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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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Von Nobotverhaltnissen also ist hier keine Spur mehr zu siudeu, und die
Thätigkeit der Geueralcommissiou, die mau hier mit deu Regierungen vereinigt
hat, beschränkt sich schon seit lauge uur auf die Gemeiuheitötheilungeu; ein Ver-
fahren, welches bei dem hiesigem Bauerstaude eigentlich sehr leicht Eingang ge¬
sund en hat.

Bei den Anstrengungen, zu welchen die klimatischen Verhältnisse hier den
Ackerbauer nöthigen, würden anch die Leistungen unfreier Arbeiter gar nicht aus-
reichend sein. Die Zeit für die Feldarbeiter ist in Vergleich zu andern sehr
wesentlich verkürzt; während man sich z. B. in Ostpreußen von einer nach dem
55. September eingesäeten Winterung nichts Rechtes mehr verspricht, habe ich
in Schlesien noch Mitte Novembers mit vollem Zutrauen Saaten einstreuen und
Ende Februar schou wieder die Frühjahröackerung beginnen gesehen.

Die Bodenverhältnisse der Provinz find im Durchschnitt günstige zu nennen;
die Niederungen der Weichsel und Nogat und die der Memel, die erstere in der
Rindviehzucht, die letztere in der Pferdezucht Bedeutendes leistend, haben ganz
außerordentliche Bodeukräfte; anf die Weiden Lithauens werdeu z. B. fast alle
auf den preußischen Nemontemärkteu gekauften 3jährigen Pferde geschickt, um dort
sich zu felddieusttüchligeu Pferden zu formiren und im 5ten Jahre in die ein"
zelnen Cavalerieregimenter vertheilt zu werdeu. -- Das ganze Bisthum Ermeland
ist seines Leinbaues wegen renommirt, und manche schlesische Leinenfabrik, wie
z. B. die vou Kramsta in Freiburg, könnte Ihnen mit sehr bedeutenden Zahlen
ihren jährlichen Consum von ostpreußischen Flachs angeben. -- Elbing und seine
Umgegend hat einen Reichthum an Obst, besonders Kernobst, der vielleicht kaum
in ganz Deutschland übertroffen wird.

ES gibt auch recht dürftigen Boden in Ostpreußen, besouders in Masuren
und in dem Landstrich von Stargard bis zur märkischen Grenze, allein anch in
diesen vou der Natur uur kümmerlich ausgestatteten Gegenden darf man kein
irisches oder oberschlesisckeö Elend suchen. Das Glück dieser Gegenden ist, daß
sie nur dünn bevölkert sind.

In Masuren hat es, ich glaube im Winter 1844/45 eine Hungersnot!) ge¬
geben; eS reiste sogar ein Regierungsrath nach Volhynien, um Korneiukäufe zu
macheu; ob das Volhynische Korn viel geholfen hat, lasse> ich dahingestellt; daß
sich aber die Regierung damals genöthigt sah, mehrere Chausseebauten in Masu¬
ren, welches bis dahin fast vou jeder Communication mit deu andern Theilen
der Provinz abgeschnitten war, energisch in Angriff zu nehmen, das hat entschie¬
den geholfen, und einige Gesinnungstüchtige wollen sogar behaupten, es wäre nie
so weit gekommen, wenn die Herstellung ordentlicher Communicationsmittel für
jene Gegeud uicht uuverauiwortlich vernachlässigt worden wäre. -- Dem sei, wie
ihm wolle, jeues Huugerjahr ist ohne sonderliche Nachwehen vorübergegangen;
ein Zeichen, daß die Noth so sehr groß eben nicht gewesen sein kann. --


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Von Nobotverhaltnissen also ist hier keine Spur mehr zu siudeu, und die
Thätigkeit der Geueralcommissiou, die mau hier mit deu Regierungen vereinigt
hat, beschränkt sich schon seit lauge uur auf die Gemeiuheitötheilungeu; ein Ver-
fahren, welches bei dem hiesigem Bauerstaude eigentlich sehr leicht Eingang ge¬
sund en hat.

Bei den Anstrengungen, zu welchen die klimatischen Verhältnisse hier den
Ackerbauer nöthigen, würden anch die Leistungen unfreier Arbeiter gar nicht aus-
reichend sein. Die Zeit für die Feldarbeiter ist in Vergleich zu andern sehr
wesentlich verkürzt; während man sich z. B. in Ostpreußen von einer nach dem
55. September eingesäeten Winterung nichts Rechtes mehr verspricht, habe ich
in Schlesien noch Mitte Novembers mit vollem Zutrauen Saaten einstreuen und
Ende Februar schou wieder die Frühjahröackerung beginnen gesehen.

Die Bodenverhältnisse der Provinz find im Durchschnitt günstige zu nennen;
die Niederungen der Weichsel und Nogat und die der Memel, die erstere in der
Rindviehzucht, die letztere in der Pferdezucht Bedeutendes leistend, haben ganz
außerordentliche Bodeukräfte; anf die Weiden Lithauens werdeu z. B. fast alle
auf den preußischen Nemontemärkteu gekauften 3jährigen Pferde geschickt, um dort
sich zu felddieusttüchligeu Pferden zu formiren und im 5ten Jahre in die ein»
zelnen Cavalerieregimenter vertheilt zu werdeu. — Das ganze Bisthum Ermeland
ist seines Leinbaues wegen renommirt, und manche schlesische Leinenfabrik, wie
z. B. die vou Kramsta in Freiburg, könnte Ihnen mit sehr bedeutenden Zahlen
ihren jährlichen Consum von ostpreußischen Flachs angeben. — Elbing und seine
Umgegend hat einen Reichthum an Obst, besonders Kernobst, der vielleicht kaum
in ganz Deutschland übertroffen wird.

