Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

Bild:
<< vorherige Seite

hat doch die kleine Schleswig-holsteinische Armee unter Bonin mit ihren 20,000
Mann dem Feinde 5mal mehr Verluste zugefügt, als das ganze übrige Reichs-
heer mit seinen 80,000 Mann, die man aus allen Heerestheilen Deutschlands
zusammengeholt hatte.

Im geselligen Verkehr ist General v. Bonin von biederer Offenheit und
ohne jegliche Prätension; er und seine ganze Familie haben sich in den Herzogthümern
viele persönliche Freunde erworben. Jenes Schreiben, dnrch welches er der
Statthalterschaft für Uebersendung des Feldzugskreuzes in eiuer Zeit so warm
dankt, wo er wieder in preußischen Diensten steht und sein Fürst aufgehört hat,
mit deu Herzogtümern zu sympathisiren, charakterisirt ihn und seine gute Stellung
zum Laude.

Der Nachfolger des Herrn von Bonin wurde im Frühling 1850 der frühere
preußische Geueral von Willisen; freudig begrüßt trat er zu uns, mit ihm eine
Zahl neuer, wackerer Führer als Ersatz der tüchtigen Männer, die mit General
von Bonin das Heer verlassen mußten. General von Willisen hat Unglück, leider
nnr zu viel Unglück bei uns gehabt, und da der große Haufe nach dem Erfolge
zu urtheilen pflegt, es ihm anch nicht an Feinden und Neidern fehlte, so sind unge¬
rechte Urtheile über ihn gefällt worden. Es mag sein, daß Willisen Manches
hätte anders und besser anfangen können. Er hat im Anfang die Sache zu
leicht genommen und ist bei Jdstedt vielleicht unvorsichtig gewesen. Wie
viele geistreiche Männer, war auch er vou einer neuen Idee zu leicht hinge¬
rissen. Die Veränderungen in der Organisation des Heeres kurz vor dem Beginn
des Feldzuges und die zu späte Einberufung vieler Beurlaubten, die theilweise erst
wenige Tage vor dem Kampfe bei Jdstedt beim Heere eintrafen und in der Schlacht
nicht allzuviel Nutzen leisteten, sind unserer Anstedt uach die administrativen Fehler,
die man General Willisen bei uns vorwerfen könnte. Sich als großen Feldherrn zu
zeigen und seiue strategischen Talente zu entwickeln, erlaubte ihm das enge, be¬
schränkte Knegstheater in Schleswig-Holstein sehr wenig, und selbst ein Napoleon
sollte es wohl lassen, hier große Manöver zu machen, da jede größere Operation
ans 5 -- 6 Meilen Breite vom Meer beengt ist. Nuhe im Gefecht und Kalt¬
blütigkeit des Geistes hat Geueral v. Willisen wiederholt bewährt, z. B. wurde
der Rückzug bei Jdstedt vou ihm so gut geleitet, daß die Dänen gar keine Ver¬
folgung zu unternehmen wagten. Noch bei Missunde hat er so ruhig mitten im
heftigsten Feuer der feindlichen Batterien seine Beobachtungen angestellt, als wenn
für ihn gar keine verderblichen Kugeln vorhanden wären. Bei den Soldaten
selbst war Willisen sehr wenig gekannt und sie hatten weder besonderes Vertrauen
noch Mißtrauen zu ihm. Er war der großen Masse derselben zu sein, zu geist¬
reich, zu abgeschlossen. Der General schien selbst zu fühlen, daß er uicht die
Gabe habe, besonders populär zu sein, zeigte sich im Ganzen nur wenig bei den
Truppen und sprach noch seltener zu ihnen. Auch der großen Menge der Officiere


hat doch die kleine Schleswig-holsteinische Armee unter Bonin mit ihren 20,000
Mann dem Feinde 5mal mehr Verluste zugefügt, als das ganze übrige Reichs-
heer mit seinen 80,000 Mann, die man aus allen Heerestheilen Deutschlands
zusammengeholt hatte.

Im geselligen Verkehr ist General v. Bonin von biederer Offenheit und
ohne jegliche Prätension; er und seine ganze Familie haben sich in den Herzogthümern
viele persönliche Freunde erworben. Jenes Schreiben, dnrch welches er der
Statthalterschaft für Uebersendung des Feldzugskreuzes in eiuer Zeit so warm
dankt, wo er wieder in preußischen Diensten steht und sein Fürst aufgehört hat,
mit deu Herzogtümern zu sympathisiren, charakterisirt ihn und seine gute Stellung
zum Laude.

