Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.kümmern sich sonst nicht viel um Politik, haben oft eine seltsame Unwissenheit Ueber die Schleswig-holsteinische Sache sind selbst die meisten Officiere gänzlich Ebenso gut wie mit den Officieren kommt man mit der Mannschaft ans, kümmern sich sonst nicht viel um Politik, haben oft eine seltsame Unwissenheit Ueber die Schleswig-holsteinische Sache sind selbst die meisten Officiere gänzlich Ebenso gut wie mit den Officieren kommt man mit der Mannschaft ans, <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0318" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92056"/> <p xml:id="ID_994" prev="#ID_993"> kümmern sich sonst nicht viel um Politik, haben oft eine seltsame Unwissenheit<lb/> selbst über die gewöhnlichsten Fragen derselben, und beurtheilen Alles von ihrem<lb/> Standpunkte d. h. dem guten oder schlechten Avancement ans. Sehr naiv äußerte,<lb/> sich z. B. ein östreichischer Officier, als er ein Ziimner als Quartier bekam, in<lb/> dem das Bildniß von Klapka hing, das man in Hamburg sehr hänfig findet.<lb/> ,,Das war früher mein special (genauer Freund); der hat viel los im Kops und<lb/> war ein Mordkerl, was das Wissen anbelangt; aber was hat's ihm geholfen?<lb/> Wäre der Takt'ert bei uns geblieben, könnt' er all lang Hauptmann sein, und um<lb/> is er a D—. Na, aber ein tüchtiger Kerl, der'S Handwerk versteht, bleibt er,<lb/> und der Görgei doch immer; und wenn wir viele solche Generäle hätten, könnt's<lb/> uus uicht schaden."</p><lb/> <p xml:id="ID_995"> Ueber die Schleswig-holsteinische Sache sind selbst die meisten Officiere gänzlich<lb/> im Unklaren; doch äußern sie gutmüthig und artig, daß sie lieber den Holsteinern<lb/> als deu Dänen zur Hülse ziehen möchten, wenn es auf ihren Willen ankäme.<lb/> Uebrigens soll denselben, verboten sein, sich an öffentlichen Orten in politische<lb/> Gespräche zu mischen.</p><lb/> <p xml:id="ID_996" next="#ID_997"> Ebenso gut wie mit den Officieren kommt man mit der Mannschaft ans,<lb/> obgleich hier und da einige Excesse vorfielen, die aber sehr streng bestraft<lb/> wurden. Da die Mehrzahl der Soldaten der deutschen Sprache nicht mächtig<lb/> ist, so ist ihre Unterhaltung mit den Qnartiergebern sehr mangelhaft. Die<lb/> Zeichensprache muß das Meiste thun. So sah ich, wie zwei Italiener vom<lb/> Regiment' Erzherzog Albrecht sich mit einer dicken mecklenburgischen Bauerfrau<lb/> herumzankten. Die Italiener wollten Milch haben, und konnten dies der Frau<lb/> nur durch Pantomimen begreiflich machen, welche diese aber durchaus uicht verstand.<lb/> „Nee wat Kierls, kommt dee nich mal düütsch Schranken?" rief die Frau immer ein¬<lb/> mal über das andere ganz verwundert ans, und lachte dabei über die Grimassen<lb/> und Bewegungen der beweglichen Italiener, daß sie ordentlich schlitterte. Nachdem<lb/> die Italiener alle ihre Pantomimen vergeblich erschöpft und dabei manches „de3lig.<lb/> leäesea" ausgestoßen hatten, verfielen sie endlich auf ein verzweifeltes Auskunfts-<lb/> mittel. Der eine der Soldaten warf sich auf Hände und Füße nieder, und brüllte<lb/> dabei laut: „Mus, Mus!" während der andere seinen Chako nahm und die Be-<lb/> wegungen des Melkens an dem in eine Kuh verwandelten Kameraden machte.<lb/> Dazu das dumme Gesicht der Bauerfrau, welche diese Scene verwundert anglotzte<lb/> und ausrief: „Nu siud dee Kierlö ganz verückt worden, see frärt mir am Ende<lb/> noch up." Endlich, als die Pantomimen der Schauspieler auslugen, die Tugend<lb/> der ehrbaren Frau sehr anffallend zu beleidigen, trat ich vor, der Mecklenbur¬<lb/> gerin das Verlangen der Italiener zu verdolmetschen. „Dat hawwen dee Kierls<lb/> man glick Seggen kunnt," meinte sie, ging in die Milchkammer und holte den¬<lb/> selben gutmüthig einen großen Topf voll Milch. ,M1e xr^lo, Lignor^" lautete<lb/> der erstellte Dank der Soldaten. — Trotz der UnVerständlichkeit der Sprache,</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0318]
kümmern sich sonst nicht viel um Politik, haben oft eine seltsame Unwissenheit
selbst über die gewöhnlichsten Fragen derselben, und beurtheilen Alles von ihrem
Standpunkte d. h. dem guten oder schlechten Avancement ans. Sehr naiv äußerte,
sich z. B. ein östreichischer Officier, als er ein Ziimner als Quartier bekam, in
dem das Bildniß von Klapka hing, das man in Hamburg sehr hänfig findet.
