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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Barkal -- den Felsentempel von Abu Simbel -- die Insel Philan -- den Vorhof
des Tempels von Edfu -- die Obelisken im kleinen Tempelhofe voll Karnak --
die Steinbrüche von Silsilis. Ans diesen Gemälden tritt uns, wenn auch in
Trümmern, mit unbeschreiblichem Eindruck die gigantische Macht der altägyptischen
Kunst entgegen; aber uur um so kleiner, um so schwächlicher erscheint die moderne
Nachahmung, welche dem Alterthume gleicht wie der Baukasten eines Knaben den
Balken, Steinen, Säulen und Bogen, mit denen der Architekt einen Kirchenball
emporrichtet. Die gewaltigen Tempelmassen und Pylonen, die furchtbar riesigen
Steinbilder in starrer Menschenform nöthigen uns Ehrfurcht ab; vor dem Ber¬
liner Modell überschleicht uns ein Lächeln, wir erkennen jene alten Werke hier
kaum in der Ahnung wieder, lind wer zu erkennen glaubt, wird in seinem guten
Glauben an die moderne Steinschrift irregeführt. Man hatte hier, wie durch-
gehends in dem Museum, die Absicht, die Räume in größtmöglicher Harmonie
mit deu aufzustellenden Gegenständen zu halten; aber diese Harmonie ist eben
nicht vorhanden, denn die Kleinlichkeit sympathisirt nicht mit Erhabenheit und
Größe. Verband man hiermit zugleich den Zweck, das Gebände selbst als ent¬
sprechende Form eines mannichfachen Inhalts zu einem vollendeten Kunstwerk zu
machen, so hat man auch diesen Zweck durch eine Mosaik vou Sepien ohne eige-
nen Styl des Ganzen gewiß am allerwenigsten erreicht. Es ist viel Kunst in
dem umfassenden Bau, aber das Viele wird zu keiner Einheit. Die Fortsetzung
unsrer Betrachtung wird diese Ansicht näher begründen.

An das Atrium schließt sich eine Halle, der Hypostylos altägyptischer Tem¬
pelanlagen, worin die hier befindlichen alten Papyrusrollen unter Glas aufgehängt
wurden. Diese Halle endigt in drei Tempelzellen, in deren mittlerer man die
vorher erwähnte sitzende Kolossalstatue des Königs Horns erblickt, während in
den beiden Seitenzellen Altäre und Inschriften aufgestellt sind. Rechts vom Tem¬
pel und Atrium ziehen sich zwei Säle hin, links nimmt ein langer Saal den
entsprechenden Raum ein. Der Ecksaal rechts enthält die von dem Professor
Lepsius mitgebrachten, hier ergänzten und aufgebauten Grabkammern. Unter
ihnen bemerken wir eine, deren Vorderseite ganz mit zwei bis drei Zoll langen
grünen Kacheln bedeckt ist, von denen zwei ächt sind. Man muß es dem Führer
gutwillig glauben, daß es eben die beiden sind, welche er uuter der Menge neu-
fabricirter bezeichnet. Die gegenüberliegende Wand trägt Reliefs, ebenfalls re-
staurirt. Der sich weiter rechts anschließende Saal enthält außer anderen
Alterthümern auch die Mumien. Hierher ist der Inhalt des ehemaligen ägypti¬
schen Museums von Monbijou gekommen. Die Fenster nach der Fa^abe sind
jetzt noch von einem Privathause bedeckt; ans dem Atrium empfängt der Saal
ein sehr trübes Licht, und die Aufstellung in Ecken und Winkeln läßt dieses Licht
noch weniger zur Betrachtung genügend erscheinen. Eine helle Beleuchtung thut
hier noth; aber nach dem Projecte soll nach Wegreißung des lichtraubenden


Barkal — den Felsentempel von Abu Simbel — die Insel Philan — den Vorhof
des Tempels von Edfu — die Obelisken im kleinen Tempelhofe voll Karnak —
die Steinbrüche von Silsilis. Ans diesen Gemälden tritt uns, wenn auch in
Trümmern, mit unbeschreiblichem Eindruck die gigantische Macht der altägyptischen
Kunst entgegen; aber uur um so kleiner, um so schwächlicher erscheint die moderne
Nachahmung, welche dem Alterthume gleicht wie der Baukasten eines Knaben den
Balken, Steinen, Säulen und Bogen, mit denen der Architekt einen Kirchenball
emporrichtet. Die gewaltigen Tempelmassen und Pylonen, die furchtbar riesigen
Steinbilder in starrer Menschenform nöthigen uns Ehrfurcht ab; vor dem Ber¬
liner Modell überschleicht uns ein Lächeln, wir erkennen jene alten Werke hier
kaum in der Ahnung wieder, lind wer zu erkennen glaubt, wird in seinem guten
Glauben an die moderne Steinschrift irregeführt. Man hatte hier, wie durch-
gehends in dem Museum, die Absicht, die Räume in größtmöglicher Harmonie
mit deu aufzustellenden Gegenständen zu halten; aber diese Harmonie ist eben
nicht vorhanden, denn die Kleinlichkeit sympathisirt nicht mit Erhabenheit und
Größe. Verband man hiermit zugleich den Zweck, das Gebände selbst als ent¬
sprechende Form eines mannichfachen Inhalts zu einem vollendeten Kunstwerk zu
machen, so hat man auch diesen Zweck durch eine Mosaik vou Sepien ohne eige-
nen Styl des Ganzen gewiß am allerwenigsten erreicht. Es ist viel Kunst in
dem umfassenden Bau, aber das Viele wird zu keiner Einheit. Die Fortsetzung
unsrer Betrachtung wird diese Ansicht näher begründen.

An das Atrium schließt sich eine Halle, der Hypostylos altägyptischer Tem¬
pelanlagen, worin die hier befindlichen alten Papyrusrollen unter Glas aufgehängt
wurden. Diese Halle endigt in drei Tempelzellen, in deren mittlerer man die
vorher erwähnte sitzende Kolossalstatue des Königs Horns erblickt, während in
den beiden Seitenzellen Altäre und Inschriften aufgestellt sind. Rechts vom Tem¬
pel und Atrium ziehen sich zwei Säle hin, links nimmt ein langer Saal den
entsprechenden Raum ein. Der Ecksaal rechts enthält die von dem Professor
Lepsius mitgebrachten, hier ergänzten und aufgebauten Grabkammern. Unter
ihnen bemerken wir eine, deren Vorderseite ganz mit zwei bis drei Zoll langen
grünen Kacheln bedeckt ist, von denen zwei ächt sind. Man muß es dem Führer
gutwillig glauben, daß es eben die beiden sind, welche er uuter der Menge neu-
fabricirter bezeichnet. Die gegenüberliegende Wand trägt Reliefs, ebenfalls re-
staurirt. Der sich weiter rechts anschließende Saal enthält außer anderen
Alterthümern auch die Mumien. Hierher ist der Inhalt des ehemaligen ägypti¬
schen Museums von Monbijou gekommen. Die Fenster nach der Fa^abe sind
jetzt noch von einem Privathause bedeckt; ans dem Atrium empfängt der Saal
ein sehr trübes Licht, und die Aufstellung in Ecken und Winkeln läßt dieses Licht
noch weniger zur Betrachtung genügend erscheinen. Eine helle Beleuchtung thut
hier noth; aber nach dem Projecte soll nach Wegreißung des lichtraubenden


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/298>, abgerufen am 23.06.2024.