Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.Vierauszug in Hamburg bei A. Cranz erschienen ist. Hierauf folgte eine dreiactige Wer kann leugnen, daß die Klagen des verehrten Componisten über die Behand¬ Vierauszug in Hamburg bei A. Cranz erschienen ist. Hierauf folgte eine dreiactige Wer kann leugnen, daß die Klagen des verehrten Componisten über die Behand¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0448" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92186"/> <p xml:id="ID_1361" prev="#ID_1360"> Vierauszug in Hamburg bei A. Cranz erschienen ist. Hierauf folgte eine dreiactige<lb/> Oper: Saidar, von Hornbostel, darauf erst Heinrich IV. von demselben Dichter,<lb/> welche Oper Weber in Dresden zur Aufführung brachte. Dieser folgte: Lucretia (die<lb/> römische) von Ekschlager. Hierauf schrieb ich im Auftrag der Intendanz zu Dresden :<lb/> Prinz v. Homburg, d. h. Ouvertüre und Zwischenacte. Hierauf 1823: Ali Baba,<lb/> von Th. Hell in Dresden; 1824: Schön Ella, von Fr. Kind; 1825; Der Holzdieb,<lb/> von Fr. Kind; 1825: Die Musik zu Darms und Alexander, von Uechtritz; 1827:<lb/> Vampyr (in Leipzig); 1828 — 29: Templer (in Leipzig); 1830: Falkner's Braut (in<lb/> Leipzig) für das Königstädter Theater in Berlin und für Spitzeder. Die Aufführung<lb/> dieser Oper wurde durch das Königl. Hoftheater in Berlin behindert, welches vorgab,<lb/> dies Werk stehe bereits auf seinem Repertoir, obwohl die Juteudanz von der Existenz<lb/> desselben erst durch das von der Verwaltung des Köuigft. Theaters eingereichte Reper¬<lb/> toir Kenntniß erhielt. Dadurch wurde es Letzterer unmöglich, ihre gegen mich einge¬<lb/> gangenen Verpflichtungen zu erfüllen und durch Spitzeder's Mitwirkung der Oper<lb/> bedeutendere Wirksamkeit und Verbreitung zu sichern. Kurz, das Königstädter Theater<lb/> durfte diese Oper gar nicht geben und das Königliche ließ mich auf seine — mir Ersatz<lb/> gewähren sollende — Aufführung und Bezahlung der Oper von 1830 bis — 1838<lb/> warten. Dafür gab sie aber auch die Oper so vortrefflich, daß bei der Aufführung<lb/> derselben einer der Sänger (buchstäblich wahr!) seinen Singpart in der Hand ab¬<lb/> haspeln mußte. In Prag legten sie, statt meiner Musik, zwei Spohr'sche und eine ita¬<lb/> lienische Piece ein. Darauf klagte die dortige Kritik, ohne die bekannten Eindringlinge<lb/> zu kennen oder zu nennen, über zu viele und auffallende Reminiscenzen! — In —<lb/> ließ ein großer, bedeutender Componist und Kapellmeister im Helling nach der ersten<lb/> Aufführung regelmäßig die mit großem Beifall aufgenommene Ouvertüre, als den Zu¬<lb/> sammenhang störend, hinweg. In Hamburg wurde bei der ersten Aufführung bei zwei<lb/> größern Musikstücken mitten drin abgebrochen, weil der Sänger keine Note davon wußte<lb/> und abgehen mußte. Darauf ward in den den Sängern freundlichen Journalen gesagt: Die<lb/> Musik sei zu unfaßlich geschrieben, als daß sie irgend ein Mensch auswendig lernen könne.<lb/> Rechnen Sie zu solcher Misvre noch die patriotische Unlust der Theaterdircctionen, Honorare<lb/> zu bezahlen, und die Faulheit und Ungeschicklichkeit der Mehrheit deutscher Sänger,<lb/> welche es vorzieht lieber leichte, geistlose Musik zu memoriren, als sich irgend einer Idee<lb/> zu fügen oder gar sich ihr gänzlich zu unterwerfen, so werden Sie die Unlust, selbst<lb/> eines eifrigen und enthusiastischen Componisten, noch fernerhin Wasser in's Meer zu<lb/> schütten und auch mein längeres Schweigen nicht mißverstehen, und nicht glauben, Zweifel<lb/> an der eigenen Schöpfungskraft sei Ursache davon."</p><lb/> <p xml:id="ID_1362" next="#ID_1363"> Wer kann leugnen, daß die Klagen des verehrten Componisten über die Behand¬<lb/> lung von Kunstwerken durch die meisten deutschen Theater gerecht sind! Schon vor dem<lb/> Jahr 1848 war die überwiegende Mehrzahl der größern deutschen Bühnen in einem<lb/> Zustand traurigen Verfalls, die letzten drei Jahre haben ihnen ein so hinfälliges und<lb/> greisenhaftes Ansehn gegeben, daß es zum Erbarmen ist. Aber eben deshalb hilft es<lb/> nicht mehr über sie zu klagen, sie sind durch Worte nicht zu bessern, nur durch Thaten.<lb/> Der deutsche Componist und Dichter, welcher die Kraft hat etwas Tüchtiges zu schaffe»,<lb/> kann sehr wesentlich dazu beitragen, unsere Bühnen zu regeneriren, wenn er die Di¬<lb/> rektionen zwingt, ihm zu Gefallen zu handeln. Das kann er dann, wenn er versteht<lb/> der Kunst mit Adel zu dienen und doch zugleich die große Menge an sein Talent zu</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0448]
