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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Geistvoller und gedankenreicher schloß Christian Rauch sich der Schadow-
schen Richtung an. Der sinnende Scharnhorst, der ans sein Schwert gestützte,
mit männlich ruhigem Blicke deu Feind messende Bülow, der von dem Künstler
im brausenden Sturm der Schlacht ergriffene feurige Reitersmann Blücher, jene
beiden in Marmor, dieser in Erz zu Seiten und gegenüber der neuen Wache
ausgestellt, sind das Schönste, was Berlin in monumentaler Gattung ausweisen
kann. neuerdings hat sich Drake mit seinem Standbilde Friedrich Wilhelm
des Dritten dem älteren,, jetzt greisen Meister würdig an die Seite gestellt. Die
Einfachheit und Schlichtheit des letztverstorbenen Königs verstand er mit außer¬
ordentlicher Treue darzustellen, und die Andeutung der Gefühlspietät, welche im
Wesen desselben lag, wie der Friedensliebe siud von dem Künstler und werdeu
von dem Publikum empfunden. Der alte König in seiner hochaufgeschossener
Gestalt, der ernsten soldatische" Haltung und Miene, in der ganzen zugeknöpf¬
ten Unzugänglichkeit seines Wesens, und doch nicht ohne die milden Züge seines
Charakters, steht vor dem Auge des Beschauers. Deu lieblichsten Triumph aber
bereitete Drake seiner Kunst durch das an dem Postament angebrachte Hautrelief,
welches die Freude und deu Genuß an der Natur in den reizendsten Gestalten
und Gruppen verbildlicht. Es ist nicht leere Allegorie, was uns geboten wird,
sondern eine Fülle von friedlichem, heiterem Genußleben, und uur die Deutung
auf die Verschönerung des Thiergartens dnrch den König, welcher das in diesem
Parke aufgestellte Denkmal in dankbarer Erinnerung gewidmet ist, legt eine alle¬
gorische Beziehung in die lebensvolle Sinnlichkeit der plastischen Erscheinung.

Die Errungenschaft der Berliner Bildhauerschule durch Schadow und
Rauch läßt sich in einem einzigen, aber gewichtigen Worte zusammenfassen: es
ist ein wahrer historischer, uuserer Nationalität und unserem Le¬
ben entsprechender Stil, der ihre Meisterwerke auszeichnet und sie nament¬
lich von der Münchener Schule wesentlich unterscheidet. Nicht als ob der senti¬
mentale Idealismus, der an der Jsar seine Heimath findet, an der Spree gar
keine Vertreter zähle, aber es ist kein Schwauthaler, es ist Kiß und
Friedrich Tieck, während die ersten Sterne sich in ganz entgegengesetzten
Bahnen bewegen. Die antikisirende Richtung des verallgemeinernden Idealis¬
mus wurde vor uicht langer Zeit anch hier durch eiuen bedeutenden Maun
vertreten, durch den Architekten Sckinkel, der einen entschiedenen Gegensatz
zu der Rauch'schen Richtung bildete. Seine Entwürfe zu Giebelfeldern und
sonstigem bildhauerischen Schmuck der vou ihm errichteten Bauwerke sind alle
in diesem Stile, in strengen, aber sehr allgemeinen und wenig lebendigen Schön-
heitslinien abgefaßt und in abstrakten Begriffen gedacht. Der Fries an der
neuen Wache wie an dem Packhofsgebäude, die vou Kiß ausgeführte Amazone
wurden uach Schinkel'scheu Zeichnungen und Angaben gearbeitet. Man darf
hierbei jedoch nicht vergessen, daß diese Richtung der Sculptur in voller Har-


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Geistvoller und gedankenreicher schloß Christian Rauch sich der Schadow-
schen Richtung an. Der sinnende Scharnhorst, der ans sein Schwert gestützte,
mit männlich ruhigem Blicke deu Feind messende Bülow, der von dem Künstler
im brausenden Sturm der Schlacht ergriffene feurige Reitersmann Blücher, jene
beiden in Marmor, dieser in Erz zu Seiten und gegenüber der neuen Wache
ausgestellt, sind das Schönste, was Berlin in monumentaler Gattung ausweisen
kann. neuerdings hat sich Drake mit seinem Standbilde Friedrich Wilhelm
des Dritten dem älteren,, jetzt greisen Meister würdig an die Seite gestellt. Die
Einfachheit und Schlichtheit des letztverstorbenen Königs verstand er mit außer¬
ordentlicher Treue darzustellen, und die Andeutung der Gefühlspietät, welche im
Wesen desselben lag, wie der Friedensliebe siud von dem Künstler und werdeu
von dem Publikum empfunden. Der alte König in seiner hochaufgeschossener
Gestalt, der ernsten soldatische« Haltung und Miene, in der ganzen zugeknöpf¬
ten Unzugänglichkeit seines Wesens, und doch nicht ohne die milden Züge seines
Charakters, steht vor dem Auge des Beschauers. Deu lieblichsten Triumph aber
bereitete Drake seiner Kunst durch das an dem Postament angebrachte Hautrelief,
welches die Freude und deu Genuß an der Natur in den reizendsten Gestalten
und Gruppen verbildlicht. Es ist nicht leere Allegorie, was uns geboten wird,
sondern eine Fülle von friedlichem, heiterem Genußleben, und uur die Deutung
auf die Verschönerung des Thiergartens dnrch den König, welcher das in diesem
Parke aufgestellte Denkmal in dankbarer Erinnerung gewidmet ist, legt eine alle¬
gorische Beziehung in die lebensvolle Sinnlichkeit der plastischen Erscheinung.

