Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

oder 5 bebaut, der Nest liegt todt. Und welche Geschäfte machen nun die großen
Güter selbst? Im Besitze eines äußerst gewandten und gründlich praktischen
Mannes, der neben der genauesten Kenntniß des commerziellen Verkehrs im
Großen auch ein geübtes Ange sür die untergeordneten einzelnen Wirthschafts¬
branchen hat, können sie einen ihrem Capitalöwerth entsprechenden Ertrag ge¬
währen, und haben allerdings dann den Vortheil, daß sie es eher wagen können,
mit neuen landwirtschaftlichen Erfahrungen oder Theorien zu experimentiren, und
daß sie insofern als Mnsterwirthschaften für die kleinen dienen. Aber ein solches
glückliches Zusammentreffen ist nicht gewöhnlich, und wo es uicht stattfindet, tragen
die großen Gütercomplexe entweder höchstens die Administrationskosten -- an
Beispielen in dieser Beziehung ist Oberschlesien uicht arm -- oder, und das ist
der günstigste Fall, sie sind in kleinen Parzellen verpachtet und bringen so immer
einen gewissen Reinertrag. Daß sich aber Grund und Boden in den Händen
eines Pächters lauge uicht so wohl befiudeu, als in denen des Besitzers, ist bekannt.

In Ostpreußen-siud die Verhältnisse in dieser Beziehung ungleich günstige;
der größte Theil des Bodens liegt in Bauerwirthschasten von durchschnittlich 100
bis 290 Morgen Areal, daneben siudet sich eine entsprechende Anzahl kleiner "Ritter¬
güter" vou 500-1500 Morgen; die Zahl der Güter mit über 2000 Morgen
Areal ist im Verhältniß hierzu gering. In den fruchtbarsten Gegenden der Pro-
vinz, den Niederungen und Werbern finden sich nnr sehr wenige Güter mit
mehr als etwa 250 Morgen und diese haben dann schou eiuen gemeinen Werth
von 30,000 Thaler und darüber --

Ein zweiter, uicht minder schwer wiegender Umstand, dem Ostpreußens
Agricultur ihre günstigen Erfolge danken muß, ist der, daß Zwaugsarbeits- oder
sogenannte NobotverlMnisse hier immer nur in sehr geringem Maße vorhanden
waren und daß sie, als das betreffende Gesetz über Ablösbarst derselben erschien,
wie mit einem Schlage aufhörten; es ist heute schou schwierig, über diese Ver-
hältnisse einige Auskunft zu erhalten; die Zeit derselben liegt schon zu weit zurück;
so viel aber ist bestimmt, daß, soweit mau uur in der Geschichte der Provinz
zurückgehen kann, man immer schon neben den Rittergütern eine große Zahl
ganz freier Bauergüter siudet, die uach dem sogenannten entmischen Rechte ge¬
stiftet waren (mau nennt sie noch heute "Mimische Güter" und ihre Besitzer
"Köllner"). Die Verdienste des deutscheu Ordens um die Cultur des Laudes
müssen sehr hoch angeschlagen werden; jeden Zollbreit Landes, den er mit dem
Schwerte der preußischen Urbevölkerung abgerungen, war er sofort eifrigst be¬
müht, an tüchtige bebaueude Hände zu vergeben; die jungen Colonien wurden
mit einer, sür die damalige Zeit bewundernswerthen Sorgfalt geschützt und ge¬
pflegt, und deutscher Fleiß hat in diesem abgelegenen Winkel schon die schönsten
Blüthen in Sicherheit getrieben, als in ganz Deutschland noch das Faustrecht
herrschte. '


oder 5 bebaut, der Nest liegt todt. Und welche Geschäfte machen nun die großen
Güter selbst? Im Besitze eines äußerst gewandten und gründlich praktischen
Mannes, der neben der genauesten Kenntniß des commerziellen Verkehrs im
Großen auch ein geübtes Ange sür die untergeordneten einzelnen Wirthschafts¬
branchen hat, können sie einen ihrem Capitalöwerth entsprechenden Ertrag ge¬
währen, und haben allerdings dann den Vortheil, daß sie es eher wagen können,
mit neuen landwirtschaftlichen Erfahrungen oder Theorien zu experimentiren, und
daß sie insofern als Mnsterwirthschaften für die kleinen dienen. Aber ein solches
glückliches Zusammentreffen ist nicht gewöhnlich, und wo es uicht stattfindet, tragen
die großen Gütercomplexe entweder höchstens die Administrationskosten — an
Beispielen in dieser Beziehung ist Oberschlesien uicht arm — oder, und das ist
der günstigste Fall, sie sind in kleinen Parzellen verpachtet und bringen so immer
einen gewissen Reinertrag. Daß sich aber Grund und Boden in den Händen
eines Pächters lauge uicht so wohl befiudeu, als in denen des Besitzers, ist bekannt.