Vierauszug in Hamburg bei A. Cranz erschienen ist. Hierauf folgte eine dreiactige
Oper: Saidar, von Hornbostel, darauf erst Heinrich IV. von demselben Dichter,
welche Oper Weber in Dresden zur Aufführung brachte. Dieser folgte: Lucretia (die
römische) von Ekschlager. Hierauf schrieb ich im Auftrag der Intendanz zu Dresden :
Prinz v. Homburg, d. h. Ouvertüre und Zwischenacte. Hierauf 1823: Ali Baba,
von Th. Hell in Dresden; 1824: Schön Ella, von Fr. Kind; 1825; Der Holzdieb,
von Fr. Kind; 1825: Die Musik zu Darms und Alexander, von Uechtritz; 1827:
Vampyr (in Leipzig); 1828 — 29: Templer (in Leipzig); 1830: Falkner's Braut (in
Leipzig) für das Königstädter Theater in Berlin und für Spitzeder. Die Aufführung
dieser Oper wurde durch das Königl. Hoftheater in Berlin behindert, welches vorgab,
dies Werk stehe bereits auf seinem Repertoir, obwohl die Juteudanz von der Existenz
desselben erst durch das von der Verwaltung des Köuigft. Theaters eingereichte Reper¬
toir Kenntniß erhielt. Dadurch wurde es Letzterer unmöglich, ihre gegen mich einge¬
gangenen Verpflichtungen zu erfüllen und durch Spitzeder's Mitwirkung der Oper
bedeutendere Wirksamkeit und Verbreitung zu sichern. Kurz, das Königstädter Theater
durfte diese Oper gar nicht geben und das Königliche ließ mich auf seine — mir Ersatz
gewähren sollende — Aufführung und Bezahlung der Oper von 1830 bis — 1838
warten. Dafür gab sie aber auch die Oper so vortrefflich, daß bei der Aufführung
derselben einer der Sänger (buchstäblich wahr!) seinen Singpart in der Hand ab¬
haspeln mußte. In Prag legten sie, statt meiner Musik, zwei Spohr'sche und eine ita¬
lienische Piece ein. Darauf klagte die dortige Kritik, ohne die bekannten Eindringlinge
zu kennen oder zu nennen, über zu viele und auffallende Reminiscenzen! — In —
ließ ein großer, bedeutender Componist und Kapellmeister im Helling nach der ersten
Aufführung regelmäßig die mit großem Beifall aufgenommene Ouvertüre, als den Zu¬
sammenhang störend, hinweg. In Hamburg wurde bei der ersten Aufführung bei zwei
größern Musikstücken mitten drin abgebrochen, weil der Sänger keine Note davon wußte
und abgehen mußte. Darauf ward in den den Sängern freundlichen Journalen gesagt: Die
Musik sei zu unfaßlich geschrieben, als daß sie irgend ein Mensch auswendig lernen könne.
Rechnen Sie zu solcher Misvre noch die patriotische Unlust der Theaterdircctionen, Honorare
zu bezahlen, und die Faulheit und Ungeschicklichkeit der Mehrheit deutscher Sänger,
welche es vorzieht lieber leichte, geistlose Musik zu memoriren, als sich irgend einer Idee
zu fügen oder gar sich ihr gänzlich zu unterwerfen, so werden Sie die Unlust, selbst
eines eifrigen und enthusiastischen Componisten, noch fernerhin Wasser in's Meer zu
schütten und auch mein längeres Schweigen nicht mißverstehen, und nicht glauben, Zweifel
an der eigenen Schöpfungskraft sei Ursache davon."
Wer kann leugnen, daß die Klagen des verehrten Componisten über die Behand¬
lung von Kunstwerken durch die meisten deutschen Theater gerecht sind! Schon vor dem
Jahr 1848 war die überwiegende Mehrzahl der größern deutschen Bühnen in einem
Zustand traurigen Verfalls, die letzten drei Jahre haben ihnen ein so hinfälliges und
greisenhaftes Ansehn gegeben, daß es zum Erbarmen ist. Aber eben deshalb hilft es
nicht mehr über sie zu klagen, sie sind durch Worte nicht zu bessern, nur durch Thaten.
Der deutsche Componist und Dichter, welcher die Kraft hat etwas Tüchtiges zu schaffe»,
kann sehr wesentlich dazu beitragen, unsere Bühnen zu regeneriren, wenn er die Di¬
rektionen zwingt, ihm zu Gefallen zu handeln. Das kann er dann, wenn er versteht
der Kunst mit Adel zu dienen und doch zugleich die große Menge an sein Talent zu
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