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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Jllyriern weniger Anklang gefunden, als bei den Serben, welche sonst der illy-
rischen Poeterei ganz und gar nicht hold sind. Die etwa 1W0 Verse zählende
Dichtung wurde Gemeingut der Nation und Will, der gute Kenner der Volks¬
poesie, bereitete eine mit kyrillischen Lettern zu druckende Ausgabe derselben vor,
als die Februarrevolution dazwischen kam. Da Mashuranitsch selbst keine neue
Ausgabe deö Epos veranstalten mochte, wurde dasselbe hundertfältig durch Ab¬
schriften verbreitet.

Petar Prer adowitsch ist unstreitig der erste Lyriker der Jllyrier.
Seine "MnorsKe I^e8imo," kleine, leichte Meerliedchen, sind unter den ersten
Eindrücken entstanden, welche das Mittelmeer, die ewige Thalassa, das zau-
berische "hin^ more" unserer Volkslieder auf ihn machte. Als glücklicher Ro-
manzendichter mag Stanko Wras, als unglücklicher Dramatiker Dimitrya De-
meter erwähnt werden. -- Bemerken muß ich noch, daß sich sowohl Mnshnranitsch
als Preradowitsch an serbischen Mustern bildeten und daher füglicher zur serbischen
als zur illyrischen Literatur zu zählen wären. Sie sind zu dieser Ehre wohl zu¬
meist deshalb gekommen, weil sie mit lateinischen Lettern geschrieben haben; ihr Geist
aber ist serbisch, auch sind sie von den Träumereien des Jllyrismus in keiner
Weise berührt worden.

Unter den Slowenen erstand ein gutes schönes lyrisches Talent in Dr. Pre-
sch erim, dessen Poesien zu den bedeutendsten der slavischen Literatur gehören. --
Aber der Maun ist wie ein glänzendes Meteor in der vormärzlichen Misere un¬
tergegangen und seine im slowenischen Dialecte -- der zwischen dem altsloweni¬
schen und serbischen etwa in der Mitte und zunächst dem eigentlichen kroatischen
steht -- geschriebenen Dichtungen konnten eben deshalb außerhalb des engen
Kreises der Slowenen keine genügende Verbreitung und Anerkennung finden.
Aber ein echter, geweihter Poet war Prescherin und würdig des Lorbeerkranzes,
den ihm V. Rizzi in der "deutschen Monatsschrift aus Kärnten" ans sein Grab
legte! -- So viel von südslavischer Poesie. --

Ungünstiger ist der Stand der gelehrten Literatur, besonders in Kroatien.
Das ungarische Erziehungs- und Schulwesen, welches anch Kroatien darnieder¬
hielt, war nach dem abschenlichen Systeme der Jesuiten eingerichtet und Alles,
was man lernte, war unfruchtbarer Gedächtnißkram. Griechische Sprache, Na-
turwissenschaften und Philosophie sind hier unbekannte Wissenschaften; der ganze
Unterricht beschränkte sich auf ein maßlos barbarisches Latein, ein klägliches Zerr¬
bild der Geschichte, und eine mit dem Namen Philosophie beschenkte "Metaphysik"
von einem ungarischen Jesuiten Jmre. Die kroatischen Literaten halten daher
Hegel, dessen Namen sie in gutgesinnten Journalen lasen, dessen Schriften aber
einige Wenige ausgenommen -- Keiner auch uur sah, geschweige deun
studirte, für einen Narren oder einen Charlatan, der an philosophischem Werthe weit
unter ihrem Jmre steht, und weit unter dem Bischof Mopfes, der einige Denen-


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Jllyriern weniger Anklang gefunden, als bei den Serben, welche sonst der illy-
rischen Poeterei ganz und gar nicht hold sind. Die etwa 1W0 Verse zählende
Dichtung wurde Gemeingut der Nation und Will, der gute Kenner der Volks¬
poesie, bereitete eine mit kyrillischen Lettern zu druckende Ausgabe derselben vor,
als die Februarrevolution dazwischen kam. Da Mashuranitsch selbst keine neue
Ausgabe deö Epos veranstalten mochte, wurde dasselbe hundertfältig durch Ab¬
schriften verbreitet.

Petar Prer adowitsch ist unstreitig der erste Lyriker der Jllyrier.
Seine „MnorsKe I^e8imo," kleine, leichte Meerliedchen, sind unter den ersten
Eindrücken entstanden, welche das Mittelmeer, die ewige Thalassa, das zau-
berische „hin^ more" unserer Volkslieder auf ihn machte. Als glücklicher Ro-
manzendichter mag Stanko Wras, als unglücklicher Dramatiker Dimitrya De-
meter erwähnt werden. — Bemerken muß ich noch, daß sich sowohl Mnshnranitsch
als Preradowitsch an serbischen Mustern bildeten und daher füglicher zur serbischen
als zur illyrischen Literatur zu zählen wären. Sie sind zu dieser Ehre wohl zu¬
meist deshalb gekommen, weil sie mit lateinischen Lettern geschrieben haben; ihr Geist
aber ist serbisch, auch sind sie von den Träumereien des Jllyrismus in keiner
Weise berührt worden.