In Ostpreußen-siud die Verhältnisse in dieser Beziehung ungleich günstige;
der größte Theil des Bodens liegt in Bauerwirthschasten von durchschnittlich 100
bis 290 Morgen Areal, daneben siudet sich eine entsprechende Anzahl kleiner „Ritter¬
güter" vou 500-1500 Morgen; die Zahl der Güter mit über 2000 Morgen
Areal ist im Verhältniß hierzu gering. In den fruchtbarsten Gegenden der Pro-
vinz, den Niederungen und Werbern finden sich nnr sehr wenige Güter mit
mehr als etwa 250 Morgen und diese haben dann schou eiuen gemeinen Werth
von 30,000 Thaler und darüber —

Ein zweiter, uicht minder schwer wiegender Umstand, dem Ostpreußens
Agricultur ihre günstigen Erfolge danken muß, ist der, daß Zwaugsarbeits- oder
sogenannte NobotverlMnisse hier immer nur in sehr geringem Maße vorhanden
waren und daß sie, als das betreffende Gesetz über Ablösbarst derselben erschien,
wie mit einem Schlage aufhörten; es ist heute schou schwierig, über diese Ver-
hältnisse einige Auskunft zu erhalten; die Zeit derselben liegt schon zu weit zurück;
so viel aber ist bestimmt, daß, soweit mau uur in der Geschichte der Provinz
zurückgehen kann, man immer schon neben den Rittergütern eine große Zahl
ganz freier Bauergüter siudet, die uach dem sogenannten entmischen Rechte ge¬
stiftet waren (mau nennt sie noch heute „Mimische Güter" und ihre Besitzer
„Köllner"). Die Verdienste des deutscheu Ordens um die Cultur des Laudes
müssen sehr hoch angeschlagen werden; jeden Zollbreit Landes, den er mit dem
Schwerte der preußischen Urbevölkerung abgerungen, war er sofort eifrigst be¬
müht, an tüchtige bebaueude Hände zu vergeben; die jungen Colonien wurden
mit einer, sür die damalige Zeit bewundernswerthen Sorgfalt geschützt und ge¬
pflegt, und deutscher Fleiß hat in diesem abgelegenen Winkel schon die schönsten
Blüthen in Sicherheit getrieben, als in ganz Deutschland noch das Faustrecht
herrschte. '