Der Nachfolger des Herrn von Bonin wurde im Frühling 1850 der frühere
preußische Geueral von Willisen; freudig begrüßt trat er zu uns, mit ihm eine
Zahl neuer, wackerer Führer als Ersatz der tüchtigen Männer, die mit General
von Bonin das Heer verlassen mußten. General von Willisen hat Unglück, leider
nnr zu viel Unglück bei uns gehabt, und da der große Haufe nach dem Erfolge
zu urtheilen pflegt, es ihm anch nicht an Feinden und Neidern fehlte, so sind unge¬
rechte Urtheile über ihn gefällt worden. Es mag sein, daß Willisen Manches
hätte anders und besser anfangen können. Er hat im Anfang die Sache zu
leicht genommen und ist bei Jdstedt vielleicht unvorsichtig gewesen. Wie
viele geistreiche Männer, war auch er vou einer neuen Idee zu leicht hinge¬
rissen. Die Veränderungen in der Organisation des Heeres kurz vor dem Beginn
des Feldzuges und die zu späte Einberufung vieler Beurlaubten, die theilweise erst
wenige Tage vor dem Kampfe bei Jdstedt beim Heere eintrafen und in der Schlacht
nicht allzuviel Nutzen leisteten, sind unserer Anstedt uach die administrativen Fehler,
die man General Willisen bei uns vorwerfen könnte. Sich als großen Feldherrn zu
zeigen und seiue strategischen Talente zu entwickeln, erlaubte ihm das enge, be¬
schränkte Knegstheater in Schleswig-Holstein sehr wenig, und selbst ein Napoleon
sollte es wohl lassen, hier große Manöver zu machen, da jede größere Operation
ans 5 — 6 Meilen Breite vom Meer beengt ist. Nuhe im Gefecht und Kalt¬
blütigkeit des Geistes hat Geueral v. Willisen wiederholt bewährt, z. B. wurde
der Rückzug bei Jdstedt vou ihm so gut geleitet, daß die Dänen gar keine Ver¬
folgung zu unternehmen wagten. Noch bei Missunde hat er so ruhig mitten im
heftigsten Feuer der feindlichen Batterien seine Beobachtungen angestellt, als wenn
für ihn gar keine verderblichen Kugeln vorhanden wären. Bei den Soldaten
selbst war Willisen sehr wenig gekannt und sie hatten weder besonderes Vertrauen
noch Mißtrauen zu ihm. Er war der großen Masse derselben zu sein, zu geist¬
reich, zu abgeschlossen. Der General schien selbst zu fühlen, daß er uicht die
Gabe habe, besonders populär zu sein, zeigte sich im Ganzen nur wenig bei den
Truppen und sprach noch seltener zu ihnen. Auch der großen Menge der Officiere