Die Errungenschaft der Berliner Bildhauerschule durch Schadow und
Rauch läßt sich in einem einzigen, aber gewichtigen Worte zusammenfassen: es
ist ein wahrer historischer, uuserer Nationalität und unserem Le¬
ben entsprechender Stil, der ihre Meisterwerke auszeichnet und sie nament¬
lich von der Münchener Schule wesentlich unterscheidet. Nicht als ob der senti¬
mentale Idealismus, der an der Jsar seine Heimath findet, an der Spree gar
keine Vertreter zähle, aber es ist kein Schwauthaler, es ist Kiß und
Friedrich Tieck, während die ersten Sterne sich in ganz entgegengesetzten
Bahnen bewegen. Die antikisirende Richtung des verallgemeinernden Idealis¬
mus wurde vor uicht langer Zeit anch hier durch eiuen bedeutenden Maun
vertreten, durch den Architekten Sckinkel, der einen entschiedenen Gegensatz
zu der Rauch'schen Richtung bildete. Seine Entwürfe zu Giebelfeldern und
sonstigem bildhauerischen Schmuck der vou ihm errichteten Bauwerke sind alle
in diesem Stile, in strengen, aber sehr allgemeinen und wenig lebendigen Schön-
heitslinien abgefaßt und in abstrakten Begriffen gedacht. Der Fries an der
neuen Wache wie an dem Packhofsgebäude, die vou Kiß ausgeführte Amazone
wurden uach Schinkel'scheu Zeichnungen und Angaben gearbeitet. Man darf
hierbei jedoch nicht vergessen, daß diese Richtung der Sculptur in voller Har-


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[0375] Geistvoller und gedankenreicher schloß Christian Rauch sich der Schadow- schen Richtung an. Der sinnende Scharnhorst, der ans sein Schwert gestützte, mit männlich ruhigem Blicke deu Feind messende Bülow, der von dem Künstler im brausenden Sturm der Schlacht ergriffene feurige Reitersmann Blücher, jene beiden in Marmor, dieser in Erz zu Seiten und gegenüber der neuen Wache ausgestellt, sind das Schönste, was Berlin in monumentaler Gattung ausweisen kann. neuerdings hat sich Drake mit seinem Standbilde Friedrich Wilhelm des Dritten dem älteren,, jetzt greisen Meister würdig an die Seite gestellt. Die Einfachheit und Schlichtheit des letztverstorbenen Königs verstand er mit außer¬ ordentlicher Treue darzustellen, und die Andeutung der Gefühlspietät, welche im Wesen desselben lag, wie der Friedensliebe siud von dem Künstler und werdeu von dem Publikum empfunden. Der alte König in seiner hochaufgeschossener Gestalt, der ernsten soldatische« Haltung und Miene, in der ganzen zugeknöpf¬ ten Unzugänglichkeit seines Wesens, und doch nicht ohne die milden Züge seines Charakters, steht vor dem Auge des Beschauers. Deu lieblichsten Triumph aber bereitete Drake seiner Kunst durch das an dem Postament angebrachte Hautrelief, welches die Freude und deu Genuß an der Natur in den reizendsten Gestalten und Gruppen verbildlicht. Es ist nicht leere Allegorie, was uns geboten wird, sondern eine Fülle von friedlichem, heiterem Genußleben, und uur die Deutung auf die Verschönerung des Thiergartens dnrch den König, welcher das in diesem Parke aufgestellte Denkmal in dankbarer Erinnerung gewidmet ist, legt eine alle¬ gorische Beziehung in die lebensvolle Sinnlichkeit der plastischen Erscheinung. Die Errungenschaft der Berliner Bildhauerschule durch Schadow und Rauch läßt sich in einem einzigen, aber gewichtigen Worte zusammenfassen: es ist ein wahrer historischer, uuserer Nationalität und unserem Le¬ ben entsprechender Stil, der ihre Meisterwerke auszeichnet und sie nament¬ lich von der Münchener Schule wesentlich unterscheidet. Nicht als ob der senti¬ mentale Idealismus, der an der Jsar seine Heimath findet, an der Spree gar keine Vertreter zähle, aber es ist kein Schwauthaler, es ist Kiß und Friedrich Tieck, während die ersten Sterne sich in ganz entgegengesetzten Bahnen bewegen. Die antikisirende Richtung des verallgemeinernden Idealis¬ mus wurde vor uicht langer Zeit anch hier durch eiuen bedeutenden Maun vertreten, durch den Architekten Sckinkel, der einen entschiedenen Gegensatz zu der Rauch'schen Richtung bildete. Seine Entwürfe zu Giebelfeldern und sonstigem bildhauerischen Schmuck der vou ihm errichteten Bauwerke sind alle in diesem Stile, in strengen, aber sehr allgemeinen und wenig lebendigen Schön- heitslinien abgefaßt und in abstrakten Begriffen gedacht. Der Fries an der neuen Wache wie an dem Packhofsgebäude, die vou Kiß ausgeführte Amazone wurden uach Schinkel'scheu Zeichnungen und Angaben gearbeitet. Man darf hierbei jedoch nicht vergessen, daß diese Richtung der Sculptur in voller Har- 46*

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/375>, abgerufen am 28.06.2024.