Unter den Slowenen erstand ein gutes schönes lyrisches Talent in Dr. Pre-
sch erim, dessen Poesien zu den bedeutendsten der slavischen Literatur gehören. —
Aber der Maun ist wie ein glänzendes Meteor in der vormärzlichen Misere un¬
tergegangen und seine im slowenischen Dialecte — der zwischen dem altsloweni¬
schen und serbischen etwa in der Mitte und zunächst dem eigentlichen kroatischen
steht — geschriebenen Dichtungen konnten eben deshalb außerhalb des engen
Kreises der Slowenen keine genügende Verbreitung und Anerkennung finden.
Aber ein echter, geweihter Poet war Prescherin und würdig des Lorbeerkranzes,
den ihm V. Rizzi in der „deutschen Monatsschrift aus Kärnten" ans sein Grab
legte! — So viel von südslavischer Poesie. —

Ungünstiger ist der Stand der gelehrten Literatur, besonders in Kroatien.
Das ungarische Erziehungs- und Schulwesen, welches anch Kroatien darnieder¬
hielt, war nach dem abschenlichen Systeme der Jesuiten eingerichtet und Alles,
was man lernte, war unfruchtbarer Gedächtnißkram. Griechische Sprache, Na-
turwissenschaften und Philosophie sind hier unbekannte Wissenschaften; der ganze
Unterricht beschränkte sich auf ein maßlos barbarisches Latein, ein klägliches Zerr¬
bild der Geschichte, und eine mit dem Namen Philosophie beschenkte „Metaphysik"
von einem ungarischen Jesuiten Jmre. Die kroatischen Literaten halten daher
Hegel, dessen Namen sie in gutgesinnten Journalen lasen, dessen Schriften aber
einige Wenige ausgenommen — Keiner auch uur sah, geschweige deun
studirte, für einen Narren oder einen Charlatan, der an philosophischem Werthe weit
unter ihrem Jmre steht, und weit unter dem Bischof Mopfes, der einige Denen-


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[0431] Jllyriern weniger Anklang gefunden, als bei den Serben, welche sonst der illy- rischen Poeterei ganz und gar nicht hold sind. Die etwa 1W0 Verse zählende Dichtung wurde Gemeingut der Nation und Will, der gute Kenner der Volks¬ poesie, bereitete eine mit kyrillischen Lettern zu druckende Ausgabe derselben vor, als die Februarrevolution dazwischen kam. Da Mashuranitsch selbst keine neue Ausgabe deö Epos veranstalten mochte, wurde dasselbe hundertfältig durch Ab¬ schriften verbreitet. Petar Prer adowitsch ist unstreitig der erste Lyriker der Jllyrier. Seine „MnorsKe I^e8imo," kleine, leichte Meerliedchen, sind unter den ersten Eindrücken entstanden, welche das Mittelmeer, die ewige Thalassa, das zau- berische „hin^ more" unserer Volkslieder auf ihn machte. Als glücklicher Ro- manzendichter mag Stanko Wras, als unglücklicher Dramatiker Dimitrya De- meter erwähnt werden. — Bemerken muß ich noch, daß sich sowohl Mnshnranitsch als Preradowitsch an serbischen Mustern bildeten und daher füglicher zur serbischen als zur illyrischen Literatur zu zählen wären. Sie sind zu dieser Ehre wohl zu¬ meist deshalb gekommen, weil sie mit lateinischen Lettern geschrieben haben; ihr Geist aber ist serbisch, auch sind sie von den Träumereien des Jllyrismus in keiner Weise berührt worden. Unter den Slowenen erstand ein gutes schönes lyrisches Talent in Dr. Pre- sch erim, dessen Poesien zu den bedeutendsten der slavischen Literatur gehören. — Aber der Maun ist wie ein glänzendes Meteor in der vormärzlichen Misere un¬ tergegangen und seine im slowenischen Dialecte — der zwischen dem altsloweni¬ schen und serbischen etwa in der Mitte und zunächst dem eigentlichen kroatischen steht — geschriebenen Dichtungen konnten eben deshalb außerhalb des engen Kreises der Slowenen keine genügende Verbreitung und Anerkennung finden. Aber ein echter, geweihter Poet war Prescherin und würdig des Lorbeerkranzes, den ihm V. Rizzi in der „deutschen Monatsschrift aus Kärnten" ans sein Grab legte! — So viel von südslavischer Poesie. — Ungünstiger ist der Stand der gelehrten Literatur, besonders in Kroatien. Das ungarische Erziehungs- und Schulwesen, welches anch Kroatien darnieder¬ hielt, war nach dem abschenlichen Systeme der Jesuiten eingerichtet und Alles, was man lernte, war unfruchtbarer Gedächtnißkram. Griechische Sprache, Na- turwissenschaften und Philosophie sind hier unbekannte Wissenschaften; der ganze Unterricht beschränkte sich auf ein maßlos barbarisches Latein, ein klägliches Zerr¬ bild der Geschichte, und eine mit dem Namen Philosophie beschenkte „Metaphysik" von einem ungarischen Jesuiten Jmre. Die kroatischen Literaten halten daher Hegel, dessen Namen sie in gutgesinnten Journalen lasen, dessen Schriften aber einige Wenige ausgenommen — Keiner auch uur sah, geschweige deun studirte, für einen Narren oder einen Charlatan, der an philosophischem Werthe weit unter ihrem Jmre steht, und weit unter dem Bischof Mopfes, der einige Denen- 53"

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/431>, abgerufen am 24.07.2024.