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <pb facs="#f0026" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/91763"/>
          <p xml:id="ID_41" prev="#ID_40"> hat doch die kleine Schleswig-holsteinische Armee unter Bonin mit ihren 20,000<lb/>
Mann dem Feinde 5mal mehr Verluste zugefügt, als das ganze übrige Reichs-<lb/>
heer mit seinen 80,000 Mann, die man aus allen Heerestheilen Deutschlands<lb/>
zusammengeholt hatte.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_42"> Im geselligen Verkehr ist General v. Bonin von biederer Offenheit und<lb/>
ohne jegliche Prätension; er und seine ganze Familie haben sich in den Herzogthümern<lb/>
viele persönliche Freunde erworben. Jenes Schreiben, dnrch welches er der<lb/>
Statthalterschaft für Uebersendung des Feldzugskreuzes in eiuer Zeit so warm<lb/>
dankt, wo er wieder in preußischen Diensten steht und sein Fürst aufgehört hat,<lb/>
mit deu Herzogtümern zu sympathisiren, charakterisirt ihn und seine gute Stellung<lb/>
zum Laude.</p><lb/>
          <p xml:id="ID_43" next="#ID_44"> Der Nachfolger des Herrn von Bonin wurde im Frühling 1850 der frühere<lb/>
preußische Geueral von Willisen; freudig begrüßt trat er zu uns, mit ihm eine<lb/>
Zahl neuer, wackerer Führer als Ersatz der tüchtigen Männer, die mit General<lb/>
von Bonin das Heer verlassen mußten. General von Willisen hat Unglück, leider<lb/>
nnr zu viel Unglück bei uns gehabt, und da der große Haufe nach dem Erfolge<lb/>
zu urtheilen pflegt, es ihm anch nicht an Feinden und Neidern fehlte, so sind unge¬<lb/>
rechte Urtheile über ihn gefällt worden. Es mag sein, daß Willisen Manches<lb/>
hätte anders und besser anfangen können. Er hat im Anfang die Sache zu<lb/>
leicht genommen und ist bei Jdstedt vielleicht unvorsichtig gewesen. Wie<lb/>
viele geistreiche Männer, war auch er vou einer neuen Idee zu leicht hinge¬<lb/>
rissen. Die Veränderungen in der Organisation des Heeres kurz vor dem Beginn<lb/>
des Feldzuges und die zu späte Einberufung vieler Beurlaubten, die theilweise erst<lb/>
wenige Tage vor dem Kampfe bei Jdstedt beim Heere eintrafen und in der Schlacht<lb/>
nicht allzuviel Nutzen leisteten, sind unserer Anstedt uach die administrativen Fehler,<lb/>
die man General Willisen bei uns vorwerfen könnte. Sich als großen Feldherrn zu<lb/>
zeigen und seiue strategischen Talente zu entwickeln, erlaubte ihm das enge, be¬<lb/>
schränkte Knegstheater in Schleswig-Holstein sehr wenig, und selbst ein Napoleon<lb/>
sollte es wohl lassen, hier große Manöver zu machen, da jede größere Operation<lb/>
ans 5 &#x2014; 6 Meilen Breite vom Meer beengt ist. Nuhe im Gefecht und Kalt¬<lb/>
blütigkeit des Geistes hat Geueral v. Willisen wiederholt bewährt, z. B. wurde<lb/>
der Rückzug bei Jdstedt vou ihm so gut geleitet, daß die Dänen gar keine Ver¬<lb/>
folgung zu unternehmen wagten. Noch bei Missunde hat er so ruhig mitten im<lb/>
heftigsten Feuer der feindlichen Batterien seine Beobachtungen angestellt, als wenn<lb/>
für ihn gar keine verderblichen Kugeln vorhanden wären. Bei den Soldaten<lb/>
selbst war Willisen sehr wenig gekannt und sie hatten weder besonderes Vertrauen<lb/>
noch Mißtrauen zu ihm. Er war der großen Masse derselben zu sein, zu geist¬<lb/>
reich, zu abgeschlossen. Der General schien selbst zu fühlen, daß er uicht die<lb/>
Gabe habe, besonders populär zu sein, zeigte sich im Ganzen nur wenig bei den<lb/>
Truppen und sprach noch seltener zu ihnen. Auch der großen Menge der Officiere</p><lb/>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0026] hat doch die kleine Schleswig-holsteinische Armee unter Bonin mit ihren 20,000 Mann dem Feinde 5mal mehr Verluste zugefügt, als das ganze übrige Reichs- heer mit seinen 80,000 Mann, die man aus allen Heerestheilen Deutschlands zusammengeholt hatte. Im geselligen Verkehr ist General v. Bonin von biederer Offenheit und ohne jegliche Prätension; er und seine ganze Familie haben sich in den Herzogthümern viele persönliche Freunde erworben. Jenes Schreiben, dnrch welches er der Statthalterschaft für Uebersendung des Feldzugskreuzes in eiuer Zeit so warm dankt, wo er wieder in preußischen Diensten steht und sein Fürst aufgehört hat, mit deu Herzogtümern zu sympathisiren, charakterisirt ihn und seine gute Stellung zum Laude. Der Nachfolger des Herrn von Bonin wurde im Frühling 1850 der frühere preußische Geueral von Willisen; freudig begrüßt trat er zu uns, mit ihm eine Zahl neuer, wackerer Führer als Ersatz der tüchtigen Männer, die mit General von Bonin das Heer verlassen mußten. General von Willisen hat Unglück, leider nnr zu viel Unglück bei uns gehabt, und da der große Haufe nach dem Erfolge zu urtheilen pflegt, es ihm anch nicht an Feinden und Neidern fehlte, so sind unge¬ rechte Urtheile über ihn gefällt worden. Es mag sein, daß Willisen Manches hätte anders und besser anfangen können. Er hat im Anfang die Sache zu leicht genommen und ist bei Jdstedt vielleicht unvorsichtig gewesen. Wie viele geistreiche Männer, war auch er vou einer neuen Idee zu leicht hinge¬ rissen. Die Veränderungen in der Organisation des Heeres kurz vor dem Beginn des Feldzuges und die zu späte Einberufung vieler Beurlaubten, die theilweise erst wenige Tage vor dem Kampfe bei Jdstedt beim Heere eintrafen und in der Schlacht nicht allzuviel Nutzen leisteten, sind unserer Anstedt uach die administrativen Fehler, die man General Willisen bei uns vorwerfen könnte. Sich als großen Feldherrn zu zeigen und seiue strategischen Talente zu entwickeln, erlaubte ihm das enge, be¬ schränkte Knegstheater in Schleswig-Holstein sehr wenig, und selbst ein Napoleon sollte es wohl lassen, hier große Manöver zu machen, da jede größere Operation ans 5 — 6 Meilen Breite vom Meer beengt ist. Nuhe im Gefecht und Kalt¬ blütigkeit des Geistes hat Geueral v. Willisen wiederholt bewährt, z. B. wurde der Rückzug bei Jdstedt vou ihm so gut geleitet, daß die Dänen gar keine Ver¬ folgung zu unternehmen wagten. Noch bei Missunde hat er so ruhig mitten im heftigsten Feuer der feindlichen Batterien seine Beobachtungen angestellt, als wenn für ihn gar keine verderblichen Kugeln vorhanden wären. Bei den Soldaten selbst war Willisen sehr wenig gekannt und sie hatten weder besonderes Vertrauen noch Mißtrauen zu ihm. Er war der großen Masse derselben zu sein, zu geist¬ reich, zu abgeschlossen. Der General schien selbst zu fühlen, daß er uicht die Gabe habe, besonders populär zu sein, zeigte sich im Ganzen nur wenig bei den Truppen und sprach noch seltener zu ihnen. Auch der großen Menge der Officiere

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/26
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/26>, abgerufen am 20.06.2024.