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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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die Reinheit und den Wohllaut der Sprache ein ganz besonderer Werth gelegt
werden muß, so bemerke ich noch, daß auch in dieser Hinsicht die beiden Dramen
des Wladyka nichts zu wünschen übrig lassen.

In der lyrischen Poesie hat das serbische Volkslied die Richtung bestimmt,
welche die Kunstpoesie der Serben einschlägt. Trotz mehrern anerkennenswerther
Leistungen kann man kaum sagen, daß das Volkslied von den Gebildeten über¬
troffen sei. Dagegen erhält die eigentliche Volkspoesie täglich neue Zuflüsse aus dem
Volke selbst, dessen wunderbarer poetischer Sinn jedes nationale Ereignis; mit dem
goldnen Schmuck der Dichtung zu verklären weiß. Ich hörte Heldenlieder über Be¬
gebenheiten des letzten Kampfes gegen die Magyaren singen, welche den ältesten und
besten Stücken dieser Gattung vollkommen ebenbürtig sind. Aus deu epischen
Gesängen der wojwodiner und der grenzer Serben -- die kroatische und slavo¬
nische Grenze ist beinahe ganz serbisch, die Zahl der eigentlichen Kroaten beträgt
in der Grenze kaum hunderttausend Seelen -- wird sich ein epischer Cyclus ge¬
stalten, ähnlich der "Lasariza," welche Gerhard mit Milutinowitsch's Beihülfe ius
Deutsche übersetzt hat. Diese Gattung der Poesie liegt so sehr im Geiste des
-serbischen Volkes, daß ein gutes, etwa in der Wojwodina entstandenes Lied in
wenigen Monaten bis zum Fuße des Welebit und oft darüber hinaus in Dalma-
tien gehört wird. Da es Niemanden beifällt, diese Lieder aufzuschreiben, ist es
natürlich, daß sich nur solche, welche den Volkscharakter nud die slavische Welt¬
anschauung am treusten wiedergeben, im Munde des Volkes erhalten können,
während das minder Bedeutende und blos für den Augenblick Berechnete spurlos
verschwindet: zum großen Nutzen wahrer Volkspoesie.

Die illyrisch e Kunstpoesie datirt erst aus neuer Zeit. Gaj gab seit 1835
zu seiner Zeitung ein belletristisches Beiblatt "vaniea," in welchem die jungen
illyrischen Dichter und Dichterliuge ihre Geisteserzeugnisse niederlegten. Aus
Patriotismus hielt das Publicum eine Weile den Flitter für Gold und man war
um Parallelen mit den größten fremden Dichtern nicht verlegen; da gab es einen
illyrischen linugei de l'Isle, einen Petrarca, einen Byron socjar, Namen zwar,
aber nicht deren Bedeutung. Man räucherte sich gegenseitig mit Weihrauch an,
aber das, was man in Kroatien noch Volk nennen kann, nahm keinen Antheil
daran, und da das Volk die Lieder der Gebildeten nicht sang, sangen sie die
Dichter und ihre Gesellen, deren suffisance und Eitelkeit keine Grenzen kannte^
Sie gingen Einer nach dem Andern schnell zur ewigen Ruhe ein, und wir wollen
diese durch Nennung ihrer Namen nicht stören. Nur Wenige retteten sich bis in
die Gegenwart.

In erster Reihe steht als Epiker Iwan Mashuranitsch, ein keusches,
kräftiges Talent. Sein kleines aus dem Leben der Zrnogorer geschöpftes Epos
"8i-me ^-e," ist eine klare, frische Schöpfung, antik einfach und durchaus
objectiv voll schöner Poesie, und Volksthümlich gehalten, daher es auch bei den


die Reinheit und den Wohllaut der Sprache ein ganz besonderer Werth gelegt
werden muß, so bemerke ich noch, daß auch in dieser Hinsicht die beiden Dramen
des Wladyka nichts zu wünschen übrig lassen.

In der lyrischen Poesie hat das serbische Volkslied die Richtung bestimmt,
welche die Kunstpoesie der Serben einschlägt. Trotz mehrern anerkennenswerther
Leistungen kann man kaum sagen, daß das Volkslied von den Gebildeten über¬
troffen sei. Dagegen erhält die eigentliche Volkspoesie täglich neue Zuflüsse aus dem
Volke selbst, dessen wunderbarer poetischer Sinn jedes nationale Ereignis; mit dem
goldnen Schmuck der Dichtung zu verklären weiß. Ich hörte Heldenlieder über Be¬
gebenheiten des letzten Kampfes gegen die Magyaren singen, welche den ältesten und
besten Stücken dieser Gattung vollkommen ebenbürtig sind. Aus deu epischen
Gesängen der wojwodiner und der grenzer Serben — die kroatische und slavo¬
nische Grenze ist beinahe ganz serbisch, die Zahl der eigentlichen Kroaten beträgt
in der Grenze kaum hunderttausend Seelen — wird sich ein epischer Cyclus ge¬
stalten, ähnlich der „Lasariza," welche Gerhard mit Milutinowitsch's Beihülfe ius
Deutsche übersetzt hat. Diese Gattung der Poesie liegt so sehr im Geiste des
-serbischen Volkes, daß ein gutes, etwa in der Wojwodina entstandenes Lied in
wenigen Monaten bis zum Fuße des Welebit und oft darüber hinaus in Dalma-
tien gehört wird. Da es Niemanden beifällt, diese Lieder aufzuschreiben, ist es
natürlich, daß sich nur solche, welche den Volkscharakter nud die slavische Welt¬
anschauung am treusten wiedergeben, im Munde des Volkes erhalten können,
während das minder Bedeutende und blos für den Augenblick Berechnete spurlos
verschwindet: zum großen Nutzen wahrer Volkspoesie.

