Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.bisThoru; Danzig selbst mit seinen nächsten Umgebungen ausgenommen, welches Außer in den hier genannten Gegenden ist in Preußen überall deutsche Be¬ bisThoru; Danzig selbst mit seinen nächsten Umgebungen ausgenommen, welches Außer in den hier genannten Gegenden ist in Preußen überall deutsche Be¬ <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <pb facs="#f0268" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/92006"/> <p xml:id="ID_840" prev="#ID_839"> bisThoru; Danzig selbst mit seinen nächsten Umgebungen ausgenommen, welches<lb/> dnrch seine ganze Geschichte — und die ist heute leider das Bedeutendste an ihm —<lb/> durchaus einen deutsch-reichsstädtischen Charakter hat. Nichtdeutsch ist ferner das<lb/> preußische Lithauen, wozu hauptsächlich das Gebiet der Memchnederung bis nach<lb/> Memel herauf zu rechnen ist. Die Lithauer aber haben mit den Slaven gar keine<lb/> Verwandtschaft; sie sind ein gelbhariges, blauäugiges und rein protestantisches<lb/> Volk, deren Sprache auch nicht die geringste Aehnlichkeit mit der polnischen hat;<lb/> innig verwandt mit ihnen muß, soweit man ans der Geschichte, alten Namen?c.<lb/> schließen darf, die Urbevölkerung Preußens gewesen sein, welche durch das Schwert<lb/> des deutschen Ordens und die diesem folgende deutsche Colonisation gänzlich aus¬<lb/> gerottet ist. Als eine Abart der Lithauer siud die Szamaiteu — an der russischen<lb/> Grenze bei Memel — zu nennen, die sich durch ihren kühnen Schmuggelhandel<lb/> und fortwährende Fehden mit den russischen Greuzsoldaten beinahe berühmt ge¬<lb/> macht haben. Uebrigens versteht auch in den lithauischen Kreisen die Mehrzahl<lb/> der Gebildeten, die ganz deutsch siud, die alte Sprache nicht mehr.</p><lb/> <p xml:id="ID_841"> Außer in den hier genannten Gegenden ist in Preußen überall deutsche Be¬<lb/> völkerung; unter dieser zeichnen sich noch die Bewohner der Weichsel- und Nogat-<lb/> Niederungen — einer gesegneten Gegend, aus deren Charakter ich noch einmal<lb/> zurückkomme — eigenthümlich aus; wenn mau ihre sauberm, meist hölzernen Hänser<lb/> sieht, gewöhnlich mit dunkeln Farben, braun und grün oder ähnlich gemalt, die<lb/> Thüren und Fenster mit vielem blanken Messingwerk verziert, die Scheiben spiegelhell,<lb/> und rundum die zierlichsten Blumengärtchen mit Federuelken und Stockrosen, ein¬<lb/> gefriedigt von grün und roth gestrichenen Staketzäunen, und unter der Thüre<lb/> die ehrsamen Hausväter in weißen Hemdärmeln und mit Kniehosen vou schwarzem<lb/> oder dunkelgrünem Manchester, mit unbeschreiblicher Würde kurze Pfeifen rauchend,<lb/> man wird sofort an die Beschreibungen holländischer Scenen erinnert und uuter<lb/> den ersten Leuten, die es wagten, immerdrohender Wassersgefahr zum Trotz, diese<lb/> bis zur Unerschöpflichkeit fruchtbaren Gegenden in Bearbeitung zu nehmen, waren<lb/> auch gewiß viele Holländer, was ich schou daraus schließen möchte, daß sich sehr<lb/> viele Mennoniten — im Munde des Volks heißen sie Manisten — in jener Ge-<lb/> gend finden. — Außer in den genannten polnischen Gegenden Westpreußens ist<lb/> der Katholicismus nnr in dem sogenannten Bisthum Ermeland (den Kreisen<lb/> Braunsberg und Heilsberg mit dem Bischofssitz Frauenburg) vorherrschend.<lb/> Die Bewohner dieses Landstrichs und Lithauens sind es auch allein, die etwas<lb/> Eigenthümliches in ihrer Tracht haben; bei den erstem auch nur die Frauen, die<lb/> starr conservativ an ihren schreiend rothen Wollenröcken und Ueberwürfen von<lb/> schneeweißem, selbstgefertigten Linnen halten. Die höchst malerische Tracht der<lb/> Lithauer und Lithauerinnen zu beschreiben, muß ich verzichten, weil eine Menge<lb/> dahingehöriger Einzelnheiten meinem in solchen Dingen ungeübten Gedächtniß ent¬<lb/> gangen ist. —</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0268]
bisThoru; Danzig selbst mit seinen nächsten Umgebungen ausgenommen, welches
dnrch seine ganze Geschichte — und die ist heute leider das Bedeutendste an ihm —
durchaus einen deutsch-reichsstädtischen Charakter hat. Nichtdeutsch ist ferner das
preußische Lithauen, wozu hauptsächlich das Gebiet der Memchnederung bis nach
Memel herauf zu rechnen ist. Die Lithauer aber haben mit den Slaven gar keine
Verwandtschaft; sie sind ein gelbhariges, blauäugiges und rein protestantisches
Volk, deren Sprache auch nicht die geringste Aehnlichkeit mit der polnischen hat;
innig verwandt mit ihnen muß, soweit man ans der Geschichte, alten Namen?c.