,,Das war früher mein special (genauer Freund); der hat viel los im Kops und
war ein Mordkerl, was das Wissen anbelangt; aber was hat's ihm geholfen?
Wäre der Takt'ert bei uns geblieben, könnt' er all lang Hauptmann sein, und um
is er a D—. Na, aber ein tüchtiger Kerl, der'S Handwerk versteht, bleibt er,
und der Görgei doch immer; und wenn wir viele solche Generäle hätten, könnt's
uus uicht schaden."
Ueber die Schleswig-holsteinische Sache sind selbst die meisten Officiere gänzlich
im Unklaren; doch äußern sie gutmüthig und artig, daß sie lieber den Holsteinern
als deu Dänen zur Hülse ziehen möchten, wenn es auf ihren Willen ankäme.
Uebrigens soll denselben, verboten sein, sich an öffentlichen Orten in politische
Gespräche zu mischen.
Ebenso gut wie mit den Officieren kommt man mit der Mannschaft ans,
obgleich hier und da einige Excesse vorfielen, die aber sehr streng bestraft
wurden. Da die Mehrzahl der Soldaten der deutschen Sprache nicht mächtig
ist, so ist ihre Unterhaltung mit den Qnartiergebern sehr mangelhaft. Die
Zeichensprache muß das Meiste thun. So sah ich, wie zwei Italiener vom
Regiment' Erzherzog Albrecht sich mit einer dicken mecklenburgischen Bauerfrau
herumzankten. Die Italiener wollten Milch haben, und konnten dies der Frau
nur durch Pantomimen begreiflich machen, welche diese aber durchaus uicht verstand.
„Nee wat Kierls, kommt dee nich mal düütsch Schranken?" rief die Frau immer ein¬
mal über das andere ganz verwundert ans, und lachte dabei über die Grimassen
und Bewegungen der beweglichen Italiener, daß sie ordentlich schlitterte. Nachdem
die Italiener alle ihre Pantomimen vergeblich erschöpft und dabei manches „de3lig.
leäesea" ausgestoßen hatten, verfielen sie endlich auf ein verzweifeltes Auskunfts-
mittel. Der eine der Soldaten warf sich auf Hände und Füße nieder, und brüllte
dabei laut: „Mus, Mus!" während der andere seinen Chako nahm und die Be-
wegungen des Melkens an dem in eine Kuh verwandelten Kameraden machte.
Dazu das dumme Gesicht der Bauerfrau, welche diese Scene verwundert anglotzte
und ausrief: „Nu siud dee Kierlö ganz verückt worden, see frärt mir am Ende
noch up." Endlich, als die Pantomimen der Schauspieler auslugen, die Tugend
der ehrbaren Frau sehr anffallend zu beleidigen, trat ich vor, der Mecklenbur¬
gerin das Verlangen der Italiener zu verdolmetschen. „Dat hawwen dee Kierls
man glick Seggen kunnt," meinte sie, ging in die Milchkammer und holte den¬
selben gutmüthig einen großen Topf voll Milch. ,M1e xr^lo, Lignor^" lautete
der erstellte Dank der Soldaten. — Trotz der UnVerständlichkeit der Sprache,
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