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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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freiwillig nehme ich Sie aber nicht mit, denn es würde sich nicht schicken, daß
Sie als Officier thäten, was ich als Unterofficier beföhle. Meinen Befehlen muß
aber aufs Wort parirt werden, sonst kann ich keine Verantwortung übernehmen."

Mehrere der höheren Offtciere interessirten sich lebhaft für ihn, und hörten
mit innigem Interesse auf die Pläne, welche der tapfere Abenteurer zur Bezwingung
der ganzen dänischen Armee auszudenken nicht aufhörte. So behauptete er unter
Anderem, es sei möglich, mit dem Heer bei Nacht die dänische Linie zu durch¬
schleichen und deu Dänen in den Rücken zu kommen. Ich hilf überzeugt, daß
er selbst sehr ernsthaft von dieser Möglichkeit überzeugt war und die Sache ver¬
sucht hatte, und daß alle seine detaillirten Terrainangaben vollkommen richtig
waren. Daß aus der Sache nichts wurde, mochte wohl nur an einer Kleinigkeit
liegen, etwa daran, daß er verlangte, das Heer solle auf einer kurzen gefährlichen
Stelle, etwa 2W Schritt lang, auf dem Bauche durch einen-Torfgraben kriechen,
was ihm selbst gewiß vortrefflich gelungen war.' Glücklicherweise war sein Haupt-
mann ein praktischer, erfahrerer Officier, der sehr wohl den wohlthätigen Ein-
fluß erkannte, welchen eine solche Persönlichkeit ans den Geist der Truppe aus¬
übte, aber im Grund seiner Seele von den Phantasiestreichen des S ... . .
nicht gar zu viel hielt. Dafür wurde er von dem Sergeanten aber auch sehr
geachtet, und dieser verfehlte nicht, bei passenden Gelegenheiten seinen Haupt-
mann zu loben: "Der versteht's! "

Der Sergeant endete, wie sich erwarten ließ. Durch seine zahlreichen Er¬
folge und das Ansehn, welches sie ihm gaben, wurde seine Verwegenheit so ge¬
steigert, daß er endlich in die Grube fiel, die er so oft den Dänen gegraben
hatte. Er wurde überlistet. Die dänischen Husaren waren wüthend über die
vielen Neckereien und Beschädigungen, die er ihnen zugefügt hatte, und darüber,
daß er allein sie so oft bei Nacht vom Lager in die Sättel gezwungen hatte, und
schworen ihm deßhalb Verderben. Ein einzeln stehendes Haus zwischen beiden
Vorpostenlinien war eine Art von neutralem Boden geworden, wo die Patrouillen
von beiden Heeren sich niederließen, wo Bestellungen an einzelne Feinde abge¬
geben wurden, wohl auch Bekannte ans den feindlichen Reihen einander Rendez¬
vous gaben. Dort wurde der Sergeant von dänischen Husaren überfallen und
nach tapferer Gegenwehr schwerverwnndet gefangen. "

Es hieß, er sei in Kopenhagen an seinen Wunden gestorben, doch wurde
dem Gerücht widersprochen. Man kann das Vertrauen zu der Soldaten-Ehre
der Dänen haben, daß sie den gefangenen Tapfern nicht unbarmherzig und rach¬
süchtig behandelt haben.'




freiwillig nehme ich Sie aber nicht mit, denn es würde sich nicht schicken, daß
Sie als Officier thäten, was ich als Unterofficier beföhle. Meinen Befehlen muß
aber aufs Wort parirt werden, sonst kann ich keine Verantwortung übernehmen."

Mehrere der höheren Offtciere interessirten sich lebhaft für ihn, und hörten
mit innigem Interesse auf die Pläne, welche der tapfere Abenteurer zur Bezwingung
der ganzen dänischen Armee auszudenken nicht aufhörte. So behauptete er unter
Anderem, es sei möglich, mit dem Heer bei Nacht die dänische Linie zu durch¬
schleichen und deu Dänen in den Rücken zu kommen. Ich hilf überzeugt, daß
er selbst sehr ernsthaft von dieser Möglichkeit überzeugt war und die Sache ver¬
sucht hatte, und daß alle seine detaillirten Terrainangaben vollkommen richtig
waren. Daß aus der Sache nichts wurde, mochte wohl nur an einer Kleinigkeit
liegen, etwa daran, daß er verlangte, das Heer solle auf einer kurzen gefährlichen
Stelle, etwa 2W Schritt lang, auf dem Bauche durch einen-Torfgraben kriechen,
was ihm selbst gewiß vortrefflich gelungen war.' Glücklicherweise war sein Haupt-
mann ein praktischer, erfahrerer Officier, der sehr wohl den wohlthätigen Ein-
fluß erkannte, welchen eine solche Persönlichkeit ans den Geist der Truppe aus¬
übte, aber im Grund seiner Seele von den Phantasiestreichen des S ... . .
nicht gar zu viel hielt. Dafür wurde er von dem Sergeanten aber auch sehr
geachtet, und dieser verfehlte nicht, bei passenden Gelegenheiten seinen Haupt-
mann zu loben: „Der versteht's! "

Der Sergeant endete, wie sich erwarten ließ. Durch seine zahlreichen Er¬
folge und das Ansehn, welches sie ihm gaben, wurde seine Verwegenheit so ge¬
steigert, daß er endlich in die Grube fiel, die er so oft den Dänen gegraben
hatte. Er wurde überlistet. Die dänischen Husaren waren wüthend über die
vielen Neckereien und Beschädigungen, die er ihnen zugefügt hatte, und darüber,
daß er allein sie so oft bei Nacht vom Lager in die Sättel gezwungen hatte, und
schworen ihm deßhalb Verderben. Ein einzeln stehendes Haus zwischen beiden
Vorpostenlinien war eine Art von neutralem Boden geworden, wo die Patrouillen
von beiden Heeren sich niederließen, wo Bestellungen an einzelne Feinde abge¬
geben wurden, wohl auch Bekannte ans den feindlichen Reihen einander Rendez¬
vous gaben. Dort wurde der Sergeant von dänischen Husaren überfallen und
nach tapferer Gegenwehr schwerverwnndet gefangen. »

Es hieß, er sei in Kopenhagen an seinen Wunden gestorben, doch wurde
dem Gerücht widersprochen. Man kann das Vertrauen zu der Soldaten-Ehre
der Dänen haben, daß sie den gefangenen Tapfern nicht unbarmherzig und rach¬
süchtig behandelt haben.'




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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/441>, abgerufen am 28.06.2024.