ES gibt auch recht dürftigen Boden in Ostpreußen, besouders in Masuren
und in dem Landstrich von Stargard bis zur märkischen Grenze, allein anch in
diesen vou der Natur uur kümmerlich ausgestatteten Gegenden darf man kein
irisches oder oberschlesisckeö Elend suchen. Das Glück dieser Gegenden ist, daß
sie nur dünn bevölkert sind.

In Masuren hat es, ich glaube im Winter 1844/45 eine Hungersnot!) ge¬
geben; eS reiste sogar ein Regierungsrath nach Volhynien, um Korneiukäufe zu
macheu; ob das Volhynische Korn viel geholfen hat, lasse> ich dahingestellt; daß
sich aber die Regierung damals genöthigt sah, mehrere Chausseebauten in Masu¬
ren, welches bis dahin fast vou jeder Communication mit deu andern Theilen
der Provinz abgeschnitten war, energisch in Angriff zu nehmen, das hat entschie¬
den geholfen, und einige Gesinnungstüchtige wollen sogar behaupten, es wäre nie
so weit gekommen, wenn die Herstellung ordentlicher Communicationsmittel für
jene Gegeud uicht uuverauiwortlich vernachlässigt worden wäre. — Dem sei, wie
ihm wolle, jeues Huugerjahr ist ohne sonderliche Nachwehen vorübergegangen;
ein Zeichen, daß die Noth so sehr groß eben nicht gewesen sein kann. —


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[0271] Von Nobotverhaltnissen also ist hier keine Spur mehr zu siudeu, und die Thätigkeit der Geueralcommissiou, die mau hier mit deu Regierungen vereinigt hat, beschränkt sich schon seit lauge uur auf die Gemeiuheitötheilungeu; ein Ver- fahren, welches bei dem hiesigem Bauerstaude eigentlich sehr leicht Eingang ge¬ sund en hat. Bei den Anstrengungen, zu welchen die klimatischen Verhältnisse hier den Ackerbauer nöthigen, würden anch die Leistungen unfreier Arbeiter gar nicht aus- reichend sein. Die Zeit für die Feldarbeiter ist in Vergleich zu andern sehr wesentlich verkürzt; während man sich z. B. in Ostpreußen von einer nach dem 55. September eingesäeten Winterung nichts Rechtes mehr verspricht, habe ich in Schlesien noch Mitte Novembers mit vollem Zutrauen Saaten einstreuen und Ende Februar schou wieder die Frühjahröackerung beginnen gesehen. Die Bodenverhältnisse der Provinz find im Durchschnitt günstige zu nennen; die Niederungen der Weichsel und Nogat und die der Memel, die erstere in der Rindviehzucht, die letztere in der Pferdezucht Bedeutendes leistend, haben ganz außerordentliche Bodeukräfte; anf die Weiden Lithauens werdeu z. B. fast alle auf den preußischen Nemontemärkteu gekauften 3jährigen Pferde geschickt, um dort sich zu felddieusttüchligeu Pferden zu formiren und im 5ten Jahre in die ein» zelnen Cavalerieregimenter vertheilt zu werdeu. — Das ganze Bisthum Ermeland ist seines Leinbaues wegen renommirt, und manche schlesische Leinenfabrik, wie z. B. die vou Kramsta in Freiburg, könnte Ihnen mit sehr bedeutenden Zahlen ihren jährlichen Consum von ostpreußischen Flachs angeben. — Elbing und seine Umgegend hat einen Reichthum an Obst, besonders Kernobst, der vielleicht kaum in ganz Deutschland übertroffen wird. ES gibt auch recht dürftigen Boden in Ostpreußen, besouders in Masuren und in dem Landstrich von Stargard bis zur märkischen Grenze, allein anch in diesen vou der Natur uur kümmerlich ausgestatteten Gegenden darf man kein irisches oder oberschlesisckeö Elend suchen. Das Glück dieser Gegenden ist, daß sie nur dünn bevölkert sind. In Masuren hat es, ich glaube im Winter 1844/45 eine Hungersnot!) ge¬ geben; eS reiste sogar ein Regierungsrath nach Volhynien, um Korneiukäufe zu macheu; ob das Volhynische Korn viel geholfen hat, lasse> ich dahingestellt; daß sich aber die Regierung damals genöthigt sah, mehrere Chausseebauten in Masu¬ ren, welches bis dahin fast vou jeder Communication mit deu andern Theilen der Provinz abgeschnitten war, energisch in Angriff zu nehmen, das hat entschie¬ den geholfen, und einige Gesinnungstüchtige wollen sogar behaupten, es wäre nie so weit gekommen, wenn die Herstellung ordentlicher Communicationsmittel für jene Gegeud uicht uuverauiwortlich vernachlässigt worden wäre. — Dem sei, wie ihm wolle, jeues Huugerjahr ist ohne sonderliche Nachwehen vorübergegangen; ein Zeichen, daß die Noth so sehr groß eben nicht gewesen sein kann. — 33^

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/271>, abgerufen am 23.06.2024.