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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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erhalten hat. Durch gewandte Benutzung des Terrains glückte es der kleinen Schaar
zu entkommen, nachdem sie der feindlichen Reiterei ein Pferd getödtet hatten.

Aber die größten Possen gegen Freund und Feind trieb der unermüdliche
Sergeant mit seiner Kunst der Bauchrednerei und Nachahmung fremder Laute.
Er versteckte sich oft in die großen Torfmoore, in denen er zuletzt jeden trocknen
Pfad kannte, und erregte in der Nacht die Aufmerksamkeit und Bestürzung der
dänischen Vorposten, indem er schaurig klagende Geisterstimmen aus dem Moor
erschallen ließ. -Während die Posten ans diese Töne lauschten, und oft abergläu¬
bisch und ängstlich wurden, suchten sich seine Kameraden heranzuschleichen und
sie zu überfallen, was ihnen ein paarmal auch geglückt ist.

Aus ähnliche Weise neckte er einmal auch eine Schleswig-holsteinische Feld¬
wache. Ein Unterofficier eines andern Bataillons, der früher bei der preußi¬
schen Garde gedient, hatte sich einst in seiner Gegenwart hochmüthig gerühmt,
ihm solle es nie passiren, daß die von ihm befehligte Feldwache von den Dänen
überfallen werde, und ein Unterofficier, dem dies geschähe, müsse gleich fortge¬
jagt werden. Einige Tage darauf erfuhr unser Sergeant, daß derselbe Unter-
offtcier mit 7 Mann ans Feldwache stehe. In der Nacht kroch er so leise an
dieselbe heran, daß die lustig trinkende und schwatzende Mannschaft ihn nicht
bemerkte. Wenige Schritte von derselben sängt er plötzlich an dänisch zu com-
mandiren, ahmt viele Stimmen nach, antwortet wieder, gleichsam von der ent¬
gegengesetzten Seite, und macht die ganze Feldwache glauben, daß sie von einer
starken dänischen Patrouille umzingelt sei. Die Soldaten greisen schon zu
ihren Gewehren, um sich wo möglich mit dem Bajonett durchzuschlagen, als
S.....Plötzlich mit lautem Gelächter auf sie zuspringt und ihnen erklärt, daß
er um seinen Scherz getrieben habe. Er trank darauf noch einige Stunden mit
den Ueberraschten, und verschwand plötzlich wieder in der Dunkelheit; am Mor¬
gen kam er gemächlich auf einem dänischen Hnsarenpferde angeritten.

Bei alledem gehörte der Sergeant nicht zu den Prahlern, die mit ihren
Thaten renommiren, und ungefragt erzählte er Keinem etwas von denselben.
Auch seine mündlichen wie schriftlichen Rapporte waren stets sehr bescheiden abgefaßt,
wie ich ans Erfahrung versichern kann, und er hob in denselben hänfig das
Verdienst seiner Begleiter mehr als sein eigenes hervor. In lustiger Gesellschaft
bei vollen Gläsern, -- und er konnte ungeheure Quantitäten von starkem Getränk
vertragen, ohne jemals uur im mindesten trunken zu werden -- löste sich seine
Zunge und er sprach dann gern und mit vieler Laune. Auch sonst war er im
Ganzen-ein guter, tüchtiger Soldat, der wohl wußte, daß nächst dem Muthe
die Subordination die Haupttugend des Kriegers sei. Die häusigen Bitten
junger Officiere, daß sie ihn ans seinen Streifzügen begleiten dürften, wußte er
stets mit Tact abzulehnen: "Wenn der Befehl dazu kommt, so führen Sie, Herr
Lieutenant, die Patrouille und ich gehe als Sergeant mit, wohin Sie befehlen;


erhalten hat. Durch gewandte Benutzung des Terrains glückte es der kleinen Schaar
zu entkommen, nachdem sie der feindlichen Reiterei ein Pferd getödtet hatten.

Aber die größten Possen gegen Freund und Feind trieb der unermüdliche
Sergeant mit seiner Kunst der Bauchrednerei und Nachahmung fremder Laute.
Er versteckte sich oft in die großen Torfmoore, in denen er zuletzt jeden trocknen
Pfad kannte, und erregte in der Nacht die Aufmerksamkeit und Bestürzung der
dänischen Vorposten, indem er schaurig klagende Geisterstimmen aus dem Moor
erschallen ließ. -Während die Posten ans diese Töne lauschten, und oft abergläu¬
bisch und ängstlich wurden, suchten sich seine Kameraden heranzuschleichen und
sie zu überfallen, was ihnen ein paarmal auch geglückt ist.

Aus ähnliche Weise neckte er einmal auch eine Schleswig-holsteinische Feld¬
wache. Ein Unterofficier eines andern Bataillons, der früher bei der preußi¬
schen Garde gedient, hatte sich einst in seiner Gegenwart hochmüthig gerühmt,
ihm solle es nie passiren, daß die von ihm befehligte Feldwache von den Dänen
überfallen werde, und ein Unterofficier, dem dies geschähe, müsse gleich fortge¬
jagt werden. Einige Tage darauf erfuhr unser Sergeant, daß derselbe Unter-
offtcier mit 7 Mann ans Feldwache stehe. In der Nacht kroch er so leise an
dieselbe heran, daß die lustig trinkende und schwatzende Mannschaft ihn nicht
bemerkte. Wenige Schritte von derselben sängt er plötzlich an dänisch zu com-
mandiren, ahmt viele Stimmen nach, antwortet wieder, gleichsam von der ent¬
gegengesetzten Seite, und macht die ganze Feldwache glauben, daß sie von einer
starken dänischen Patrouille umzingelt sei. Die Soldaten greisen schon zu
ihren Gewehren, um sich wo möglich mit dem Bajonett durchzuschlagen, als
S.....Plötzlich mit lautem Gelächter auf sie zuspringt und ihnen erklärt, daß
er um seinen Scherz getrieben habe. Er trank darauf noch einige Stunden mit
den Ueberraschten, und verschwand plötzlich wieder in der Dunkelheit; am Mor¬
gen kam er gemächlich auf einem dänischen Hnsarenpferde angeritten.

Bei alledem gehörte der Sergeant nicht zu den Prahlern, die mit ihren
Thaten renommiren, und ungefragt erzählte er Keinem etwas von denselben.
Auch seine mündlichen wie schriftlichen Rapporte waren stets sehr bescheiden abgefaßt,
wie ich ans Erfahrung versichern kann, und er hob in denselben hänfig das
Verdienst seiner Begleiter mehr als sein eigenes hervor. In lustiger Gesellschaft
bei vollen Gläsern, — und er konnte ungeheure Quantitäten von starkem Getränk
vertragen, ohne jemals uur im mindesten trunken zu werden — löste sich seine
Zunge und er sprach dann gern und mit vieler Laune. Auch sonst war er im
Ganzen-ein guter, tüchtiger Soldat, der wohl wußte, daß nächst dem Muthe
die Subordination die Haupttugend des Kriegers sei. Die häusigen Bitten
junger Officiere, daß sie ihn ans seinen Streifzügen begleiten dürften, wußte er
stets mit Tact abzulehnen: „Wenn der Befehl dazu kommt, so führen Sie, Herr
Lieutenant, die Patrouille und ich gehe als Sergeant mit, wohin Sie befehlen;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/440>, abgerufen am 24.07.2024.