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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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stand er sehr fern, und es gibt gar viele Lieutenants, ja selbst Hauptleute im
Schleswig-holsteinschen Heere, die nie ein Wort mit ihrem Oberanführer gewechselt
haben. Der kleinere Kreis seiner Umgebung und Alle, welche mit ihm in nähere
Berührung kamen, waren über seine große persönliche Liebenswürdigkeit entzückt.
Ein hoher Sinn, ein warmes Herz, phantasievolle Begeisterung, ein Schatz von
Kenntnissen aller Art, die Gabe, leicht und angenehm zu sprechen, Wohlwollen
und Güte gegen Alle zeichneten ihn ans. Die Milde seines Urtheils und sein
Vertrauen zu deu Menschen waren so groß, daß es bei uus oft uicht vom Uebel
gewesen, wenn er energischer aufgetreten wäre und schärfer durchgegriffen hätte.
Zu strengen Strafen war er z. B. nicht leicht zu bringen, und hätten alle unsere
Generale seine Ansichten getheilt, so mare damals, wo Tausende vou Freiwilligen
aus ganz Deutschland bei uus eintraten, ein Einreißen der Indisciplin leicht
möglich gewesen. Ueber die hohe Ehrenhaftigkeit von Willisen herrscht in der
ganzen Armee nur eine Stimme, jede, auch die geringste Veruuglimpfung derselben
ist eine niederträchtige Verleumdung. Den Oberbefehl hat der General nieder¬
gelegt, weil er uuter deu gegenwärtigen Verhältnissen für die Defensive, die
Statthalterschaft aber für die schnellste energische Offensive war, und er mit Recht
für die Pflicht eines Oberanführers hielt, bei einem solchen Zwiespalt der Ansichten
gegenüber der höchsten Landesbehörde seine Stelle niederzulegen. Was man von
der bedeutenden Geldsumme, die Geueral v. Willisen aus Schleswig-Holstein jetzt
erhalte, erzählt, ist reine Fabel. Es ist demselben für seine Lebenszeit die gleiche
Pension, welche er in Preußen erhielt und aufgeben mußte, als er in schleswig-
holsteiusche Dienste übertrat, garautivt wordeu. Das verstand sich von selbst, und
es ist abgeschmackt, darüber Glossen zu machen.

Dem General v. Willisen ist vor Kurzem der Geueral Frhr. v. d. Horst im
Oberbefehl der Armee gefolgt. Er stammt aus eiuer alten preußischen Soldateu-
familie, trat sehr jung in Dienst, machte deu russischen Feldzug mit und ward
1813 von den Dänen bei Sehstadt schwer verwundet. In dem langen Frieden
zeichnete er sich durch unermüdliche Dieuststreuge und große Thätigkeit aus.
Zuletzt befehligte er 1848 das aus lauter Polen bestehende 19. Infanterie-Re-
giment in Posen, und seine große Energie wußte diese so zu bändigen, daß sie
willig gegen ihre eigenen Landsleute uuter deu Mieroslawsky'scheu Schaaren
fochten. Seine Heirath mit eiuer jungen Polin war später wohl der Hauptgrund,
daß er seinen Abschied aus preußischen Diensten nahm, worauf er im Frühling
185K als Generalmajor, Chef einer Brigade und Inspecteur sämmtlicher Jäger-
corps in die sthleöwig-holsteinische Armee trat. In dieser wußte Geueral v. d.
Horst sich bald einen bekannten, ja gefürchteten Namen zu erwerbe". Die Ba-
taillone seiner Beigabe lernten vorzugsweise rasch deu Dienst, in ihnen herrschte
eine Disciplin, wie sie uicht besser zu wünschen war. Rastlos thätig, aber gleiche
Thätigkeit vou alleu seinen Untergebenen fordernd, schnell, hitzig, ein Sprühtenfel,


stand er sehr fern, und es gibt gar viele Lieutenants, ja selbst Hauptleute im
Schleswig-holsteinschen Heere, die nie ein Wort mit ihrem Oberanführer gewechselt
haben. Der kleinere Kreis seiner Umgebung und Alle, welche mit ihm in nähere
Berührung kamen, waren über seine große persönliche Liebenswürdigkeit entzückt.
Ein hoher Sinn, ein warmes Herz, phantasievolle Begeisterung, ein Schatz von
Kenntnissen aller Art, die Gabe, leicht und angenehm zu sprechen, Wohlwollen
und Güte gegen Alle zeichneten ihn ans. Die Milde seines Urtheils und sein
Vertrauen zu deu Menschen waren so groß, daß es bei uus oft uicht vom Uebel
gewesen, wenn er energischer aufgetreten wäre und schärfer durchgegriffen hätte.
Zu strengen Strafen war er z. B. nicht leicht zu bringen, und hätten alle unsere
Generale seine Ansichten getheilt, so mare damals, wo Tausende vou Freiwilligen
aus ganz Deutschland bei uus eintraten, ein Einreißen der Indisciplin leicht
möglich gewesen. Ueber die hohe Ehrenhaftigkeit von Willisen herrscht in der
ganzen Armee nur eine Stimme, jede, auch die geringste Veruuglimpfung derselben
ist eine niederträchtige Verleumdung. Den Oberbefehl hat der General nieder¬
gelegt, weil er uuter deu gegenwärtigen Verhältnissen für die Defensive, die
Statthalterschaft aber für die schnellste energische Offensive war, und er mit Recht
für die Pflicht eines Oberanführers hielt, bei einem solchen Zwiespalt der Ansichten
gegenüber der höchsten Landesbehörde seine Stelle niederzulegen. Was man von
der bedeutenden Geldsumme, die Geueral v. Willisen aus Schleswig-Holstein jetzt
erhalte, erzählt, ist reine Fabel. Es ist demselben für seine Lebenszeit die gleiche
Pension, welche er in Preußen erhielt und aufgeben mußte, als er in schleswig-
holsteiusche Dienste übertrat, garautivt wordeu. Das verstand sich von selbst, und
es ist abgeschmackt, darüber Glossen zu machen.

Dem General v. Willisen ist vor Kurzem der Geueral Frhr. v. d. Horst im
Oberbefehl der Armee gefolgt. Er stammt aus eiuer alten preußischen Soldateu-
familie, trat sehr jung in Dienst, machte deu russischen Feldzug mit und ward
1813 von den Dänen bei Sehstadt schwer verwundet. In dem langen Frieden
zeichnete er sich durch unermüdliche Dieuststreuge und große Thätigkeit aus.
Zuletzt befehligte er 1848 das aus lauter Polen bestehende 19. Infanterie-Re-
giment in Posen, und seine große Energie wußte diese so zu bändigen, daß sie
willig gegen ihre eigenen Landsleute uuter deu Mieroslawsky'scheu Schaaren
fochten. Seine Heirath mit eiuer jungen Polin war später wohl der Hauptgrund,
daß er seinen Abschied aus preußischen Diensten nahm, worauf er im Frühling
185K als Generalmajor, Chef einer Brigade und Inspecteur sämmtlicher Jäger-
corps in die sthleöwig-holsteinische Armee trat. In dieser wußte Geueral v. d.
Horst sich bald einen bekannten, ja gefürchteten Namen zu erwerbe«. Die Ba-
taillone seiner Beigabe lernten vorzugsweise rasch deu Dienst, in ihnen herrschte
eine Disciplin, wie sie uicht besser zu wünschen war. Rastlos thätig, aber gleiche
Thätigkeit vou alleu seinen Untergebenen fordernd, schnell, hitzig, ein Sprühtenfel,


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/27>, abgerufen am 20.06.2024.