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0270" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92008"/>
          <p xml:id="ID_846" prev="#ID_845"> oder 5 bebaut, der Nest liegt todt. Und welche Geschäfte machen nun die großen<lb/>
Güter selbst? Im Besitze eines äußerst gewandten und gründlich praktischen<lb/>
Mannes, der neben der genauesten Kenntniß des commerziellen Verkehrs im<lb/>
Großen auch ein geübtes Ange sür die untergeordneten einzelnen Wirthschafts¬<lb/>
branchen hat, können sie einen ihrem Capitalöwerth entsprechenden Ertrag ge¬<lb/>
währen, und haben allerdings dann den Vortheil, daß sie es eher wagen können,<lb/>
mit neuen landwirtschaftlichen Erfahrungen oder Theorien zu experimentiren, und<lb/>
daß sie insofern als Mnsterwirthschaften für die kleinen dienen. Aber ein solches<lb/>
glückliches Zusammentreffen ist nicht gewöhnlich, und wo es uicht stattfindet, tragen<lb/>
die großen Gütercomplexe entweder höchstens die Administrationskosten &#x2014; an<lb/>
Beispielen in dieser Beziehung ist Oberschlesien uicht arm &#x2014; oder, und das ist<lb/>
der günstigste Fall, sie sind in kleinen Parzellen verpachtet und bringen so immer<lb/>
einen gewissen Reinertrag. Daß sich aber Grund und Boden in den Händen<lb/>
eines Pächters lauge uicht so wohl befiudeu, als in denen des Besitzers, ist bekannt.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_847"> In Ostpreußen-siud die Verhältnisse in dieser Beziehung ungleich günstige;<lb/>
der größte Theil des Bodens liegt in Bauerwirthschasten von durchschnittlich 100<lb/>
bis 290 Morgen Areal, daneben siudet sich eine entsprechende Anzahl kleiner &#x201E;Ritter¬<lb/>
güter" vou 500-1500 Morgen; die Zahl der Güter mit über 2000 Morgen<lb/>
Areal ist im Verhältniß hierzu gering. In den fruchtbarsten Gegenden der Pro-<lb/>
vinz, den Niederungen und Werbern finden sich nnr sehr wenige Güter mit<lb/>
mehr als etwa 250 Morgen und diese haben dann schou eiuen gemeinen Werth<lb/>
von 30,000 Thaler und darüber &#x2014;</p><lb/>
          <p xml:id="ID_848"> Ein zweiter, uicht minder schwer wiegender Umstand, dem Ostpreußens<lb/>
Agricultur ihre günstigen Erfolge danken muß, ist der, daß Zwaugsarbeits- oder<lb/>
sogenannte NobotverlMnisse hier immer nur in sehr geringem Maße vorhanden<lb/>
waren und daß sie, als das betreffende Gesetz über Ablösbarst derselben erschien,<lb/>
wie mit einem Schlage aufhörten; es ist heute schou schwierig, über diese Ver-<lb/>
hältnisse einige Auskunft zu erhalten; die Zeit derselben liegt schon zu weit zurück;<lb/>
so viel aber ist bestimmt, daß, soweit mau uur in der Geschichte der Provinz<lb/>
zurückgehen kann, man immer schon neben den Rittergütern eine große Zahl<lb/>
ganz freier Bauergüter siudet, die uach dem sogenannten entmischen Rechte ge¬<lb/>
stiftet waren (mau nennt sie noch heute &#x201E;Mimische Güter" und ihre Besitzer<lb/>
&#x201E;Köllner"). Die Verdienste des deutscheu Ordens um die Cultur des Laudes<lb/>
müssen sehr hoch angeschlagen werden; jeden Zollbreit Landes, den er mit dem<lb/>
Schwerte der preußischen Urbevölkerung abgerungen, war er sofort eifrigst be¬<lb/>
müht, an tüchtige bebaueude Hände zu vergeben; die jungen Colonien wurden<lb/>
mit einer, sür die damalige Zeit bewundernswerthen Sorgfalt geschützt und ge¬<lb/>
pflegt, und deutscher Fleiß hat in diesem abgelegenen Winkel schon die schönsten<lb/>
Blüthen in Sicherheit getrieben, als in ganz Deutschland noch das Faustrecht<lb/>
herrschte. '</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0270] oder 5 bebaut, der Nest liegt todt. Und welche Geschäfte machen nun die großen Güter selbst? Im Besitze eines äußerst gewandten und gründlich praktischen Mannes, der neben der genauesten Kenntniß des commerziellen Verkehrs im Großen auch ein geübtes Ange sür die untergeordneten einzelnen Wirthschafts¬ branchen hat, können sie einen ihrem Capitalöwerth entsprechenden Ertrag ge¬ währen, und haben allerdings dann den Vortheil, daß sie es eher wagen können, mit neuen landwirtschaftlichen Erfahrungen oder Theorien zu experimentiren, und daß sie insofern als Mnsterwirthschaften für die kleinen dienen. Aber ein solches glückliches Zusammentreffen ist nicht gewöhnlich, und wo es uicht stattfindet, tragen die großen Gütercomplexe entweder höchstens die Administrationskosten — an Beispielen in dieser Beziehung ist Oberschlesien uicht arm — oder, und das ist der günstigste Fall, sie sind in kleinen Parzellen verpachtet und bringen so immer einen gewissen Reinertrag. Daß sich aber Grund und Boden in den Händen eines Pächters lauge uicht so wohl befiudeu, als in denen des Besitzers, ist bekannt. In Ostpreußen-siud die Verhältnisse in dieser Beziehung ungleich günstige; der größte Theil des Bodens liegt in Bauerwirthschasten von durchschnittlich 100 bis 290 Morgen Areal, daneben siudet sich eine entsprechende Anzahl kleiner „Ritter¬ güter" vou 500-1500 Morgen; die Zahl der Güter mit über 2000 Morgen Areal ist im Verhältniß hierzu gering. In den fruchtbarsten Gegenden der Pro- vinz, den Niederungen und Werbern finden sich nnr sehr wenige Güter mit mehr als etwa 250 Morgen und diese haben dann schou eiuen gemeinen Werth von 30,000 Thaler und darüber — Ein zweiter, uicht minder schwer wiegender Umstand, dem Ostpreußens Agricultur ihre günstigen Erfolge danken muß, ist der, daß Zwaugsarbeits- oder sogenannte NobotverlMnisse hier immer nur in sehr geringem Maße vorhanden waren und daß sie, als das betreffende Gesetz über Ablösbarst derselben erschien, wie mit einem Schlage aufhörten; es ist heute schou schwierig, über diese Ver- hältnisse einige Auskunft zu erhalten; die Zeit derselben liegt schon zu weit zurück; so viel aber ist bestimmt, daß, soweit mau uur in der Geschichte der Provinz zurückgehen kann, man immer schon neben den Rittergütern eine große Zahl ganz freier Bauergüter siudet, die uach dem sogenannten entmischen Rechte ge¬ stiftet waren (mau nennt sie noch heute „Mimische Güter" und ihre Besitzer „Köllner"). Die Verdienste des deutscheu Ordens um die Cultur des Laudes müssen sehr hoch angeschlagen werden; jeden Zollbreit Landes, den er mit dem Schwerte der preußischen Urbevölkerung abgerungen, war er sofort eifrigst be¬ müht, an tüchtige bebaueude Hände zu vergeben; die jungen Colonien wurden mit einer, sür die damalige Zeit bewundernswerthen Sorgfalt geschützt und ge¬ pflegt, und deutscher Fleiß hat in diesem abgelegenen Winkel schon die schönsten Blüthen in Sicherheit getrieben, als in ganz Deutschland noch das Faustrecht herrschte. '

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/270
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/270>, abgerufen am 23.06.2024.