußten an den Obersten Mannla schreiben, um mit ihm den Angriffsplan
zu besprechen und ihm alle Einzelheiten mitzutheilen. Gerberich hatte sich gegen
Krame selbst angeboten, dem Obersten die nöthigen Briefschaften zu überbringen;
er war der Einzige, der die gefährliche Sendung übernehmen konnte. Früher,
wo die Ungarn ihre Vorposten noch nicht verdoppelt hatten, war es Braunstein
und Kraue gelungen, sich durch die Linien zu schleichen und ihre Wachsamkeit zu
täuschen; das ging jetzt uicht mehr. Gerberich dagegen konnte vorgeben, Geschäfte
zwischen der Festung und der inneren Linie der Vorposten zu haben, konnte zu
diesem Zweck einen Paß erlangen und sich dann durch die Vorposten in das
Freie schleichen. Er wagte dabei sein Leben, aber er war bereit dazu.

Als wir Alles besprochen hatten, sagte ich ihnen noch, um mir keine Vor¬
würfe machen zu müssen, daß, im Falle des Mißlingens oder der Entdeckung
unseres Planes uns Nichts retten könne, und wir unfehlbar erschossen werden
würden. Ich beobachtete sie dabei sorgfältig. Braunstein antwortete mir voll
Ruhe: "Kapitain, wir fürchten den Tod nicht; hier erschossen oder von den
Kartätschen ans dem Schlachtfelde getroffen zu werden, wie unsere Kameraden in
der Armee, ist uns gleich, es ist ein Soldatentod; ich will dem Kaiser dienen,
wie ich es geschworen habe, und als braver Kriegsmann, wenn es sein muß,
für den Kaiser sterben, so wahr mir Gott helfe," sagte er voll Energie, und
erhob zum Schwur die Hand. Alle drei waren verheirathet und hatten mehrere
Kinder. Um ihre Sündhaftigkeit noch ans die letzte Probe zu stellen, sagte ich
weiter: "Nun, wenn es gelingt, habe ich Alles zu gewinnen, denn der Kaiser
gibt mir das Theresteukreuz; und ich will lieber Alles wagen, als hier langsam
in dieser Käsematte verfaulen; aber Euch steht keine andere Belohnung in Aus¬
sicht, als eine Tapferkeitsmedaille oder Officiersrang. Wenn wir erschossen werden,
was soll ans Euren Weibern und Euren Kindern werden?" -- "Der Kaiser
wird für sie sorgen," gab Kußmaneck zur Autwort. Ich drückte ihnen jetzt die
Hände, sagte ihnen Lebewohl und Kußmaneck führte mich wieder in meine Käsematte.

Den ganzen Rest des Tages brachte ich damit zu, an Oberst Mannla auf
einen Streifen dünnen Papiers zu schreiben; zusammengerollt war dieses Papier
nicht dicker, als der kleine Finger, und blos drei Zoll lang. Ich übergab es
Kußmaneck, der es Gerberich zustecken und ihm empfehlen sollte, es ja nicht in
den Stiefeln oder in den Kleidern zu verstecken, sondern es in der Hand zu
behalten, damit er es verschlingen konnte, wenn sie ihn festnahmen; aber Braun¬
stein erfuhr erst noch am Abend, daß in den die Wachen beziehenden Truppen
einige Veränderungen vorgenommen waren, und wollte anch das noch dem Oberst
Mannla schreibe". Er schrieb sehr groß, vergaß, dünnes Papier zu nehmen,
und ließ trotz meiner Ermahnungen Gerberich die beiden Briefe zwischen das
Tuch und das Futter seines Rockes unter der Achsel einnahm.


mußten sich auf das Aeußerste schlagen, denn Gefangenschaft war für sie der Tod.
Wir mußten an den Obersten Mannla schreiben, um mit ihm den Angriffsplan
zu besprechen und ihm alle Einzelheiten mitzutheilen. Gerberich hatte sich gegen
Krame selbst angeboten, dem Obersten die nöthigen Briefschaften zu überbringen;
er war der Einzige, der die gefährliche Sendung übernehmen konnte. Früher,
wo die Ungarn ihre Vorposten noch nicht verdoppelt hatten, war es Braunstein
und Kraue gelungen, sich durch die Linien zu schleichen und ihre Wachsamkeit zu
täuschen; das ging jetzt uicht mehr. Gerberich dagegen konnte vorgeben, Geschäfte
zwischen der Festung und der inneren Linie der Vorposten zu haben, konnte zu
diesem Zweck einen Paß erlangen und sich dann durch die Vorposten in das
Freie schleichen. Er wagte dabei sein Leben, aber er war bereit dazu.

Als wir Alles besprochen hatten, sagte ich ihnen noch, um mir keine Vor¬
würfe machen zu müssen, daß, im Falle des Mißlingens oder der Entdeckung
unseres Planes uns Nichts retten könne, und wir unfehlbar erschossen werden
würden. Ich beobachtete sie dabei sorgfältig. Braunstein antwortete mir voll
Ruhe: „Kapitain, wir fürchten den Tod nicht; hier erschossen oder von den
Kartätschen ans dem Schlachtfelde getroffen zu werden, wie unsere Kameraden in
der Armee, ist uns gleich, es ist ein Soldatentod; ich will dem Kaiser dienen,
wie ich es geschworen habe, und als braver Kriegsmann, wenn es sein muß,
für den Kaiser sterben, so wahr mir Gott helfe," sagte er voll Energie, und
erhob zum Schwur die Hand. Alle drei waren verheirathet und hatten mehrere
Kinder. Um ihre Sündhaftigkeit noch ans die letzte Probe zu stellen, sagte ich
weiter: „Nun, wenn es gelingt, habe ich Alles zu gewinnen, denn der Kaiser
gibt mir das Theresteukreuz; und ich will lieber Alles wagen, als hier langsam
in dieser Käsematte verfaulen; aber Euch steht keine andere Belohnung in Aus¬
sicht, als eine Tapferkeitsmedaille oder Officiersrang. Wenn wir erschossen werden,
was soll ans Euren Weibern und Euren Kindern werden?" — „Der Kaiser
wird für sie sorgen," gab Kußmaneck zur Autwort. Ich drückte ihnen jetzt die
Hände, sagte ihnen Lebewohl und Kußmaneck führte mich wieder in meine Käsematte.

Den ganzen Rest des Tages brachte ich damit zu, an Oberst Mannla auf
einen Streifen dünnen Papiers zu schreiben; zusammengerollt war dieses Papier
nicht dicker, als der kleine Finger, und blos drei Zoll lang. Ich übergab es
Kußmaneck, der es Gerberich zustecken und ihm empfehlen sollte, es ja nicht in
den Stiefeln oder in den Kleidern zu verstecken, sondern es in der Hand zu
behalten, damit er es verschlingen konnte, wenn sie ihn festnahmen; aber Braun¬
stein erfuhr erst noch am Abend, daß in den die Wachen beziehenden Truppen
einige Veränderungen vorgenommen waren, und wollte anch das noch dem Oberst
Mannla schreibe«. Er schrieb sehr groß, vergaß, dünnes Papier zu nehmen,
und ließ trotz meiner Ermahnungen Gerberich die beiden Briefe zwischen das
Tuch und das Futter seines Rockes unter der Achsel einnahm.


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/474>, abgerufen am 28.06.2024.