schließen darf, die Urbevölkerung Preußens gewesen sein, welche durch das Schwert
des deutschen Ordens und die diesem folgende deutsche Colonisation gänzlich aus¬
gerottet ist. Als eine Abart der Lithauer siud die Szamaiteu — an der russischen
Grenze bei Memel — zu nennen, die sich durch ihren kühnen Schmuggelhandel
und fortwährende Fehden mit den russischen Greuzsoldaten beinahe berühmt ge¬
macht haben. Uebrigens versteht auch in den lithauischen Kreisen die Mehrzahl
der Gebildeten, die ganz deutsch siud, die alte Sprache nicht mehr.
Außer in den hier genannten Gegenden ist in Preußen überall deutsche Be¬
völkerung; unter dieser zeichnen sich noch die Bewohner der Weichsel- und Nogat-
Niederungen — einer gesegneten Gegend, aus deren Charakter ich noch einmal
zurückkomme — eigenthümlich aus; wenn mau ihre sauberm, meist hölzernen Hänser
sieht, gewöhnlich mit dunkeln Farben, braun und grün oder ähnlich gemalt, die
Thüren und Fenster mit vielem blanken Messingwerk verziert, die Scheiben spiegelhell,
und rundum die zierlichsten Blumengärtchen mit Federuelken und Stockrosen, ein¬
gefriedigt von grün und roth gestrichenen Staketzäunen, und unter der Thüre
die ehrsamen Hausväter in weißen Hemdärmeln und mit Kniehosen vou schwarzem
oder dunkelgrünem Manchester, mit unbeschreiblicher Würde kurze Pfeifen rauchend,
man wird sofort an die Beschreibungen holländischer Scenen erinnert und uuter
den ersten Leuten, die es wagten, immerdrohender Wassersgefahr zum Trotz, diese
bis zur Unerschöpflichkeit fruchtbaren Gegenden in Bearbeitung zu nehmen, waren
auch gewiß viele Holländer, was ich schou daraus schließen möchte, daß sich sehr
viele Mennoniten — im Munde des Volks heißen sie Manisten — in jener Ge-
gend finden. — Außer in den genannten polnischen Gegenden Westpreußens ist
der Katholicismus nnr in dem sogenannten Bisthum Ermeland (den Kreisen
Braunsberg und Heilsberg mit dem Bischofssitz Frauenburg) vorherrschend.
Die Bewohner dieses Landstrichs und Lithauens sind es auch allein, die etwas
Eigenthümliches in ihrer Tracht haben; bei den erstem auch nur die Frauen, die
starr conservativ an ihren schreiend rothen Wollenröcken und Ueberwürfen von
schneeweißem, selbstgefertigten Linnen halten. Die höchst malerische Tracht der
Lithauer und Lithauerinnen zu beschreiben, muß ich verzichten, weil eine Menge
dahingehöriger Einzelnheiten meinem in solchen Dingen ungeübten Gedächtniß ent¬
gangen ist. —
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