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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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hohen kräftigen Gestalt, und auch der feste, ernste Ausdruck seines Gesichtes
eignete sich ausnehmend für einen höhern Officier. ^

Er hat die großen Leiden und genügen Freuden der kleinen Schleswig-holstei-
nischen Armee getreulich bis zu ihrer gezwungenen Auflösung getheilt. Hätten
die Diplomaten uns vergönnt, wenigstens noch eine große Feldschlacht gegen die
Dänen zu schlagen, wie es der sehnlichste Wunsch des Heeres war, so hätten
wir den Major von Gagern vielleicht auch noch avanciren gesehen, was uns
Officieren wenigstens große Freude gemacht hätte. Das Schicksal wollte es
anders. Ruhig, in ernster, würdevoller Haltung, ohne den mindesten Exceß
irgend einer Art, der seine militärische Ehre hätte beflecken können, ebenso wie es
sich gebildet, löste das Schleswig-holsteinische Heer sich wieder ans, und Herr von
Gagern konnte auf sein heimathliches Landgut zurückkehren.

Wenn die strenge Muse der Geschichte einst mit lauter Stimme kommenden
Geschlechtern die jetzige Zeit, große Erbärmlichkeit und tiefe Schande, verkündet,
wird sie uuter den Männern von Bedeutung, die ihren Schild rein und glänzend
erhalten haben, auch Gagern als einen der besten nennen, und anßer seinen Ta¬
lenten und seinem Wissen, die er mit vielen Andren theilen mag, wird sie
unseren Enkeln anch sein warmes Herz rühmen und sprechen: der Mann war sehr
ehrlich und treu.


Ein früherer schlesw.-holst. Officier.


Wochenschau.
Plaudereien aus München.

-- Wir dürfen uns wieder drei und dreißigfach
anders verletzt empfinden in unsern Nationalgefühlen -- welche Errungenschaft des
Jahres 1851! Glauben Sie ja nicht, daß ich mit diesem Jubel, der deutscheu Reform
neuen Stoff zu flammenden Artikeln gegen die Lust der Nöthen an der allgemeinen
Zersplitterung geben will. Nein, ich bin vielmehr ein so wohlgeschulter Patriot, daß
ick) mich in Baden karlsruhisch, im einen Hessen darmstädtisch, im andern sogar kassclisch,
im driten homburgisch empört fühlen kann, wenn reisende Franzosen und namentlich
Nüssen nicht einmal die Residenzen unserer Vaterländer für ordentliche Städte gelten
lassen wollen. Von den Engländern läßt man sich so etwas eher gefallen; ihre göttliche
Selbstschätzung erlaubt ihnen ja auch keine rechte Anerkennung für Paris und Petersburg.
Aber bei den Franzen und Moskowitern -- gewiß, da ist's bloß Misgunst, wenn sie
behaupten: eigentliche Städte gäbe es in Deutschland nur drei, Hamburg, Berlin und
Wien. Hamburg gefällt beiden ganz besonders, vielleicht weil es beinah englisch ist;
Wien ist namentlich ein Liebling der Franzosen, vielleicht weil's für Rußland recht ge¬
legen. Und Berlin .... Es ist eine ganz passable Stadt dies Berlin, von wo aus
sich eine schöne continentale Demarcationslinie südwärts über Wien und nordwärts über
Hamburg ziehen ließe. Wenn's nur nicht so ganz unbefangen preußisch wäre und außer-


hohen kräftigen Gestalt, und auch der feste, ernste Ausdruck seines Gesichtes
eignete sich ausnehmend für einen höhern Officier. ^

Er hat die großen Leiden und genügen Freuden der kleinen Schleswig-holstei-
nischen Armee getreulich bis zu ihrer gezwungenen Auflösung getheilt. Hätten
die Diplomaten uns vergönnt, wenigstens noch eine große Feldschlacht gegen die
Dänen zu schlagen, wie es der sehnlichste Wunsch des Heeres war, so hätten
wir den Major von Gagern vielleicht auch noch avanciren gesehen, was uns
Officieren wenigstens große Freude gemacht hätte. Das Schicksal wollte es
anders. Ruhig, in ernster, würdevoller Haltung, ohne den mindesten Exceß
irgend einer Art, der seine militärische Ehre hätte beflecken können, ebenso wie es
sich gebildet, löste das Schleswig-holsteinische Heer sich wieder ans, und Herr von
Gagern konnte auf sein heimathliches Landgut zurückkehren.

Wenn die strenge Muse der Geschichte einst mit lauter Stimme kommenden
Geschlechtern die jetzige Zeit, große Erbärmlichkeit und tiefe Schande, verkündet,
wird sie uuter den Männern von Bedeutung, die ihren Schild rein und glänzend
erhalten haben, auch Gagern als einen der besten nennen, und anßer seinen Ta¬
lenten und seinem Wissen, die er mit vielen Andren theilen mag, wird sie
unseren Enkeln anch sein warmes Herz rühmen und sprechen: der Mann war sehr
ehrlich und treu.


Ein früherer schlesw.-holst. Officier.


Wochenschau.
Plaudereien aus München.

— Wir dürfen uns wieder drei und dreißigfach
anders verletzt empfinden in unsern Nationalgefühlen — welche Errungenschaft des
Jahres 1851! Glauben Sie ja nicht, daß ich mit diesem Jubel, der deutscheu Reform
neuen Stoff zu flammenden Artikeln gegen die Lust der Nöthen an der allgemeinen
Zersplitterung geben will. Nein, ich bin vielmehr ein so wohlgeschulter Patriot, daß
ick) mich in Baden karlsruhisch, im einen Hessen darmstädtisch, im andern sogar kassclisch,
im driten homburgisch empört fühlen kann, wenn reisende Franzosen und namentlich
Nüssen nicht einmal die Residenzen unserer Vaterländer für ordentliche Städte gelten
lassen wollen. Von den Engländern läßt man sich so etwas eher gefallen; ihre göttliche
Selbstschätzung erlaubt ihnen ja auch keine rechte Anerkennung für Paris und Petersburg.
Aber bei den Franzen und Moskowitern — gewiß, da ist's bloß Misgunst, wenn sie
behaupten: eigentliche Städte gäbe es in Deutschland nur drei, Hamburg, Berlin und
Wien. Hamburg gefällt beiden ganz besonders, vielleicht weil es beinah englisch ist;
Wien ist namentlich ein Liebling der Franzosen, vielleicht weil's für Rußland recht ge¬
legen. Und Berlin .... Es ist eine ganz passable Stadt dies Berlin, von wo aus
sich eine schöne continentale Demarcationslinie südwärts über Wien und nordwärts über
Hamburg ziehen ließe. Wenn's nur nicht so ganz unbefangen preußisch wäre und außer-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/402>, abgerufen am 24.07.2024.