Die illyrisch e Kunstpoesie datirt erst aus neuer Zeit. Gaj gab seit 1835
zu seiner Zeitung ein belletristisches Beiblatt „vaniea," in welchem die jungen
illyrischen Dichter und Dichterliuge ihre Geisteserzeugnisse niederlegten. Aus
Patriotismus hielt das Publicum eine Weile den Flitter für Gold und man war
um Parallelen mit den größten fremden Dichtern nicht verlegen; da gab es einen
illyrischen linugei de l'Isle, einen Petrarca, einen Byron socjar, Namen zwar,
aber nicht deren Bedeutung. Man räucherte sich gegenseitig mit Weihrauch an,
aber das, was man in Kroatien noch Volk nennen kann, nahm keinen Antheil
daran, und da das Volk die Lieder der Gebildeten nicht sang, sangen sie die
Dichter und ihre Gesellen, deren suffisance und Eitelkeit keine Grenzen kannte^
Sie gingen Einer nach dem Andern schnell zur ewigen Ruhe ein, und wir wollen
diese durch Nennung ihrer Namen nicht stören. Nur Wenige retteten sich bis in
die Gegenwart.

In erster Reihe steht als Epiker Iwan Mashuranitsch, ein keusches,
kräftiges Talent. Sein kleines aus dem Leben der Zrnogorer geschöpftes Epos
„8i-me ^-e," ist eine klare, frische Schöpfung, antik einfach und durchaus
objectiv voll schöner Poesie, und Volksthümlich gehalten, daher es auch bei den


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[0430] die Reinheit und den Wohllaut der Sprache ein ganz besonderer Werth gelegt werden muß, so bemerke ich noch, daß auch in dieser Hinsicht die beiden Dramen des Wladyka nichts zu wünschen übrig lassen. In der lyrischen Poesie hat das serbische Volkslied die Richtung bestimmt, welche die Kunstpoesie der Serben einschlägt. Trotz mehrern anerkennenswerther Leistungen kann man kaum sagen, daß das Volkslied von den Gebildeten über¬ troffen sei. Dagegen erhält die eigentliche Volkspoesie täglich neue Zuflüsse aus dem Volke selbst, dessen wunderbarer poetischer Sinn jedes nationale Ereignis; mit dem goldnen Schmuck der Dichtung zu verklären weiß. Ich hörte Heldenlieder über Be¬ gebenheiten des letzten Kampfes gegen die Magyaren singen, welche den ältesten und besten Stücken dieser Gattung vollkommen ebenbürtig sind. Aus deu epischen Gesängen der wojwodiner und der grenzer Serben — die kroatische und slavo¬ nische Grenze ist beinahe ganz serbisch, die Zahl der eigentlichen Kroaten beträgt in der Grenze kaum hunderttausend Seelen — wird sich ein epischer Cyclus ge¬ stalten, ähnlich der „Lasariza," welche Gerhard mit Milutinowitsch's Beihülfe ius Deutsche übersetzt hat. Diese Gattung der Poesie liegt so sehr im Geiste des -serbischen Volkes, daß ein gutes, etwa in der Wojwodina entstandenes Lied in wenigen Monaten bis zum Fuße des Welebit und oft darüber hinaus in Dalma- tien gehört wird. Da es Niemanden beifällt, diese Lieder aufzuschreiben, ist es natürlich, daß sich nur solche, welche den Volkscharakter nud die slavische Welt¬ anschauung am treusten wiedergeben, im Munde des Volkes erhalten können, während das minder Bedeutende und blos für den Augenblick Berechnete spurlos verschwindet: zum großen Nutzen wahrer Volkspoesie. Die illyrisch e Kunstpoesie datirt erst aus neuer Zeit. Gaj gab seit 1835 zu seiner Zeitung ein belletristisches Beiblatt „vaniea," in welchem die jungen illyrischen Dichter und Dichterliuge ihre Geisteserzeugnisse niederlegten. Aus Patriotismus hielt das Publicum eine Weile den Flitter für Gold und man war um Parallelen mit den größten fremden Dichtern nicht verlegen; da gab es einen illyrischen linugei de l'Isle, einen Petrarca, einen Byron socjar, Namen zwar, aber nicht deren Bedeutung. Man räucherte sich gegenseitig mit Weihrauch an, aber das, was man in Kroatien noch Volk nennen kann, nahm keinen Antheil daran, und da das Volk die Lieder der Gebildeten nicht sang, sangen sie die Dichter und ihre Gesellen, deren suffisance und Eitelkeit keine Grenzen kannte^ Sie gingen Einer nach dem Andern schnell zur ewigen Ruhe ein, und wir wollen diese durch Nennung ihrer Namen nicht stören. Nur Wenige retteten sich bis in die Gegenwart. In erster Reihe steht als Epiker Iwan Mashuranitsch, ein keusches, kräftiges Talent. Sein kleines aus dem Leben der Zrnogorer geschöpftes Epos „8i-me ^-e," ist eine klare, frische Schöpfung, antik einfach und durchaus objectiv voll schöner Poesie, und Volksthümlich gehalten, daher es auch bei den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/430>, abgerufen am 24.07.2024.