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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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mir meinen Plan reiflich zu überlegen. Der Profos sing wieder an, vom Kaiser
zu sprechen und von seiner Hingebung für die kaiserliche Sache (er war ein Sla-
wone aus Essegg), aber ich war auf der Hut, denn ich war überzeugt, er sollte
blos diese Rolle spielen, um mein Vertrauen zu gewinnen, um unsere Pläne und
die Stärke der Truppen von mir zu erfahren. Mein Argwohn wurde noch drin¬
gender, als er am andern Tage mir mit einer Aufregung, die ihm Thränen in
die Augen brachte, sagte: "Capitain, mir liegt es schwer auf dem Herzen und
ich kauu diese ungarische Tyrannei nicht länger ertragen; hat denn der Kaiser
gar keine Macht mehr? wann werden wir von dieser Tyrannei befreit werden?
ach, Kapitain, wenn es doch bald wäre!" -- "Nur Geduld, Knßmaueck (so hieß
der Profos), nur Geduld, es wird schon werden", sagte ich ihm lachend, und
sah ihn mit einem spöttischen Blick an, um ihm zu zeigen, daß ich mich von sei¬
nen schönen Worten und Mittheilungen nicht täuschen ließ. -- "Wann werden wir
befreit werden", fuhr er fort, ohne außer Fassung zu kommen, "hat der Ban eine
zahlreiche Armee?" Diese letzte Frage bestätigte meinen Verdacht noch mehr.

Am 2-4. aber sagte mir Kußmaneck, nachdem er lange Zeit schweigend neben
mir Hingegaugen war: "Wir sind hier Mehrere, die dem Kaiser trengeblieben
siud; wir sind nur gezwungen hier." Dann blieb er stehen, und sah mich zö¬
gernd an, als ob er mir etwas zu vertrauen habe und mir uicht recht traue. Der
Ausdruck seines Gesichts war so wahr, daß ich Vertrauen fassen mußte, und ich
antwortete uicht mehr mit einem zweifelnden Lächeln. "Zwei Unterofficiere vom
Genie", fuhr er fort, "ein junger Kroate Gerberich, der Besitzer der Schiffs¬
brücke und ich, sind zu Allem bereit, um die Festung wieder in die Gewalt des
Kaisers zu bringen." Der Profos zögerte wieder einen Augenblick. "Und um
Ihnen Alles zu sagen, Kapitain," fuhr er endlich fort, "wir haben Mittel, dem
Obersten Mannla zu schreiben; wir können sogar zu ihm gehen, indem wir uns
Nachts in einem Kahne am Ufer der Donau hinschleichen; ans diese Weise hat
der Genie-Unterofficier Braunstein mit dem Obersten Signale verabredet, um
ihm zu melden, wenn die Ungarn einen Angriff vorbereiten. Aus eiuer der
Schanzen der Umfassungslinien sieht man das Haus Braunstein's. Wenn die
Ungarn deu Obersten angreifen wollen, setzt der Unterofficier des Nachts ein-
Licht in das Fenster, und des Tages hängt er zum Feuster einen schwarzen Man¬
tel hinaus. Kapitain," fuhr Kußmaneck fort, "Sie sind unser Officier und sollen
uns anführen; man muß Alles wagen, der Augenblick ist günstig. Nachts blei¬
ben nur 1500 Manu in der Festung, die Uebrigen campiren im Brückenkopf von
Neusatz, und um die Schiffsbrücke wieder herzustellen, braucht man mehr als
zwei Stunden." . Ich empfahl ihm, sich genau über die Anzahl der in der Fe¬
stung zurückbleibenden Truppen und die Stärke der die Thore bewachenden Posten
zu unterrichten, sich zu erkundigen, an welchen Tagen die Honveds die Wache be-


mir meinen Plan reiflich zu überlegen. Der Profos sing wieder an, vom Kaiser
zu sprechen und von seiner Hingebung für die kaiserliche Sache (er war ein Sla-
wone aus Essegg), aber ich war auf der Hut, denn ich war überzeugt, er sollte
blos diese Rolle spielen, um mein Vertrauen zu gewinnen, um unsere Pläne und
die Stärke der Truppen von mir zu erfahren. Mein Argwohn wurde noch drin¬
gender, als er am andern Tage mir mit einer Aufregung, die ihm Thränen in
die Augen brachte, sagte: „Capitain, mir liegt es schwer auf dem Herzen und
ich kauu diese ungarische Tyrannei nicht länger ertragen; hat denn der Kaiser
gar keine Macht mehr? wann werden wir von dieser Tyrannei befreit werden?
ach, Kapitain, wenn es doch bald wäre!" — „Nur Geduld, Knßmaueck (so hieß
der Profos), nur Geduld, es wird schon werden", sagte ich ihm lachend, und
sah ihn mit einem spöttischen Blick an, um ihm zu zeigen, daß ich mich von sei¬
nen schönen Worten und Mittheilungen nicht täuschen ließ. — „Wann werden wir
befreit werden", fuhr er fort, ohne außer Fassung zu kommen, „hat der Ban eine
zahlreiche Armee?" Diese letzte Frage bestätigte meinen Verdacht noch mehr.

Am 2-4. aber sagte mir Kußmaneck, nachdem er lange Zeit schweigend neben
mir Hingegaugen war: „Wir sind hier Mehrere, die dem Kaiser trengeblieben
siud; wir sind nur gezwungen hier." Dann blieb er stehen, und sah mich zö¬
gernd an, als ob er mir etwas zu vertrauen habe und mir uicht recht traue. Der
Ausdruck seines Gesichts war so wahr, daß ich Vertrauen fassen mußte, und ich
antwortete uicht mehr mit einem zweifelnden Lächeln. „Zwei Unterofficiere vom
Genie", fuhr er fort, „ein junger Kroate Gerberich, der Besitzer der Schiffs¬
brücke und ich, sind zu Allem bereit, um die Festung wieder in die Gewalt des
Kaisers zu bringen." Der Profos zögerte wieder einen Augenblick. „Und um
Ihnen Alles zu sagen, Kapitain," fuhr er endlich fort, „wir haben Mittel, dem
Obersten Mannla zu schreiben; wir können sogar zu ihm gehen, indem wir uns
Nachts in einem Kahne am Ufer der Donau hinschleichen; ans diese Weise hat
der Genie-Unterofficier Braunstein mit dem Obersten Signale verabredet, um
ihm zu melden, wenn die Ungarn einen Angriff vorbereiten. Aus eiuer der
Schanzen der Umfassungslinien sieht man das Haus Braunstein's. Wenn die
Ungarn deu Obersten angreifen wollen, setzt der Unterofficier des Nachts ein-
Licht in das Fenster, und des Tages hängt er zum Feuster einen schwarzen Man¬
tel hinaus. Kapitain," fuhr Kußmaneck fort, „Sie sind unser Officier und sollen
uns anführen; man muß Alles wagen, der Augenblick ist günstig. Nachts blei¬
ben nur 1500 Manu in der Festung, die Uebrigen campiren im Brückenkopf von
Neusatz, und um die Schiffsbrücke wieder herzustellen, braucht man mehr als
zwei Stunden." . Ich empfahl ihm, sich genau über die Anzahl der in der Fe¬
stung zurückbleibenden Truppen und die Stärke der die Thore bewachenden Posten
zu unterrichten, sich zu erkundigen, an welchen Tagen die Honveds die Wache be-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/472>, abgerufen am 28.06.2024.