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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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und er hat mehrfach Gelegenheit gehabt Gutes zu bewirken, öfter uoch das
Uebele zu verhindern. Wenige Officiere im Heere hatten so gar keine persönlichen
Feinde, und waren so allgemein geachtet, wie er. Selbst ans Soldaten, die
ihn und seinen Namen nicht kannten, übte seine Persönlichkeit nicht geringe
Wirkung, wie ich oft zu bemerke" Gelegenheit hatte. Hörte ich doch einst, wie
mehrere schlichte Soldaten, holsteinische Landeskinder, denen er einen Befehl ertheilt
hatte, in ihrer plattdeutschen Mundart zu einander sagten, "der Major hat ein
gutes Gesicht, das man leiden kann, so einen möchten wir anch haben. Jawohl.
Wenn der sagt "Gott verdamm mich, (ein sehr gebräuchliches holsteinisches Fluch-
wort) Kiuder, un laßt uus losgehn, dann muß es beim Teufel auch los gehn,
daß es nur so eine Art hat/'

Von Nutzen war der Major von Gagern auch bei dem beständigen Ver¬
kehr, der zwischen dem Generalkommando und der Statthalterschaft stattfand.
Gerade hier machten sich viele Verschiedenheiten der Ansichten'geltend. Auch bei
der Anstellung neuer Officiere hat sich seine Menschenkenntniß und Erfahrung
glänzend bewährt, er hat die Armee oft vor schlechten Elementen bewahrt.
Vortrefflich war er bei mündlichen Verhandlungen aller Art in't Personen von den
verschiedensten Bildungsgraden, politischen Ansichten, Wünschen und Ansprüchen,
die bei den eigenthümlichen Verhältnissen, in denen das Schleswig - hol¬
steinische Heer sich befand, in dem Hauptquartier desselben mehr wie in dem '
Lager anderer Armeen vorkommen mußten. Wir haben oft beklagt, daß er zu
spät zu uus kam, um auf die Bildung des Generalstabes seinen Einfluß auszu¬
üben, der zu unserm großen Schaden ans sehr contrastirenden Elementen zu¬
sammengesetzt war.

Ich glaube, daß auch bei dem letzten traurigen Ende des Heeres, welches
in seiner vollen Stärke auseinander gehen mußte, Herr von Gagern nicht ohne
Einfluß gewesen ist und einen verzweifelten, aber wie die dentschen Verhältnisse
lagen, nutzlosen Widerstand verhindern half.

Im feindlichen Feuer war Gagern wiederholt als Adjutant des Obergenerals,
namentlich im Gefecht bei Sorgbrück und Stentermühle am 8. August, und bei
dem Angriff auf den Brückenkopf bei Missnnde am 12. September. Auch einen
Theil des blutigen Sturmes auf Friedrichsstadt hat er in der Suite des Obersten
v. der Tann mit gemacht. Ernste Ruhe und persönlichen Muth hat er
überall gezeigt. Major vou Gagern ans seinem muthig schnaubenden Schimmel,
das Schwert an der Seite, im Feuer der feindlichen Geschütze, war kein minder
anziehendes Bild als der Präsident der dentschen Nationalversammlung, dessen
Mund die wüsten Räume der Paulskirche zu beherrsche und die unruhigsten
Geister zu bändigen verstand. Ueberhaupt war er auch äußerlich ein gar schöner,
stattlicher Soldat, dem Wenige in unserem Heere steh vergleichen konnten. Der
dunkelblaue Waffenrock mit dem karmoisinrothen Kragen paßte gut zu seiner


und er hat mehrfach Gelegenheit gehabt Gutes zu bewirken, öfter uoch das
Uebele zu verhindern. Wenige Officiere im Heere hatten so gar keine persönlichen
Feinde, und waren so allgemein geachtet, wie er. Selbst ans Soldaten, die
ihn und seinen Namen nicht kannten, übte seine Persönlichkeit nicht geringe
Wirkung, wie ich oft zu bemerke« Gelegenheit hatte. Hörte ich doch einst, wie
mehrere schlichte Soldaten, holsteinische Landeskinder, denen er einen Befehl ertheilt
hatte, in ihrer plattdeutschen Mundart zu einander sagten, „der Major hat ein
gutes Gesicht, das man leiden kann, so einen möchten wir anch haben. Jawohl.
Wenn der sagt „Gott verdamm mich, (ein sehr gebräuchliches holsteinisches Fluch-
wort) Kiuder, un laßt uus losgehn, dann muß es beim Teufel auch los gehn,
daß es nur so eine Art hat/'

Von Nutzen war der Major von Gagern auch bei dem beständigen Ver¬
kehr, der zwischen dem Generalkommando und der Statthalterschaft stattfand.
Gerade hier machten sich viele Verschiedenheiten der Ansichten'geltend. Auch bei
der Anstellung neuer Officiere hat sich seine Menschenkenntniß und Erfahrung
glänzend bewährt, er hat die Armee oft vor schlechten Elementen bewahrt.
Vortrefflich war er bei mündlichen Verhandlungen aller Art in't Personen von den
verschiedensten Bildungsgraden, politischen Ansichten, Wünschen und Ansprüchen,
die bei den eigenthümlichen Verhältnissen, in denen das Schleswig - hol¬
steinische Heer sich befand, in dem Hauptquartier desselben mehr wie in dem '
Lager anderer Armeen vorkommen mußten. Wir haben oft beklagt, daß er zu
spät zu uus kam, um auf die Bildung des Generalstabes seinen Einfluß auszu¬
üben, der zu unserm großen Schaden ans sehr contrastirenden Elementen zu¬
sammengesetzt war.

Ich glaube, daß auch bei dem letzten traurigen Ende des Heeres, welches
in seiner vollen Stärke auseinander gehen mußte, Herr von Gagern nicht ohne
Einfluß gewesen ist und einen verzweifelten, aber wie die dentschen Verhältnisse
lagen, nutzlosen Widerstand verhindern half.

Im feindlichen Feuer war Gagern wiederholt als Adjutant des Obergenerals,
namentlich im Gefecht bei Sorgbrück und Stentermühle am 8. August, und bei
dem Angriff auf den Brückenkopf bei Missnnde am 12. September. Auch einen
Theil des blutigen Sturmes auf Friedrichsstadt hat er in der Suite des Obersten
v. der Tann mit gemacht. Ernste Ruhe und persönlichen Muth hat er
überall gezeigt. Major vou Gagern ans seinem muthig schnaubenden Schimmel,
das Schwert an der Seite, im Feuer der feindlichen Geschütze, war kein minder
anziehendes Bild als der Präsident der dentschen Nationalversammlung, dessen
Mund die wüsten Räume der Paulskirche zu beherrsche und die unruhigsten
Geister zu bändigen verstand. Ueberhaupt war er auch äußerlich ein gar schöner,
stattlicher Soldat, dem Wenige in unserem Heere steh vergleichen konnten. Der
dunkelblaue Waffenrock mit dem karmoisinrothen Kragen paßte gut zu seiner


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/401>, abgerufen am 28.06.2024.