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Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band.

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horsam verweigernd. Ein interessantes Beispiel soll zeigen, wie das dem Men¬
schen Nützliche zuweilen wie im Spiel dnrch die Naturkräfte vernichtet wird,
und zwar fast dnrch dieselben Mittel vernichtet wird, dnrch welche es unter den
Händen des Menschen entsteht.

Unsere Landwirthe hatten schon lange vor Liebig's Untersuchungen über die
Ernährung der Pflanzen das Geheimniß erkannt, nützliche Futterkräuter anch ans
solchem Boden hervorzuzaubern, wo sie nie von Menschenhand gesäet waren.
Wenn der Landwirth auf schweren kalten Wiesengrund, der jahrelang nur Sumpf¬
gras und filziges Moos getragen hat, im ersten Frühjahr reichliche Holz- und
Kohlenasche streut, so sprießt in kurzer Zeit der aristokratische Klee hervor und
schüttelt seine weißen und rothen Kopfe im Sonnenlicht. Oft ist die Verän¬
derung des Pflanzenwuchses einem Wunder gleich; wo nie Klee zu sehen war,
überzieht er plötzlich deu gauzen Grund. Wir wissen wohl, daß die kleinen
verkümmerten Kleepflanzen seit langen Jahren ein fast unsichtbarer Bestandtheil
der Nasenuarbe waren, und nur jetzt so üppig emporgeschossen sind, weil gerade
der Stoff aus die Fläche gestreut wurde, der ihre Ernährung begünstigt, und
ihren alten Feind, das Moos, tödtet. .

Aber wie der Mensch noch dnrch die Asche seines Heerdes nützliches Pflanzen¬
leben hervorzuzaubern weiß, so sucht die Natur hiu und wieder durch die Asche
ihrer großen Feuerheerde nützlichem Pflanzenwuchs in schädlichen zu verkehren.
Der Reisende soll selbst erzählen, wie dies in Central-Amerika geschehen.

"Gutes Gras ist in einem tropischen Klima eine Seltenheit, in Central-
Amerika aber war gutes Gras bis vor einigen Jahren sehr gewöhnlich und zwar
in Folge der für den Menschen so gefährlichen, für eine üppige Vegetation aber
so förderlichen Vereinigung vou großer Feuchtigkeit und großer Hitze. Wenige
Tage nach den ersten Regengüssen sind sogar alle Wege und Pfade mit kurzem
Grase bedeckt und bis vor einigen Jahren trugen wie gesagt alle- Waldlichtun
geu und Savannen fast fortwährend ein gesundes Futter für Rinder und Pferde.
Die Veränderung war ein für einige Distncte von Central-Amerika ziemlich merk¬
würdiges Ereigniß. Ich will es beschreiben, wie es sich in Leon zutrug, obgleich
sich dieselbe Erscheinung auf viele hundert Meilen erstreckte.

In den ersten Morgenstunden des 20. Januars 1835 bemerkte man einige
heftige Erdstöße und die Einwohner flüchteten wie gewöhnlich aus ihren Häusern
hinaus ans die "Patioö" oder Kirchhöfe und auf die Straßen. Die Besorgniß
begann jedoch bald wieder zu verschwinden und die Leute kehrten in ihre Woh¬
nungen zurück; aber die Erde schien sich noch immer nicht beruhigt zu haben lind
das Fliehen auf die Straßen hinaus, das Zurückkehren in die Häuser wiederholte
sich uoch mehrmals. Diese Stöße dauerten in Zwischenräumen den ganzen Tag
fort und die Nacht war ruhiger; am Morgen des 21. wurden jedoch die Ein¬
wohner durch eine sehr heftige Erschütterung, die mehrere Secunden anhielt, aufs


horsam verweigernd. Ein interessantes Beispiel soll zeigen, wie das dem Men¬
schen Nützliche zuweilen wie im Spiel dnrch die Naturkräfte vernichtet wird,
und zwar fast dnrch dieselben Mittel vernichtet wird, dnrch welche es unter den
Händen des Menschen entsteht.

Unsere Landwirthe hatten schon lange vor Liebig's Untersuchungen über die
Ernährung der Pflanzen das Geheimniß erkannt, nützliche Futterkräuter anch ans
solchem Boden hervorzuzaubern, wo sie nie von Menschenhand gesäet waren.
Wenn der Landwirth auf schweren kalten Wiesengrund, der jahrelang nur Sumpf¬
gras und filziges Moos getragen hat, im ersten Frühjahr reichliche Holz- und
Kohlenasche streut, so sprießt in kurzer Zeit der aristokratische Klee hervor und
schüttelt seine weißen und rothen Kopfe im Sonnenlicht. Oft ist die Verän¬
derung des Pflanzenwuchses einem Wunder gleich; wo nie Klee zu sehen war,
überzieht er plötzlich deu gauzen Grund. Wir wissen wohl, daß die kleinen
verkümmerten Kleepflanzen seit langen Jahren ein fast unsichtbarer Bestandtheil
der Nasenuarbe waren, und nur jetzt so üppig emporgeschossen sind, weil gerade
der Stoff aus die Fläche gestreut wurde, der ihre Ernährung begünstigt, und
ihren alten Feind, das Moos, tödtet. .

Aber wie der Mensch noch dnrch die Asche seines Heerdes nützliches Pflanzen¬
leben hervorzuzaubern weiß, so sucht die Natur hiu und wieder durch die Asche
ihrer großen Feuerheerde nützlichem Pflanzenwuchs in schädlichen zu verkehren.
Der Reisende soll selbst erzählen, wie dies in Central-Amerika geschehen.

„Gutes Gras ist in einem tropischen Klima eine Seltenheit, in Central-
Amerika aber war gutes Gras bis vor einigen Jahren sehr gewöhnlich und zwar
in Folge der für den Menschen so gefährlichen, für eine üppige Vegetation aber
so förderlichen Vereinigung vou großer Feuchtigkeit und großer Hitze. Wenige
Tage nach den ersten Regengüssen sind sogar alle Wege und Pfade mit kurzem
Grase bedeckt und bis vor einigen Jahren trugen wie gesagt alle- Waldlichtun
geu und Savannen fast fortwährend ein gesundes Futter für Rinder und Pferde.
Die Veränderung war ein für einige Distncte von Central-Amerika ziemlich merk¬
würdiges Ereigniß. Ich will es beschreiben, wie es sich in Leon zutrug, obgleich
sich dieselbe Erscheinung auf viele hundert Meilen erstreckte.

In den ersten Morgenstunden des 20. Januars 1835 bemerkte man einige
heftige Erdstöße und die Einwohner flüchteten wie gewöhnlich aus ihren Häusern
hinaus ans die „Patioö" oder Kirchhöfe und auf die Straßen. Die Besorgniß
begann jedoch bald wieder zu verschwinden und die Leute kehrten in ihre Woh¬
nungen zurück; aber die Erde schien sich noch immer nicht beruhigt zu haben lind
das Fliehen auf die Straßen hinaus, das Zurückkehren in die Häuser wiederholte
sich uoch mehrmals. Diese Stöße dauerten in Zwischenräumen den ganzen Tag
fort und die Nacht war ruhiger; am Morgen des 21. wurden jedoch die Ein¬
wohner durch eine sehr heftige Erschütterung, die mehrere Secunden anhielt, aufs


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 10, 1851, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341570_345606/262>, abgerufen am 23.06.2024.